Das Bundesverfassungsgericht bei der Verkündung des Urteils zur Sterbehilfe am 26. Februar Das Bundesverfassungsgericht bei der Verkündung des Urteils zur Sterbehilfe am 26. Februar 

D: Streit um Rolle von Ärzten beim Sterben

In die Debatte um die Rolle von Ärztinnen und Ärzten am Lebensende kommt Bewegung. Die Bundesärztekammer denkt an ein Tolerieren ärztlicher Beihilfe zu Selbsttötungen und an eine Änderung des Berufsrechts.

„Wir können nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keine Norm aufrechterhalten, die dem Arzt jede Form von Unterstützung untersagt. Die Berufsordnung kann so nicht bleiben“, sagte Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt dem „Spiegel“. Ende Februar hatte das Bundesverfassungsgericht das vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben.

Die Richter betonten, es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Darin sei die Freiheit eingeschlossen, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.

„Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“: Wird der Satz gestrichen?

Zuletzt hatte daraufhin Hannovers evangelischer Landesbischof Ralf Meister mit einem Vorstoß für Aufsehen gesorgt, in dem er sich für ein Recht auf Selbsttötung aussprach. Auch eine entsprechende Beihilfe in kirchlichen Heimen halte er für zulässig. 

Wie der „Spiegel“ jetzt weiter berichtet, soll im Mai 2021 der nächste Ärztetag über eine Änderung der Berufsordnung abstimmen. Nach Darstellung des Magazins hat der Vorstand der Ärztekammer das Thema im Juni beraten und empfiehlt eine Änderung der Berufsordnung. In dieser heißt es derzeit: „Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“ Denkbar sei eine Streichung des Satzes.

„Große Gefahr, dass der assistierte Suizid zu einer normalen Option am Ende des Lebens wird“

Reinhardt sagte, er halte die Sterbehilfe zwar nicht für eine ärztliche Aufgabe. „Aber es kann Einzelfälle geben, das ist zumindest meine persönliche Meinung, in denen es für einen Arzt gerechtfertigt erscheinen kann, einem Patienten beizustehen. Dann sollte es ihm möglich sein, Hilfe zu leisten.“ Abgeordnete des Bundestags wollen dem Bericht zufolge in der kommenden Woche fraktionsübergreifend nach Lösungen suchen. 

Die katholische Kirche zeigt sich weiterhin besorgt über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und über neue Initiativen zu einer Aufweichung des Ist-Zustands. In der Praxis bestehe „die große Gefahr, dass der assistierte Suizid zu einer normalen Option am Ende des Lebens wird“, erklärte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz Anfang September. An erster Stelle müsse das Bemühen stehen, Menschen am Lebensende Fürsorge, Begleitung und Linderung anzubieten. Entscheidend sei ein weiterer Ausbau von Hospizarbeit und Schmerzbehandlung.

(kna – sk)
 

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26. September 2020, 12:52