P. Martin Werlen zitiert gerne aus den Schriften von Silja Walter - auch in seinem neuen Buch P. Martin Werlen zitiert gerne aus den Schriften von Silja Walter - auch in seinem neuen Buch 

Unser Buchtipp: Raus aus dem Schneckenhaus!

„Von Pharisäern mit Vorsicht zu genießen“: Dieser Warnhinweis prangt ganz vorne im neuen Buch von Pater Martin Werlen, dem früheren Abt des schweizerischen Benediktinerklosters Einsiedeln. Denn um Pharisäer geht es da – um das Pharisäische in uns Katholiken.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

„Raus aus dem Schneckenhaus!“, das ist ein erfrischendes Pamphlet gegen das Enge und Kleinkarierte in der Kirche. Echtes Katholischsein reimt sich für den unkonventionellen Ordensmann auf das Bemühen um „immer größere Weite des Herzens“. Um das auszuführen, zitiert er immer wieder Benedikt von Nursia, Alfred Delp und Silja Walter.

Der Pharisäer in uns hätte gerne Eindeutigkeit und klare Festlegungen; doch dem hält Pater Martin das Sich-Einlassen auf Ungewissheiten und Unwegsamkeiten auf unserer Suche nach Gott und nach den Mitmenschen entgegen. „Gott verstehen wir nicht“, schreibt er, doch zugleich ist Gott für uns „ein Du, mit dem wir ringen und streiten können“. Und Glauben ist für ihn „nicht Vertröstung auf ein Jenseits, sondern Erfahrung im Hier und Heute“.

Kloster Einsiedeln
Kloster Einsiedeln

Die Menschen draußen, „das ist doch die Mehrheit“

Beredt warnt der Benediktiner, der seit August dieses Jahres die österreichische Propstei St. Gerold leitet, davor, der Versuchung des Fundamentalismus oder der Gleichgültigkeit nachzugeben. Auf Kapitelüberschriften hat Martin Werlen verzichtet; die kurzen Abschnitte wollen eher meditiert als in einem Rutsch heruntergelesen werden.

Das Buch richtet sich gleichermaßen an alle Menschen am Glaubensweg, ob sie nun, was die Kirche angeht, „drinnen“ oder „draußen“ zu verorten sind. Die Menschen draußen, „das ist doch die Mehrheit“ – er treffe sie häufig, die von der Kirche Enttäuschten, die ihr den Rücken gekehrt haben.

Zum Nachhören

„Nicht gleich mit dem Katechismus unterm Arm“

Martin Werlen bittet darum, bei Kirchenaustritten nicht in erster Linie mit Zahlen zu hantieren: „Das ist falsch. Wir sollten in Menschen denken. Jeder Mensch ist ein von Gott geliebter Mensch.“ Und gerade Menschen in Not – etwa die, deren Beziehung zerbrochen sei – seien Gottes Lieblinge; wie könne es dann sein, „dass wir ihnen nichts anderes zu sagen haben als Verurteilung?“ Oft, so entdeckt der Benediktiner mit einem scharfen Blick auf die endlosen Streitgespräche Jesu mit Pharisäern, von denen die Evangelien berichten, versteckt sich „hinter frommen Argumenten“ in Wirklichkeit Verachtung.

Wir Pharisäer sollten dieses Buch, das stimmt schon, mit Vorsicht genießen. Aber wenn wir es lesen, können wir daraus viel lernen. Über die Weite unseres Glaubens, vor allem. Und wie wir auf unsere Mitmenschen zugehen können: nämlich „nicht gleich mit dem Katechismus unterm Arm, dem Kirchenrecht und einem Stapel von Dogmatik- und Moralbüchern“.

Martin Werlen: Raus aus dem Schneckenhaus!, Herder Verlag, ca. 20 Euro

(vatican news)

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15. Oktober 2020, 19:37