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In der Schweiz kaum zu sehen... Obdachlose in Genf In der Schweiz kaum zu sehen... Obdachlose in Genf 

Schweiz: Caritas fordert stärkere Maßnahmen gegen Armut

Die Caritas schlägt Alarm: Viele Schweizer seien durch die Corona-Pandemie von Armut betroffen. Bundes- und Kantonsbehörden sollten daher stärkere Maßnahmen einführen, um das Armutsproblem im Zusammenhang mit Covid-19 zu lösen.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Die Schweiz gilt bekanntlich als reiches Land, in der man keine Obdachlosen auf den Straßen sieht, und auch die Statistiken weisen immer tiefe Arbeitslosigkeitsraten aus. Doch der Schein trügt, wie jetzt Caritas Schweiz hervorhebt. Schon vor der Corona-Pandemie habe es in der Schweiz tausende mittellose Menschen gegeben. „Das Ausmaß des Armutsphänomens wird sich in zwei Jahren in den Statistiken zeigen“, warnte Hugo Fasel, scheidender Direktor von Caritas Schweiz, bei einer Pressekonferenz in Bern.

Zum Nachhören - das Interview mit Stefan Gribi von Caritas Schweiz

Stefan Gribi ist Leiter der Abteilung Kommunikation bei der Caritas Schweiz. Er erläutert uns, auf was das katholische Hilfswerk besonders aufmerksam machen will:

„Bereits vor der Corona-Krise waren in der Schweiz viele Menschen von Armut betroffen. Das Bundesamt für Statistik spricht von 660.000 Betroffenen. Die Krise hat nun weitere Menschen in eine Armutssituation gebracht, die sich vorher noch knapp über der Armutsgrenze halten konnten. Viele der Betroffenen sind Familien mit minderjährigen Kindern. Überdurchschnittlich häufig gehören auch Alleinerziehende dazu. Viele dieser Menschen haben gearbeitet oder haben ihre Jobs verloren, die sie mit Stundenlohn geleistet haben. Das hat auch zu Armut geführt, denn Arbeit auf Abruf ist jetzt nicht mehr gefragt. Besonders in der französischsprachigen Schweiz gab es auch sehr viele Sans-Papiers (Migranten ohne Dokumente, Anm. d. Red.), die in eine Krisensituation geraten sind, weil sie ohne jegliche soziale Sicherheit dastehen. In der Schweiz gibt es das Instrument der Kurzarbeit, die entschädigt wird; also Arbeit, die weniger geleistet werden kann, wird entschädigt vom Staat. Dies geschieht aber nur mit 80 Prozent der Lohnsumme, die man sonst erhält. Viele Familien, die am Rande der Armutsgrenze verharren, sind davon betroffen.“

Lebensmittel-Ausgabe an Bedürftige in Genf
Lebensmittel-Ausgabe an Bedürftige in Genf

Von einem Tag auf den anderen

Es gehe nicht nur um Statistiken: Die meisten von ihnen seien Menschen, die sich von einem Tag auf den anderen in einer Situation der materiellen und psychologischen Unsicherheit und manchmal in einer echten existenziellen Krise befinden. Deshalb rufe die Caritas die Schweizer Behörden auf, jetzt zu handeln:

„Es ist dies die größte Hilfsaktion, die die Caritas in der Schweiz je durchgeführt hat.“

„Die Caritas hat seit dem Frühling wesentlich mehr Anfragen nach Beratung und Unterstützung erhalten als in gewöhnlichen Zeiten; es waren mehr als doppelt so viele Menschen, die sich bei uns gemeldet haben. Viele von ihnen konnten schlicht und einfach ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Das ging so weit, dass sie ihre Einkäufe für die Familie nicht mehr tätigen konnten. Wir haben hier 14.000 Personen unterstützen können mit Direktzahlungen, also kleineren oder mittleren Beträgen, damit ihnen über die Runden geholfen werden kann. Wir haben sehr viele Beratungen durchgeführt und auch Projekte gestartet, die die Menschen gezielt unterstützen. Es ist dies die größte Hilfsaktion, die die Caritas in der Schweiz je durchgeführt hat.“

Insgesamt habe die Caritas über 100.000 Menschen mit insgesamt 12,2 Millionen Franken unterstützt. Die Schweiz hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit. Gemäß dem Bundesamt für Statistik lag der Medianlohn für eine Vollzeitstelle 2016 bei 6.502 Franken - etwa 6.000 Euro - brutto pro Monat. Doch bereits mit der Hälfte davon können eine mehrköpfige Familie oder Alleinerziehende kaum alle Rechnungen und obligatorischen Versicherungen bezahlen. Man spricht auch von sogenannten Working-Poors, also Menschen, die soviel verdienen, dass sie gerade noch alle nötigen Ausgaben tätigen, aber sich darüber hinaus nichts mehr leisten können.

(vatican news)

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02. Dezember 2020, 12:12