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Migranten im Übergangslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos Migranten im Übergangslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos 

D: „Lage auf Lesbos ist Schande für Europa“

Weihnachten ist das große Fest der Menschenwürde. Dies hat Bischof Georg Bätzing in seiner Weihnachtspredigt im Hohen Dom zu Limburg betont. Der Gottesdienst wurde live im Internet übertragen.

Die Menschenwürde sei von Gott wunderbar geschaffen und noch wunderbarer wiederhergestellt. Sie habe ihren Grund in der Geburt des Gottessohnes, der Mensch geworden ist, und gelte uneingeschränkt allen Menschen.

Doch diese Würde werde oft missachtet. Dies hätten die erschreckenden Bilder des Jahres 2020 wieder einmal deutlich gemacht. „In Bergamo werden Särge auf Militärtransportern zum stillen Begräbnis auf umliegende Friedhöfe gefahren. Solche Szenen in einem Nachbarland habe ich noch nie ansehen müssen, und sie haben ein tiefes Erschrecken in mir hinterlassen“, sagte der Bischof von Limburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Corona verdrängt andere Dramen aus dem öffentlichen Bewusstsein

Corona und seine lebensbedrohliche Ausbreitung berühre die Würde, auch, weil die Pandemie international die Diskrepanz der Lebensverhältnisse und Überlebenschancen von Menschen verschärfe. Die Pandemie sei neben den unabsehbaren Auswirkungen des Klimawandels wohl die größte humanitäre Krise weltweit seit vielen Jahrzehnten.

Im Spätsommer habe das Lager Moria auf Lesbos gebrannt. Geflüchtete hätten aus Verzweiflung Brände gelegt, weil sie hier unter unwürdigen Bedingungen zusammengepfercht und ohne Aussicht auf Veränderung leben müssten. „Damit flackert ein Thema auf, das für Europa wahrlich eine Schande ist, denn wir finden nicht zu einer gemeinsamen Asylpolitik als einzig richtige Antwort auf die weltweite Migration“, so Bätzing.

Der Fokus der Aufmerksamkeit liege seit Monaten auf der Eindämmung der Corona-Pandemie und führe dazu, dass das Flüchtlingsdrama inmitten der freien und wohlhabenden Welt aus dem öffentlichen Bewusstsein gedrängt würde.

Terror, Gewalt und Missbrauch verletzen Menschenwürde

Bätzing verurteilte auch die Anschläge in Hanau, Nizza, Paris, Koshobe in Nigeria, Kabul, Wien und Trier. Diese Orte stünden für grausame Bluttaten, die Menschen Würde und Leben raubten. „Und wir erleben wie gebannt, dass fremdenfeindliche, antisemitische, islamistische, rechts- und linksextreme Gewalt weltweit zunimmt; dass Minderheiten wie in Rohingya in Myanmar oder die Uiguren in China und vielerorts Christinnen und Christen wegen ihres Bekenntnisses bedroht, vertrieben und ermordet werden“, sagte der Bischof.

In Deutschland habe der Stress der Kontakt- und Bewegungsbeschränkungen die häusliche Gewalt ansteigen lassen und Frauen und Kinder seien vermehrt gedemütigt und geschlagen worden. Pädokriminelle Verbrechen wie der Missbrauchskomplex von Münster hätten ein Ausmaß des Grauens offenbart, das sogar erfahrene Ermittler schockiert habe.

„Der Missbrauch in der Kirche ist so lange nicht Vergangenheit, wie Betroffene körperlich und seelisch davon schwer gezeichnet unter uns leben und sich als „Überlebende“ bezeichnen. Sexueller Gewalt als weit verbreitetem Phänomen in unserer Gesellschaft wagen wir noch gar nicht ernsthaft ins Auge zu blicken“, so Bätzing. Menschenwürde werde in vielfältiger Weise verletzt, und Betroffene bräuchten Gehör- und Aufmerksamkeit, gerade auch die, die sich niemals selbst Gehör verschaffen konnten, da sie bereits vor ihrer Geburt getötet wurden und das Licht der Welt nie erblicken durften.

Jesus als Garant der Menschenwürde

An Weihnachten sei der Sohn Gottes geboren worden. Ein neugeborenes Kind rücke in den Mittelpunkt und sei der Garant der Menschenwürde. „In und mit unseren Grenzen sollen wir frei und schöpferisch leben dürfen, großzügig schenken und noch großzügiger verzeihen, jeder Form der Ausgrenzung wehren und Gemeinschaft stiften, uns aneinander freuen und füreinander sorgen. Das alles macht den Menschen menschlich und würdig, wahrhaft Gottes Ebenbild zu sein“, so der Bischof.

„Christ, der Retter ist!“ – über diese Zeile aus dem Lied „Stille Nacht“ hatte Bischof Bätzing am Heiligen Abend in der Christmette im Limburger Dom gepredigt. Die Zeile sei gefühlvoll romantisch, klinge nach Sehnsucht und verheiße Harmonie, so Bätzing. „Wir finden uns darin, weil es in seiner Schlichtheit ausdrückt, was uns an Weihnachten bewegt. Und wen gerade im eigenen Leben dunkle Sorgen und wehmütige Abschiede bewegen, den rührt es nicht selten zu Tränen. Dieses Lied braucht die Nacht, um seine Kraft zu entfalten. Es macht die Nacht erträglicher und trägt hindurch bis zum Morgen. Es ist wahrhaftig ein Weihnachtslied.“

Altes geht, Neues kann geboren werden

Für viele Menschen sei die Nacht eine besonders intensive Zeit. Schmerzen drückten mehr als tagsüber und auch Verlust und Einsamkeit seien dann spürbarer. Zweifel meldeten sich lauter, wenn es still um einen herum werde. Andererseits wachse aber auch neue Hoffnung über Nacht und Kranke verspürten Besserung. Nachts würden auch mehr Kinder geboren als am Tag. „Die Nacht ist ambivalent: Altes geht und vergeht, Neues kann geboren werden und das Licht der Welt erblicken“, so Bätzing.

In der Heiligen Nacht werde Gott Mensch. Gott springe den Menschen zur Seite. Nichts halte ihn mehr auf seinem königlichen Thron. Seine Menschenfreundlichkeit und sein mitfühlendes Herz drängten ihn zu den Menschen.

Auch Jesus lernte als Mensch die Nacht mit ihrem doppelten, tiefgründigen Gesicht kennen. Nachts suchte er die Einsamkeit, um zu beten. In der Nacht des Gründonnerstags überfiel ihn die Angst und er rang sich zur Hingabe durch. Als er am Karfreitag gekreuzigt wurde, sei es finster am helllichten Tag geworden.

„Die Botschaft von Weihnachten lebt“

„Die Nacht des Grabes hat zwei Seiten, Tod und Leben ringen miteinander, aber das Leben siegt, Gottes Treue trägt, er hält sein Wort und steht zu seinem lieben Sohn und reißt ihn heraus aus der Nacht zur Auferstehung. Aus der Nacht der finsteren Gewalten wird die Nacht der Verheißung für uns“, erklärte der Bischof. Keine Nacht halte das, was sie befürchten lässt. Jede Nacht ende. Es komme ein neuer Tag, so sicher wie morgen früh die Sonne aufgehe.

Gott habe den Menschen in der Heiligen Nacht den Retter gesandt. „Christ, der Retter, ist da!“, dies werde an Weihnachten gefeiert. Die Hirten auf den Feldern hätten diese Botschaft als erstes gehört und über die Zeiten hinweg sei sie ins Heute gedrungen. „Und indem wir Weihnachten feiern, lebt diese Botschaft und kann die Menschen heute in ihren Nächten erreichen, so dass keiner mehr verzweifeln muss“, sagte Bischof Bätzing.

(bistum limburg – sk)
 

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25. Dezember 2020, 09:34