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P. Norbert Hofmann SDB P. Norbert Hofmann SDB 

Unser Sonntag: Das Brot des Lebens

Für uns Christen ist die erste und privilegierte Nahrung Christus selbst, so Pater Norbert Hofmann in seinem Kommentar zum Evangelium dieses Sonntags. Und: Die Nachfolge Christi besteht darin, auf Christus zu schauen und so zu leben, wie er es uns vorgemacht hat.

P. Dr. Norbert Johannes Hofmann

Mt 14, 13-21

Vom Philosophen und Religionskritiker Ludwig Feuerbach, der im 19. Jahrhundert gewirkt hatte, ist ein berühmter Ausspruch überliefert, der da lautet: „Der Mensch ist, was er isst“. Feuerbach ging es dabei weniger um ernährungstechnische Hinweise als um seine Meinung, dass der Mensch in erster Linie zur materiellen Welt gehört und seine geistige Sphäre grundsätzlich von dieser abhängt.

Unser Sonntag - zum Nachhören:

Wie auch immer, Essen und Trinken sind für den Menschen lebensnotwendig, zuerst ist er Leib, der versorgt werden will. Ein deutsches Sprichwort bringt das deutlich zum Ausdruck: „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“.
Um Leib und Seele des Menschen ging es auch Jesus, wenn wir ihn im heutigen Evangelium betrachten. Obwohl er allein sein wollte und deshalb in eine einsame Gegend gefahren war, folgten ihm die Leute, weil sie von ihm und seinen Wunderkräften gehört hatten.

Jesus erbarmt sich er Not der Menschen

Sie erwarten wieder ein Wunder von ihm, er enttäuscht sie nicht, vermehrt die Brote und die Fische, so dass alle Leute satt werden. Jesus erbarmt sich der Not der Menschen, gibt seine eigentliche Absicht auf, allein sein zu wollen und heilt die Kranken. Von solchen Wunderheilungen hört man des Öfteren in den Evangelien: Jesus hat ein Herz für die Armen, Kranken, Aussätzigen, Besessenen, Ausgestoßenen und die, die am Rand der Gesellschaft stehen. Ihm geht es nicht um Zusammenarbeit mit der Führungsschicht, er hält sich meistens fern von den Reichen, Mächtigen und Einflussreichen, von den Römern, die die Herrschaft im Land ausüben. Mit den Wundern und den Heilungen der Bedürftigen bekräftigt Jesus seine eigentliche Vollmacht, die ihm nicht von den Menschen, sondern von Gott, seinem Vater, gegeben ist. So erweist er sich als der Bevollmächtige von Gott her, als sein Gesandter, um zu verkünden, dass mit ihm selbst die Gottesherrschaft angebrochen ist. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) – das ist die zentrale Kernbotschaft Jesu.“

Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) – das ist die zentrale Kernbotschaft Jesu. Die Nähe des Reiches Gottes drückt sich auch dadurch aus, dass Jesus Menschen von ihren Krankheiten befreit. Gott will, dass die Menschen heil werden, er nimmt sich ihrer Gebrochenheit an, um sie aus ihrer Not zu befreien. Das Heil-Machen verweist dabei auf das noch ausstehende Reich Gottes, das am Horizont aufleuchtet. In ihm kehren die Ursprünge am Anfang der Schöpfung zurück, die von einvernehmlichem Frieden, Harmonie und unmittelbarer Gotteserkenntnis geprägt waren. Die Situation am Ende der Tage spiegelt die paradiesischen Zustände am Anfang wieder. Jesus möchte also durch seine Heilungen einen Ausblick auf den endgültigen Durchbruch des Reiches Gottes am Ende der Tage geben.

Wüste wird zum Ort der Gottesbegegnung

Die Menschen folgen Jesus in eine einsame Gegend, um bei ihm zu sein und von ihm her Heilung zu erfahren. In der Bibel werden einsame Orte oder auch generell die Wüste zu Orten der Gottesbegegnung, weil dort die Zweisamkeit zwischen Gott und dem Menschen erfahren werden kann, und zwar ungestört vom Trubel des üblichen Alltags. Der Nachteil abgelegener Orte ist aber, dass dort die Versorgung nicht immer gewährleistet ist. Das thematisieren die Jünger und argumentieren rein pragmatisch: Sie machen den Vorschlag, Jesus solle die Leute fortschicken, damit sie sich in den umliegenden Dörfern selbst versorgen können. Das ist aber nicht die Haltung Jesu: Leute fortzuschicken und sie ihrem eigenen Schicksal zu überlassen. Es geht ihm immer um den ganzen Menschen, er kümmert sich als der gute Hirt um die Seinen, verschafft ihnen Nahrung, beschützt und führt sie. Die Anweisung Jesu an die Jünger „gebt ihr ihnen zu essen“ (Mt 14,16) muss sie ziemlich unvorbereitet getroffen und verwundert haben. Wie soll das möglich sein, eine derartig große Menschenmenge satt zu machen, wenn man in der ganzen Gruppe nur fünf Brote und zwei Fische finden kann?

Der Fisch steht für die christologischen Hoheitstitel

Die Jünger rechnen nicht mit Jesus, sie betrachten die Dinge in ihrem beschränkten menschlichen Horizont und vertrauen letztlich zu wenig auf ihn. Und dennoch tun sie, was er ihnen sagt: sie bringen die Brote und die Fische. Und dann werden sie zu Zeugen einer wunderbaren Brotvermehrung, bei der jeder satt wird.
Jesus also kümmert sich darum, dass die Menschenmenge versorgt wird, ihr Nahrung zuteil wird, sogar Nahrung im Überfluss, denn, wie es heißt, bleiben von den übriggebliebenen Brotstücken zwölf Körbe voll übrig. Brot und Fisch können im diesem Zusammenhang auch symbolisch gedeutet werden, denn bis heute ist der Fisch ein Symbol für Jesus Christus selbst in seinen Heilsfunktionen für uns Menschen. Betrachtet man jeden einzelnen Buchstaben des griechischen Wortes für „Fisch“, dann stehen diese für die folgenden christologischen Hoheitstitel: „Jesus, Christus, Gott, Sohn, Retter“. Das griechische Wort für „Fisch“ ist also ein Bekenntnis zu Jesus, dem Christus, mit dem der Titel „Messias Israels“ gemeint ist, zu seinem göttlichen Ursprung, und dazu, dass er der Sohn Gottes und Retter der Welt ist. Wenn also Jesus Fisch zur Nahrung gibt, gibt er sich letztendlich selber zur Nahrung für die Menschen, die ihn nicht nur als menschlichen Wunderbringer sehen, sondern in ihm das Heil finden können, weil er eben der Sohn Gottes, der Heiland und Retter ist.

Hinter dem Brot als Nahrung steckt eine ganze Theologie

Gleichermaßen steckt hinter dem Brot als Nahrung eine ganze Theologie, die schon im Alten Testament ihren Anfang genommen hat. Als die Israeliten aus dem „Sklavenhaus Ägypten“ nach der Auseinandersetzung mit dem Pharao ausziehen und sich unter der Führung des Mose in das gelobte Land aufmachen, murren sie an einem gewissen Punkt, weil ihnen keine, nur unzureichende oder nicht die richtige Nahrung zur Verfügung steht. Gott nimmt sich auch hier seines Volkes an und schenkt ihm auf seinem Weg das Manna, das Brot, das vom Himmel kommt. Es ist jeden Tag am Morgen jeweils so viel vorzufinden, wie das Volk auf seiner Wanderung braucht. Dieses Manna weist voraus auf das „Brot des Lebens“, das ebenfalls vom Himmel kommt und als das sich Jesus selbst im Johannesevangelium vorstellt.

„Jesus selbst möchte als das wahre „Brot vom Himmel“ ihren Hunger stillen“

Dort sagt er: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben“ (Joh 6,35). Wenn also Jesus die Menschenmenge der fünftausend Männer, dazu ihre Frauen und Kinder mit Brot speist, dann verweist das darauf, dass er selbst als das wahre „Brot vom Himmel“ ihren Hunger stillen möchte. Die ganze Szenerie im heutigen Evangelium erinnert sowieso an den Kontext der Eucharistie, wenn Jesus die Brote in die Hand nimmt, dann zum Himmel blickt, den Lobpreis spricht, das Brot bricht und es dann den Jüngern reicht. „Brotbrechen“ wurde zur Zeit der Urkirche die Eucharistie genannt. Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte heißt es beispielsweise, wenn von den ersten Christen die Rede ist: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 1,42). Und das Charakteristikum der Eucharistie ist der Lobpreis, der über die Gaben gesprochen wird, durch ihn werden sie erst in den Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus verwandelt.

Nur das Brot des Lebens stillt die eigentliche Sehnsucht

Symbolisch gesprochen gibt sich der Herr Jesus Christus in den vermehrten Gaben von Brot und Fisch eigentlich selbst den Seinen zur Speise, er ernährt sie dadurch, dass er selbst leibhaftig bei ihnen ist, zu ihrer Nahrung wird, die ihnen Kraft, Stärke und Energie für ihren Alltag schenken kann. Er ist auch für uns das wahre Brot, das vom Himmel kommt, und uns selbst mit dem Himmel verbindet, auch wenn wir noch auf Erden unser Dasein fristen müssen. Natürlich leben wir von der Nahrung der Erde und nähren so unseren vergänglichen Leib, aber nur das „Brot des Lebens“ vermag unsere eigentliche Sehnsucht zu stillen, nämlich die, dass unser irdisches Leben bei Gott aufgehoben ist und sich hinein in das verheißene ewige Leben verlängert. Brot ist Leben, Christus ist Leben, Leben in Fülle über den Horizont des irdischen Lebens hinaus.

...wir werden zu einem „alter Christus“

Den eingangs erwähnten Ausspruch von Ludwig Feuerbach „Der Mensch ist, was er isst“, den kann man auch auf die Eucharistie übertragen, obwohl er wahrscheinlich nie daran gedacht hätte, das zu tun. Als Christen ist unsere erste und privilegierte Nahrung Christus selbst als das „Brot des Lebens“, und wenn er sich uns auf diese Weise schenkt, dann werden wir selbst zu einem „alter Christus“, zu einem „anderen Christus“. Vor allem die mittelalterliche Spiritualität sprach immer wieder von der „imitatio Christi“, von der Nachfolge Christi, die darin besteht, auf Christus zu schauen und so zu leben, wie er es uns vorgemacht hat. Letztlich geht es in jeder christlichen Spiritualität darum, dass wir immer mehr von uns selbst absehen können, damit Christus in uns Raum gewinnen kann. Durch die Taufe werden wir als Christen ganz und gar in den Leib Christi eingegliedert, gehören untrennbar zu ihm, das Lebensschicksal Christi wird zu unserem eigenen. Insofern sind wir gehalten zu leben wie Christus selbst, auf ihn zu schauen, ihn in die Mitte unseres Lebens zu stellen. Er selbst wird unser Leben begleiten, es nähren durch sich selbst und uns die Kraft geben, die notwendig ist, damit wir unser Leben meistern können. Christen heißen wir, weil wir zu Christus gehören, und wir dürfen darauf vertrauen, dass er uns begleitet und führt, sofern wir uns von ihm ernähren. „Brot des Lebens“ ist uns Christus, ein Leben in Fülle, ein Leben im Übermaß.

 

(radio vatikan - claudia kaminski)

 

 

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01. August 2020, 06:57