Das Pilgerzentrum in der Nähe der Engelsburg Das Pilgerzentrum in der Nähe der Engelsburg  

Pilgerzentrum Rom: „Sorgen in Corona-Zeiten abgeben können“

Der deutsche Pilgerseelsorger in Rom, Pfarrer Werner Demmel, der auch Seelsorger der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan ist, hat mit Beginn des Corona-Lockdowns im März Gebetsanliegen unserer Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser in seine Messfeiern und Gebete aufgenommen. Das ist nun ein halbes Jahr her, viele Einschränkungen des Gemeindelebens - und des Reisens - wurden inzwischen aufgehoben. Zeit für eine Bilanz und ein Interview darüber, was Rom-Pilger aktuell erwartet.

Pfarrer Werner Demmel ist seit sieben Jahren Leiter des deutschsprachigen Pilgerzentrums in Rom; auch während der Corona-Pandemie ist er hier gewesen, musste zeitweise jedoch das Pilgerzentrum schließen. Zu Beginn, als es mit dem Lockdown los ging, im März, machte er daher ein besonderes spirituelles Angebot: Die Annahme von Gebetsanliegen der Radio-Vatikan-Familie. Im Interview mit uns berichtet er über die Anfänge:

Pfarrer Werner Demmel, Leiter deutschsprachiges Pilgerzentrum Rom: „Wir haben uns gedacht, es gibt so viele Menschen, die darunter leiden, dass sie isoliert sind. Die vielleicht aufgrund einer Erkrankung oder ihrer Alters nicht am Gemeindeleben teilnehmen können und nun vor ganz verschlossenen Türen standen. Was kann man tun? Und dann kam die Idee: Wir probieren‘s, wir sagen: Hier, wir sind für euch da, wenn ihr wollt. Ich habe die Möglichkeit, jeden Tag zu zelebrieren, ich nehme eure Anliegen, eure Sorgen mit ins Gebet hinein. Ich muss wirklich sagen, es hat mich fast aus der Fassung gebracht, wie stark das am Anfang angenommen wurde.

Hier das Interview im Audio

Radio Vatikan: Wir haben bei Radio Vatikan dann auch darüber berichtet, darauf aufmerksam gemacht, dass Sie Gebetsanliegen aufnehmen, dass man uns diese schicken kann per E-Mail. Sie sagen, die Resonanz, gerade zu Beginn im März, war sehr hoch. Was heißt das – kamen da zehn E-mails, fünf...?

Pfarrer Werner Demmel im Interview mit Stefanie Stahlhofen von Radio Vatikan
Pfarrer Werner Demmel im Interview mit Stefanie Stahlhofen von Radio Vatikan

Not und Sorgen loslassen

Demmel: „ In der strengen (Lockdown) Phase waren es fast jeden Tag drei bis vier - das war schon viel und ich habe es mir dann richtig aufteilen müssen, damit ich ja kein Anliegen vergesse. Ich habe dann auch immer wieder in Gottesdiensten noch einmal alles mit hinein genommen, damit ja keiner verloren geht. Ich sah das auch als eine große Verantwortung, den Menschen entgegenzukommen, sie zu stützen, sie spüren zu lassen, dass sie nicht allein sind in dieser Isolation der Corona-Verordnungen. Dass es einen Ort gibt, wo sie ihre brennende Not, ihre aktuelle Not, einfach mal los lassen können.“

„spüren lassen, dass sie nicht allein sind in dieser Isolation der Corona-Verordnungen“

Radio Vatikan: Inwieweit können Sie inhaltlich etwas sagen – gab es da Schwerpunkte, ging es zum Beispiel um die Corona-Situation, dass man gar nicht mehr in Kirchen konnte zum Beispiel, ist das auch zum Ausdruck gekommen? Was für Sorgen und Ängste haben die Leute zu Ihnen getragen und war das anders, als vor Corona?

Demmel: „Ich kann nur zusammenfassend sagen: Das Gros der Anliegen dieser Menschen waren ganz aktuelle familiäre Probleme und schwere Erkrankung bis zu Todesfällen in der Familie und sie wussten nicht mehr, was kann ich da tun. Ich kann nicht zur Beerdigung gehen, ich kann ihn nicht im Krankenhaus besuchen, nicht im Altenheim besuchen. Ich bin in der Isolation, habe nicht mehr die Kraft, mich um meine eigene Familie zu kümmern, und diese ganzen Spannungen auszuhalten, die Corona-bedingt, aber auch allgemein aufgetaucht sind.

Radio Vatikan: Die meisten Zuschriften kamen wahrscheinlich ja aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wenn man hier in Rom war, in Italien, wo die Situation ja noch mal viel dramatischer war, hätte man vielleicht gar nicht so damit gerechnet, dass auch in Deutschland Beerdigungen teilweise gar nicht mehr möglich waren. Hat sie das überrascht, zu hören, wie die Lage in Deutschland ist?

„Viele Menschen haben einfach nicht damit umgehen können, dass sie nicht mehr schnell in die Kirche gehen konnten, um ein Gebet zu sprechen, eine Kerze anzuzünden“

Demmel: Der Großteil kam tatsächlich aus Deutschland und Österreich, aus der Schweiz war eigentlich ganz selten was dabei. Es war für mich aber auch gar nicht relevant, das zu vergleichen. Ich habe nur gemerkt, und auch gelesen natürlich: verschlossene Türen, vielfach der Vorwurf, die Kirche ist in die Versenkung gegangen, ist nicht mehr greifbar. Viele Pfarrer waren auch nicht mehr erreichbar. Viele Menschen haben einfach nicht damit umgehen können, dass sie nicht mehr schnell in die Kirche gehen konnten, um ein Gebet zu sprechen, eine Kerze anzuzünden.

Radio Vatikan: Diese harte Phase, in der Kirchen geschlossen waren, in der Gottesdienstfeiern nicht mehr möglich waren - das war überwiegend im März und im April - das ist jetzt ja auch schon ein halbes Jahr her, jetzt haben wir September. Sie halten das Angebot trotzdem aufrecht und bieten weiter an, die Gebetsanliegen unsere Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser aufzunehmen. Wie ist die Resonanz jetzt und wie lange wollen Sie das noch weitermachen?

Wie lange gibt's die Gebetsanliegen noch?

Demmel: Wenn ich ehrlich bin, ich hatte erst gedacht, wenn die Corona-Zeit rum ist – also die strenge Zeit - und auch wieder Gottesdienstangebote da sind, Kirchen wieder öffnen, dann hat sich das erübrigt. Ich habe es nie als Bürde empfunden, aber ich habe immer wieder gemerkt, dass mich manches Anliegen und manche Not, die mir da mit großem Vertrauensvorschuss zugekommen ist, schon manchmal ganz schön aufhorchen hat lassen und betroffen gemacht hat. Da sein zu können und diesen Dienst erfüllen zu können, das war für mich ganz wichtig.

Es war auch gut, dass ich mich abgestimmt habe mit Radio Vatikan, das Angebot noch eine Zeit lang aufrechtzuerhalten. Es kommen immer wieder Anfragen und es werden auch Nöte losgelassen, sage ich einmal. Es hat aber doch stark abgenommen. Ich dachte mir, vielleicht noch einen Monat, zwei, einmal zu schauen. Dann denke ich, kann man dieses Angebot beenden, die Not ist abgewendet.“

Wie ist die Lage in Rom?

Radio Vatikan: Hier in Rom, wie hat sich die Lage da geändert - am Anfang war ja auch das Pilgerbüro geschlossen - jetzt ist es wieder offen, aber generell hat Tourismus natürlich in Italien und  auch in Rom stark nachgelassen - wie ist es hier bei Ihnen im Pilgerzentrum?

Demmel: „Die persönliche Begegnung mit Pilgern hat natürlich stark abgenommen. Ein kleiner Vergleich: Januar-Februar war es ja noch relativ normal - in dieser Zeit hatten wir doch fast 1000 Besucher, in den zwei Monaten. Von 18. Mai bis jetzt haben wir vielleicht fünfzig. Da wird deutlich, wie sich das verändert hat. Ein Großteil der Kontaktaufnahme erfolgt über E-mails: Anfragen, Erkundigungen, Vergewisserungen: Kann man reisen? Darf man Reisen? Ist schon was offen, kann man was anschauen, muss man Angst haben?“

Radio Vatikan: Was können Sie den Leuten da sagen?

„Nicht verrückt machen lassen und nicht unnötig Angst schüren - aber trotzdem gewissenhaft mit der Situation umgehen“

Demmel: „Sich nicht verrückt machen lassen und nicht unnötig Angst schüren - aber trotzdem gewissenhaft mit der Situation umgehen: Im Eigenschutz und im Schutz des Anderen, ganz klar. Ich betone immer wieder: Die ganz normalen Hygieneregeln, die jeder von uns beachten sollte: Händewaschen, Händewaschen, Händewaschen. Ein bisschen Abstand halten und wo es geboten ist, ohne Probleme die Maske auflegen – es bricht uns keinen Zacken aus der Krone. Wir haben ja Hoffnung, dass es besser wird. 

Generalaudienz mit Papst Franziskus auf dem Damasushof im Vatikan
Generalaudienz mit Papst Franziskus auf dem Damasushof im Vatikan

Ich muss sagen, ich habe in dieser ganzen Zeit in Rom die Menschen sehr diszipliniert erlebt und habe auch selbst nie Angst gespürt. Ich fahre jeden Tag mit dem Bus, da spüre ich seit einiger Zeit ein bisschen Unbehagen, weil die Distanz nicht gewahrt werden kann, da die Busse schon fast wieder so voll sind, wie vor Corona. Aber das ist ein anderes Thema. Man kann reisen und es ist auch angesagt im Moment - auch weil Corona uns jetzt diese Chance gibt, Rom in einer gewissen Gelassenheit und Ruhe zu erleben - ganz anders als vorher. So, dass ich nur sagen kann: Fahrt nach Rom und nutzt die Gelegenheit. So ruhig werden wir Rom nie wieder erleben.“

Wie ist's bei den Generalaudienzen?

Radio Vatikan: Papst Franziskus ist dazu übergegangen, wieder Generalaudienzen mit öffentlicher Beteiligung zu halten – was können Sie dazu sagen?

Demmel: „Da kamen zunächst zögerliche Anfragen, ist das wirklich wahr? Toll, aber: darf man das, kann man das, ist das wirklich ohne Risiken für uns? Ich bin bewusst vergangenen Mittwoch selbst in der Audienz gewesen, um zu schauen, wie dieser Versuch der persönlichen Anteilnahme und Beteiligung an der Generalaudienz organisiert und gewährleistet ist. Ich muss sagen, es lief sehr, sehr unkompliziert: Wir sind um 7.30 Uhr eingelassen worden, um 7,45 Uhr saßen wir auf unseren Plätzen. Der Platz hat sich gut gefüllt, aber es ist alles auf Distanz gewesen. Es war eine große Gelassenheit unter den Pilgern da und eine große Freude, diese Chance war zu nehmen. Ich muss auch sagen, ich habe dem Heiligen Vater direkt angesehen, wie sehr er das vermisst hat in der vergangenen Zeit und wie sehr er jetzt wieder auflebt in der persönlichen Begegnung mit Pilgern.“

„Ich habe dem Heiligen Vater direkt angesehen, wie sehr er das vermisst hat“

Die Fragen stellte Stefanie Stahlhofen.

Das Pilgerzentrum ist wieder geöffnet, aber Pfarrer Demmel nimmt auch weiterhin während der Corona-Pandemie ganz persönliche Gebetsanliegen in seine Gebete und Messfeiern auf. Ihre Anliegen können Sie uns gerne unter feedback@radiovatikan.de mitteilen.

(vatican news - sst)

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21. September 2020, 09:30