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Weihbischof Florian Wörner Weihbischof Florian Wörner 

Unser Sonntag: „Rabbi, wo wohnst Du?“

Mit ihrer Frage, so Weihbischof Florian Wörner, wollen die Jünger herausfinden, wer Jesus ist und ob sie auf ihn setzen können. Sie suchen nicht irgendeinen Vorteil, sondern aufrichtig den Herrn.

Florian Wörner - Weihbischof in Augsburg

Joh 1, 35–42

 

Zum Nachhören

Liebe Schwestern und Brüder!

Um einen Menschen kennenzulernen, frägt man in der Regel zuerst, wie er heißt und wo er daheim ist. Wer mehr erfahren will, lässt sich am besten von ihm nach Hause einladen. Dort kann man sehen, wie jemand lebt, womit er sich beschäftigt, welche Vorlieben er hat, wie er denkt, für was er steht und vieles mehr.

„Rabbi, wo wohnst du“, wollen die beiden Jünger im Evangelium dieses Sonntags von Jesus wissen. Andreas heißt der eine, der andere könnte Johannes gewesen sein. Vielleicht waren sie etwas verlegen oder überrumpelt von der vorausgehenden Frage Jesu: „Was sucht ihr?“ Bestimmt aber war es ihnen ein echtes Bedürfnis, mehr über ihn zu erfahren. Schließlich hat Johannes der Täufer, dessen Jünger sie waren, vom verheißenen Messias gesprochen und in ihnen die Sehnsucht danach geweckt. „Seht, das Lamm Gottes“, sagt Johannes der Täufer jetzt über Jesus und verweist auf ihn.

Ist er der Sohn Gottes?

Die beiden Jünger gehen ihm nach; und es ist nur allzu verständlich, dass sie mehr über Jesus in Erfahrung bringen wollen. Sie möchten sich ein Bild von ihm machen: Ist er wirklich der, von dem Johannes gesprochen hatte? Ist er der Sohn Gottes? (vgl. Joh 1,34) Lohnt es sich, seinetwegen alles liegen und stehen zu lassen, und ihm nachzufolgen? „Rabbi, wo wohnst du“, wollen sie wissen. Diese Frage meint im Grunde genommen: „Wer bist du? Können wir auf dich setzen? Können wir bei dir bleiben?“ Es geht ihnen um ihn und nicht um irgendetwas an ihm. Sie suchen ihn und nicht irgendeinen Vorteil, den sie sich durch ihn erhoffen, wie die Leute bei der Brotvermehrung. Es ist also eine aufrichtige Frage von wirklich Suchenden.

Kommt und seht

Auf so eine Frage einfach nur die Visitenkarte mit den Kontaktdaten auszuhändigen, wäre zu kurz gegriffen. Ein Tag der offenen Tür hilft da schon weiter, oder noch besser: ein Schnupperpraktikum. „Kommt und seht“, ist die Antwort Jesu; wobei der Evangelist uns nicht verrät, wo Jesus tatsächlich wohnt. Vielleicht kann er das auch nicht. An anderer Stelle sagt Jesus einmal: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Mt 8,20) Jesus ist daheim beim Vater und bei den Menschen. Das ist sein Zuhause. „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört“ (Lk 2,49), bekommen die Eltern vom zwölfjährigen Jesus zu hören. Und an Weihnachten wurde uns verkündet: „… das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh 1,14) Beim Vater im Himmel und mitten unter den Menschen ist Jesus zu Hause. „Kommt und seht“, das ist die Einladung Jesu in sein Leben, in sein Leben mit Gott und mit den Menschen, und zwar nicht nur für einen Tag der offenen Tür bzw. für ein kurzes Schnupperpraktikum, sondern für immer.

„„Sehen“ heißt erkennen, wer er ist, staunen darüber, sich von ihm Freund nennen lassen und sein Freund werden.“

Diese Einladung hat eine aktive und eine kontemplative Seite. „Kommen“ meint aufbrechen zu Jesus, ihn suchen, ihm nachgehen, seinen Lebensstil nachahmen und den eigenen gegebenenfalls verändern. „Sehen“ heißt erkennen, wer er ist, staunen darüber, sich von ihm Freund nennen lassen und sein Freund werden, ihn finden und sich von ihm finden lassen, sich von ihm lieben lassen und ihn lieben lernen. Der Evangelist verrät uns wie gesagt weder, wo und wie Jesus lebt, noch teilt er uns etwas von dem mit, was er mit den beiden Jüngern gesprochen hat. Was wir allerdings sehr wohl erfahren, ist, dass der Funke bei dieser Begegnung ganz offensichtlich übergesprungen ist. Hinterher ist klar: Johannes der Täufer hatte Recht. Das ist er. „Wir haben den Messias gefunden – das heißt übersetzt: Christus – der Gesalbte.“ So kann es Andreas seinem Bruder Simon begeistert berichten und diesen zu Jesus führen. Das heißt: Andreas hat Feuer gefangen. Die Begegnung mit Jesus hat ihn verändert. Er erkennt in Jesus nicht nur den Rabbi, sondern den Messias. Es muss eine Offenbarung Gottes gewesen sein und eine echte Berufung als Jünger in die Nachfolge Jesu, die ihn zum Zeugen Jesu macht.

Lassen wir uns von Jesus einladen?

Wie sieht das bei uns aus? Welche Fragen treiben uns momentan um? Was suchen wir? Ist es Jesus, den wir suchen? Interessiert er uns wirklich? Wie gehen wir mit der Einladung um, die ja auch an uns heute gerichtet ist: „Kommt und seht“? Spricht sie uns an? Welche Erwartungen schwingen dabei mit? Geht es uns wirklich um ihn oder um etwas, was wir von ihm in unserer momentanen Situation erhoffen? Solche Erwartungen und Hoffnungen dürfen wir ja durchaus hegen. Jesus sagt: „Bittet, und es wird euch gegeben!“ (Mt 7,7). Aber manchmal blockieren diese Erwartungen und Hoffnungen, weil sie vielleicht allzu vorläufig oder gar egoistisch sind, den Blick auf das Ganze, auf das Große, auf die große Hoffnung, die auf Gott selbst ausgerichtet ist, auf das Leben mit ihm, das Leben in Fülle. Jesus sagt in der Bergpredigt: „Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht:

„Andreas war so Feuer und Flamme, dass er seinen Bruder überzeugen konnte und in die Begegnung mit Jesus brachte.“

Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben.“ (Mt 6,32f) Sein Reich suchen bedeutet: ihn suchen. Das hat Priorität. Ist das so in meinem Leben? Ist das Feuer der Liebe zum Herrn und zu den Mitmenschen so stark, dass das gilt, was der hl. Augustinus einmal sagte: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.“ Andreas war so Feuer und Flamme, dass er wie gesagt seinen Bruder überzeugen konnte und in die Begegnung mit Jesus brachte.

„Kommt und seht!“ Das ist die beständige Einladung des Herrn an uns Menschen in sein Leben: da wohnen, wo er „wohnt“, bei ihm daheim sein, sich bei ihm zu Hause wissen, seine Hausgenossen sein und immer mehr werden, Eins-Werden mit ihm, seine Gedanken und seine Sicht der Dinge teilen, wie es bei echten Jüngern und Jüngerinnen der Fall ist. Das geschieht durch das beständige Gebet, durch das regelmäßige Lesen und Betrachten seines Wortes sowie durch die Mitfeier und Anbetung der Eucharistie.

Die Einladung weitergeben

Und wer so beim Herrn daheim ist, der ist es auch bei den Menschen, besonders bei den Bedürftigen, mit denen sich der Herr am meisten identifiziert (vgl. Mt 25,40). Und er wird wie Andreas bestrebt sein, auch andere auf den Geschmack zu bringen, indem er die Einladung Jesu an Fragende und Suchende ausspricht: „Kommt und seht“, damit sie Jesus kennenlernen als Christus und Sohn Gottes.

Ich glaube, es war der hl. Bischof Ambrosius, der einmal gefragt wurde, wie er einen Menschen dabei helfe, sich zu bekehren. Er soll geantwortet haben, dass er ihn eine Zeit lang in sein Haus aufnehmen würde. Wer weiß, vielleicht treffen wir ja demnächst jemanden, der uns frägt, wo wir wohnen, wie wir leben, was unser Leben prägt und an wen wir glauben.

Jesus würde antworten. „Komm und sieh!“

Amen.

(radio vatikan – claudia kaminski)

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16. Januar 2021, 10:06