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Rettungsschiff Alan Kurdi empfängt einige Flüchtlinge an Deck Rettungsschiff Alan Kurdi empfängt einige Flüchtlinge an Deck 

D: Bischof begleitet „Sea-Eye 4“ zu spanischem Hafen

Sicherheitsschuhe hat er sich schon besorgt. Medikamente gegen Übelkeit fehlen noch. Etwa zwei Wochen lang wird Ruhestandsbischof Michael Wüstenberg, der früher eine Diözese in Südafrika leitete und heute in Hildesheim lebt, auf dem Rettungsschiff „Sea-Eye 4“ mitfahren.

Das ehemalige Versorgungsfahrzeug, Baujahr 1972, ist am Sonntag in Rostock getauft worden. Ende März will es die Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye nach Burriana in Spanien überführen. Vom dortigen Hafen aus soll die „Sea-Eye 4“ Flüchtlinge aus dem Mittelmeer holen, die zum Teil in kaum seetauglichen Schlauch- und Holzbooten versuchen, nach Europa zu gelangen.

„Für mich war es eine beschämende Erfahrung zu sehen, wie gerade christliche Länder Europas - im Süden wie im Osten - sich besonders gegen die Flüchtlinge stemmen“, sagt Wüstenberg. Neugierig sei er gewesen und deshalb nun bei der Überführung nach Spanien dabei. Auch wenn er auf der „Sea-Eye 4“ keine Rettungseinsätze miterleben wird, so hofft der 66-Jährige, während der Fahrt mit der Crew ins Gespräch zu kommen. „Das sind ja meistens junge Leute, Studenten, die teilweise kirchlich sind, teilweise auch gar nicht, aber von einem guten Geist getrieben.“

Flüchtlinge im Mittelmeer
Flüchtlinge im Mittelmeer

Ein Seebär sei der gebürtige Dortmunder eigentlich nicht. Nachdem er Philosophie und Theologie in Frankfurt und Freiburg studiert hatte, wurde Wüstenberg im Juni 1982 in Hildesheim zum Priester geweiht. Ab 1987 war er als Pfarrer in Bremen tätig. Seine Gemeinde unterhielt eine Partnerschaft ins westafrikanische Burkina Faso. Mehrfach war er mit Gemeindevertretern vor Ort oder empfing Besuch aus Afrika in Bremen.

Die letzten Züge der zu Ende zuckenden Apartheid

Die Unterschiede in der Seelsorge interessierten den katholischen Geistlichen schließlich so sehr, dass er 1992 nach Südafrika ging. Dort erlebte er „die letzten Züge der zu Ende zuckenden Apartheid“, wie er sagt. Die Phase des Übergangs sei von Gewalt geprägt gewesen. Wüstenberg arbeitete zunächst als Pfarrer im südafrikanischen Hinterland und studierte gleichzeitig Missionswissenschaften. Nach Lehrtätigkeiten am Priesterseminar in Pretoria wurde er im Februar 2008 zum Bischof für die Diözese Aliwal geweiht. Aus gesundheitlichen Gründen ging Wüstenberg im September 2017 in den Ruhestand und kehrte nach Hildesheim zurück.

Wenn er auf die Lage der Flüchtlinge im Mittelmeer blicke, dann blute „ein Stück weit mein afrikanisches Herz“, sagt der Priester. Zwar gehöre Südafrika nicht zu den üblichen Herkunftsländern. Dort gebe es aber - wie auf dem gesamten Kontinent - Fälle von Korruption, in die auch westliche Unternehmen verwickelt seien.

Überhaupt sieht Wüstenberg Europa mit in der Verantwortung, wenn es um gestiegene Flüchtlingszahlen geht. Als Beispiel nennt er das Schicksal eines jungen Mannes aus dem Senegal. Dort hätten Handelsabkommen mit westlichen Staaten die heimische Fischereibranche zusammenbrechen lassen. Die Eltern hätten ihren Sohn nach Europa geschickt, um Geld für die Familie zu verdienen. Der Mann landete in Hamburg, um „seinen Thunfisch, den er hätte fangen können vor seiner eigenen Küste, bei Aldi in der Dose einzukaufen“, sagt Wüstenberg.

Solidarität mit den Flüchtlingen

Solidarität mit den Flüchtlingen zeigen - auch das ist eine Motivation für seine Fahrt mit der „Sea-Eye 4“. Vergangenen Herbst haben Sea-Eye und das Bündnis United4Rescue, das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit ins Leben gerufen wurde, den Offshore-Versorger erworben. Den Kaufpreis von 250.000 Euro stemmten die Organisationen über Spenden. Das Schiff wurde für die Rettungsaktionen umgerüstet. Zu den Geldgebern zählen auch die UN-Flüchtlingshilfe sowie die drei (Erz-)Diözesen München und Freising, Paderborn und Trier. Die Diözesen stellten zusammen 125.000 Euro für die Überführung des Schiffes bereit.

Die Hilfe für die Seenotrettung steht der Kirche gut zu Gesicht, findet Wüstenberg. Er will über das Thema künftig auch aus einer persönlicheren Perspektive sprechen können, etwa in Predigten. „Aus den Nachrichten und so - das kenne ich alles“, erklärt er. „Aber ich möchte es auch wirklich von der eigenen Erfahrung her bezeugen können.“

(kap/kna – mg)

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28. Februar 2021, 13:43