Mystikerin des Leidens Mystikerin des Leidens 

Buchtipp: Das geheimnisvolle Leben der Anna Schäffer

Der in Polen lebende Journalist Stefan Meetschen hat eine Biographie über die Schreinertochter aus Mindelstetten verfasst. Sie ist die letzte Heilige, die von Benedikt XVI. zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Radio Vatikan sprach mit dem Autor.

Claudia Kaminski - Vatikanstadt

Radio Vatikan: Warum eine Biographie zu Anna Schäffer?

Stefan Meetschen: Es gibt seit Jahrzehnten eine ganze Reihe von Broschüren und Biografien – allen voran von Prälat Emmeram Ritter. Was fehlte, war eine moderne, handliche Biographie mit chronologischer Gliederung, in der man quasi die Stationen ihres Lebens mit Anna Schäffer durchschreitet; das war meine Intention. Ein ehrgeiziger Plan, denn immerhin hat sie nach dem Laugenunfall 25 Jahre lang ans Bett gefesselt verbracht. Wie erzählt man das? Ein solches katholisches Kammerspiel.

Zum Nachhören:

Katholisches Kammerspiel

Radio Vatikan: Und wie macht man es dann, ein solches katholisches Kammerspiel, ein solches kontemplatives Leben zu beschreiben?

Stefan Meetschen: Indem man Anna Schäffer auch selbst oft zu Wort kommen lässt. Es gibt ja eine ganze Reihe von Briefen und Aufzeichnungen von ihr, auf die ich mich stütze. Das Schreiben war für Anna Schäffer sehr wichtig, sie hat ihre täglichen, mystischen Erfahrungen notiert. Sie war insofern auch nicht das typische Opfer, eine hilflose Frau, zu der man sie oft macht. Sie hat trotz ihrer einfachen Schulausbildung viel geschrieben, auch viele Gedichte. Und sie hat durch einfache Tätigkeiten wie das Sticken versucht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Insofern also eine sehr emanzipierte Frau, sehr selbständig. Man kann das Buch auch als Denkmal des Dankes an die weibliche Kraft in der Kirche verstehen. 

Dr. Stefan Meetschen
Dr. Stefan Meetschen

Stefan Meetschen: Sie ist mir vor über 20 Jahren im Traum erschienen. So wie sie ja auch eine intensive Träumerin war. Ich kannte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Von daher gibt es da eine sehr spezielle Verbundenheit. Mich fasziniert die Art und Weise, wie sie ihr körperliches Leiden ertragen hat. Das nötigt mir den allergrößten Respekt ab.

Radio Vatikan: Was genau haben Sie von der Heiligen geträumt?

Stefan Meetschen: Sie hat mich ernst wie eine Freundin angeguckt. Ohne Worte. Ich habe bald nach diesem Traumgesicht einem Priester via Telefon davon berichtet. Er sagte mir: ‚Ich denke, ich weiß, wer diese Frau ist. Ich habe die Nacht, da Sie den Traum hatten, am Grab Anna Schäffers in Mindelstetten verbracht und für eine ganze Reihe von Menschen gebetet - auch für Sie! Ich schicke Ihnen ein Foto von ihr.‘

Das tat er - und zwei Tage später habe ich sie dann wiedererkannt.

„Sie war natürlich ein Kind ihrer Zeit“

Radio Vatikan: Ist Anna Schäffer mit ihrer Frömmigkeit noch aktuell? Haben wir solch einen Katholizismus nicht überwunden?

Stefan Meetschen: Stichworte Sühne leisten, Aufopfern... Ich finde die Spiritualität von Anna Schäffer weiterhin hoch aktuell. Sie war natürlich ein Kind ihrer Zeit und wir können die Uhren auch nicht wieder zurückdrehen. Aber man kann sich von ihr inspirieren lassen. Für mich weist Anna Schäffer aber auf das Wesentliche.

Radio Vatikan: Was hat Sie beim Schreiben am meisten erstaunt oder überrascht?

Das ideale Lockdown-Buch

Stefan Meetschen: Als ich das Buch schrieb, dachte ich mir etwas zweifelnd, wer findet heute noch die Zeit, sich auf ein solches Thema einzulassen, ein solches Schicksal. Wir leben ja heute in einer ständigen Mobilität, sind ständig unterwegs mit dem Auto, mit dem Flugzeug. Dann kam das Jahr 2020, die Corona-Krise, der Lockdown. Und mit einem Mal befand sich die ganze Welt in ähnlicher Lage wie Anna Schäffer, nämlich eingeschlossen und zur Bewegungslosigkeit verdammt. Insofern ist das Buch ein ideales Lockdown-Buch geworden. Anna Schäffer kann Impulse geben, wie man mit einem Ausnahmezustand umgeht.

Radio Vatikan: Welchen Impuls kann uns Anna Schäffer heute geben?

Stefan Meetschen: Der wichtigste Impuls Anna Schäffers besteht darin , anzuerkennen, dass menschliches Leiden einen Sinn haben kann. Und ich glaube, man sogar noch weiter gehen und sagen: Der eigentliche Skandal ihres Lebens war, dass ihr zugemutet wurde zu leiden - und dass dieses Leiden einen erlösenden Effekt hatte auf das Leben anderer Menschen.


Stefan Meetschen
Das geheimnisvolle Leben der Anna Schäffer
Mystikerin des Leidens
2020
160 S - ca. 17 Euro
Media Maria. ISBN 978-3-947931-21-7

(vatican news)

 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

10. Oktober 2020, 11:06