Corona-Impfstart: wann in den Entwicklungsländern? Corona-Impfstart: wann in den Entwicklungsländern? 

Corona-Impfstart: „Viele arme Länder müssen noch lange warten“

„In einem Jahr ist der Spuk vorbei…“ Dieser Satz ist derzeit oft zu hören: Doch was mit Blick auf den Impfstart gegen Covid-19 in Europa ein wenig Hoffnung schenkt, liegt für ärmere und Entwicklungsländer noch in weiter Ferne. Das unterstreicht der Leiter von Caritas International im Interview mit dem SWR. Für eine breite Impfung auch in ärmeren Ländern müssten die Industrieländer mehr Mittel als geplant zur Verfügung stellen, mahnt Oliver Müller. Corona ziehe schon jetzt weltweit eine „Pandemie des Hungers“ nach sich, warnt der Caritas-Leiter.

„So sehr ich mich über den Impfbeginn in Deutschland freue, so pessimistisch bin ich doch, dass ärmere Länder jetzt doch auch bald mit dem Impfen drankommen. Wir müssen einfach konstatieren, dass sich die westlichen Länder, die entwickelten Länder entgegen ihrer Ankündigungen ein Großteil, manche sprechen von 85 Prozent der Impfproduktion, bereits reserviert haben, aber nur 14 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren! Also es sieht schon so aus, dass ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung und zwar der Bevölkerungsmehrheit dieser Welt erst noch sehr lange warten muss, bis er zur Impfung kommt.“

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Breite Impfungen in armen Ländern nur durch mehr Mittel möglich

Die führenden Wirtschaftsmächte der G20-Staaten hatten angekündigt, weltweit für eine gerechte Impfstoffverteilung sorgen zu wollen. Über die Initiative Covax und unter Beteiligung der Staaten – bislang sind es knapp 200 – soll die Weltgesundheitsorganisation bis Ende 2021 rund zwei Milliarden Impfdosen kaufen, die der Bekämpfung der Pandemie in den Drittweltländern dienen sollen. An sich sei Covax „eine sehr gute Idee“, lobt Müller. Gleichwohl sei die Initiative aber noch ziemlich begrenzt. Denn:

„Die Impfstoffmengen, die über Covax verfügbar sind, sind viel zu gering, um wirklich Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika in einem höheren Umfang auch impfen zu können. Also hier muss bedeutend nachgesteuert werden, und das bedeutet auch, dass die Industrieländer hier mehr Mittel zur Verfügung stellen müssen, sonst funktioniert die Idee nicht.“

Forschung muss weiter gehen

Papst Franziskus hatte bei seinem Weihnachtssegen „Urbi et Orbi“ am Ersten Weihnachtstag die schnelle Entwicklung von Corona-Impfstoffen als „Licht der Hoffnung“ bezeichnet. Zugleich hatte er „Impfstoffe für alle, vor allem für die Verletzlichsten und Bedürftigsten in allen Regionen des Planeten“, gefordert. Nach derzeitigem Stand können im Jahr 2021 „allein 70 ärmere Länder nur zehn Prozent der Bevölkerung impfen“, referiert Caritas-Leiter Müller aktuelle Schätzungen zur Wirksamkeit der Covax-Initiative. Insbesondere afrikanische Länder seien hier weitgehend vom Schutz durch Impfungen abgeschnitten, führt er weiter aus:

„Und hinzu kommt natürlich, dass der Impfstoff, den wir momentan haben, der ja bei minus 70 Grad gekühlt werden muss, überhaupt nicht dafür geeignet ist, ihn in entfernte Regionen zu bringen, wo es keine lückenlosen Kühlketten gibt und wo die Verhältnisse nicht so gut sind wie bei uns. Das heißt, es muss hier auch weiter geforscht werden, und es braucht einen anderen, robusteren Impfstoff, der etwa in Afrika verteilt werden kann.“

Corona zieht „Pandemie des Hungers" nach sich

In dem Radio-Interview verweist der Caritas-Leiter erneut auf die vielfältigen bedrohlichen Folgen, die die Pandemie in vielen Ländern für Menschen hat – im sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Am stärksten getroffen seien dabei die Menschen, die ohnehin schon im armen und prekären Verhältnissen lebten.

„Man muss leider sehr ernüchtert feststellen: der Corona-Pandemie folgt eine Pandemie des Hungers, und diese hat bereits begonnen. Das ist die traurige Wahrheit und von daher gibt es jetzt eigentlich noch keinen Grund, jetzt aufzuatmen, auch wenn die Impfung nun endlich begonnen hat, was ja sehr, sehr positiv ist. Corona zeigt schonungslos auf, welche Ungerechtigkeiten und Schwächen es in der Welt gibt – ich denke etwa an die große Zahl der Geflüchteten und Vertriebenen. Und wir stellen einfach fest, dass wir derzeit so viele Menschen haben, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind wie noch nie: nämlich 235 Millionen weltweit, und die Zahl steigt weiter an. Menschen in Asien, in Afrika sterben momentan nicht an Corona, sondern sie sterben, weil schwangere Frauen sich nicht in die Klinik trauen und weil sie eben kein ,social distancing‘ einhalten können, weil sie keine Masken zur Verfügung haben. Also hier sind sehr einfache Dinge auch gefragt - der Aufklärung, der Versorgung mit Hilfsmitteln. Und das versuchen Hilfsorganisationen wie die Caritas auch zu tun - etwa über Gesundheitshelfer, die in die entlegensten Ecken kommen, aufklären und auch direkt helfen können.“

(swr/vatican news – pr)
 

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29. Dezember 2020, 12:38