Beten zuhause Beten zuhause 

D: „Es geht nicht darum, Getaufte gegen Amtsträger aufzuwiegen“

Eine „echte Renaissance“ erlebt in dieser Pandemie-Zeit die sogenannte Hauskirche. Das sagt der Rottenburger Weihbischof Matthäus Karrer im Gespräch mit Radio Vatikan. Er ist in seinem Bistum Leiter der Hauptabteilung Pastorale Konzeption. Im Gespräch mit uns erläutert er, was er von dem Vorschlag des maltesischen Bischofs Mario Grech, Pro-Generalsekretär der vatikanischen Bischofssynode, hält, der für die Zeit nach der Corona-Krise seelsorgliche Reformen fordert.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Gerade über die Ostertage hätten viele Familien, die aufgrund der Kontaktbeschränkungen zuhause bleiben mussten, Gottesdienste im familiären Umfeld gefeiert, stellt Karrer fest. Bischof Grech hat letzte Woche vorgeschlagen, die Bedeutung von „Hauskirchen“ wieder neu zu entdecken. Was sie leisten könnten, sei während der Ausgangssperren deutlich geworden. „Und dabei zeigt sich für mich, dass die getauften und gefirmten Gemeindemitglieder oft mehr von unserem christlichen Glauben verstanden haben, als wir, die Amtsträger, oder pastorale Dienste ihnen manchmal zutrauen“, sagt dazu Weihbischof Karrer.

Zum Nachhören

Als Beispiel nennt Karrer die Feier am Gründonnerstag. Da hätten vielerorts die Kinder ihren Eltern die Füße gewaschen und anschließend eine Ölberg-Andacht gehalten. „Oder am Freitag haben viele gemeinsam den Kreuzweg gebetet, und in der Osternacht – so wurde mir von vielen Familien berichtet – wurde im Garten ein Feuer entzündet, die Lesungen der Liturgie vorgetragen, das Taufversprechen gegenseitig erneuert und dann eine gemeinsame Agape-Feier gehalten“, so Karrer

Osterfeuer statt Disco

Er habe auch von Eltern gehört, die ihre pubertierenden Kinder zuhause hatten. Diese hätten in der Vergangenheit die Osternacht eher bei Partys oder in der Disco verbracht. Stattdessen hätten sie in diesem Jahr die Osterfeier intensiv mit ihren Eltern und Geschwistern gefeiert, berichtet der Weihbischof.

Er habe festgestellt, dass es diese Erfahrungen nicht nur in seiner Diözese in Süddeutschland gab. Bei einer Schaltkonferenz der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz seien ähnliche Berichte angesprochen worden.

Seelsorgliche Deutungshoheit in Gefahr?

„Und viele der dortigen Teilnehmer sahen diese Entwicklungen als sehr positiv an, so auch ich. Aber es gab auch nicht wenige, die bemerkt haben, dass vor allem Pfarrer und pastorale Dienste sich manchmal mit diesen Rückmeldungen sehr schwer tun. Gerade diesen Diensten wurde klar, dass mit einer Förderung der hauskirchlichen Pastoral ihre seelsorgerliche Macht- und Deutungshoheit in Gefahr gerät.“

Verbunden sei damit auch die Frage nach den eigenen pastoralen Zielen, fügt Karrer an. „Gerade in dieser Schalte der Bischofskonferenz wurde klar: Die Hauskirche fördert das Erwachsenwerden der Getauften und ein Stück weit auch ihre Unabhängigkeit von Amtsträgern und pastoralen Diensten.“

„Es geht darum, die Hauskirche als Fundament des kirchlichen Lebens zu erneuern, wie es bereits Papst Johannes Paul II. gefordert hat.“

Das sei aber genau das Ziel der Seelsorge: die Gläubigen zu mündigen, selbstdenkenden Christen werden zu lassen.

„Dabei ist es mir wichtig, nicht missverstanden zu werden. Es geht nicht darum, die Hauskirche gegen Kirchengemeinden auszuspielen. Es geht nicht darum, Getaufte gegen Amtsträger aufzuwiegen, im Gegenteil: Es geht darum, die Hauskirche als Fundament des kirchlichen Lebens zu erneuern, wie es bereits Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben  ,Familiaris consortio´ gefordert hat, und die Kirche als Gemeinschaft vieler Hauskirchen zu verstehen.“

Hauskirchen-App für 2021 geplant

In seiner Diözese Rottenburg-Stuttgart werde für das kommende Jahr eine Hauskirchen-App entwickelt. Sie soll regelmäßige Impulse für das Glaubensleben zuhause anbieten.

„Ein weiteres hat uns die Corona-Krise gezeigt: Familie als Hauskirche kann eine Aufgabe übernehmen, die oft in den pastoralen Diensten ausgelagert wurde. Ich denke zum Beispiel an die Vorbereitung auf die Erstkommunion. Tausende von Erstkommunionkinder mussten in diesem Jahr kurz vor dem Ziel ein Verschieben des großen Tags erleben. Es gab nicht wenige Tränen und Unverständnis sowie das Gefühl von Hilflosigkeit.“

Es sei ihm aufgefallen, dass jene Gemeinden, in denen bereits seit Jahren die Gestaltung der Erstkommunion in den Familien gefördert werde, weniger mit solchen Problemen zu tun hatten.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

09. Juni 2020, 10:18