Sonntag, 3. Mai: Das Evangelium vom Guten Hirten Sonntag, 3. Mai: Das Evangelium vom Guten Hirten  

Unser Sonntag: Priesteramt ist immer unverdiente Berufung

In seiner Betrachtung des Evangeliums vom guten Hirten macht Kaplan Widmer deutlich, dass Christus, die Türe, am Anfang steht. Der Hirte in der Kirche sei nur Hirte, wenn er durch die Türe gehe und nur dadurch werde er zum Hirten. Und die Berufung durch Christus steht am Anfang des Hirt-Seins...

Kaplan Thomas Widmer, Schweizer Garde

4. Sonntag der Osterzeit A, Christus die Türe

Johannes 10, 1-19


Heute, am Sonntag des Guten Hirten, beginnt das Evangelium mit folgendem Satz:
„Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe“ (Joh 10,1,2).  

Unser Sonntag - zum Nachhören:

Jesus spricht hier eine bildhafte Sprache, welche dem modernen Menschen vielleicht nicht viel sagt. Es ist die Rede von einem Schafstall, von Schafen, einem Hirten und von der Türe, durch welche der Hirte gehen muss, um in den Schafstall zu gelangen. In derselben Bildsprache wird schon im Alten Testament gesprochen, wo Mose etwa beim Propheten Jesaja als ‚Hirte der Herde Gottes‘ beschrieben wird (vgl.Jes 63,11). Aber auch Gott selbst wird im Psalm 80 oder auch im Psalm 23 der ‚Hirte‘ genannt, der sein Volk Israel sammelt und führt.

Was bedeutet die Tür zum Schafstall?

Es geht also um eine, übrigens auch bei den Römern, bekannte Bezeichnung, wenn vom Hirten und den Schafen die Rede ist. Es geht hier in unserem Kontext um die Beziehung Gottes zu seinem Volk. Es geht für uns heute um Christus und seine Kirche, die allumfassende Gemeinschaft der Gläubigen. Ich möchte gerne etwas über die Bedeutung der Türe zum Schafstall nachdenken. Was bedeutet diese Türe? Jesus erklärt im Evangelium, was es mit dieser Türe auf sich hat. Er sagt: „Ich bin die Tür“ (Joh 10,9). Wer durch mich, die Türe, in den Schafstall geht, ist der Hirt der Schafe. Und wer durch mich, die Türe geht, „wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden“(Joh 10,9).

Aus diesen Worten Jesu ergeben sich für mich drei Überlegungen: 1) Der Hirt muss durch die Tür, durch Christus, zu den Schafen kommen. Der Apostel, der von Christus Bevollmächtigte, der Priester, der Hirte der Gemeinde, muss durch Christus zu den Menschen gehen. Was bedeutet das? Zunächst ist einmal zu sagen, dass Christus selbst der Hirte ist und dass jedes Hirt-sein von seinem Hirt-Sein kommt. Der Hirte muss also den guten Hirten, Jesus Christus, widerspiegeln. Der heilige Augustinus sagt: „Durch die Tür tritt ein, wer durch Christus eintritt, wer die Passion Christi nachahmt, wer die Demut Christi erkennt. Dadurch dass Gott für uns Mensch geworden ist, erkennt er, dass er selber nicht Gott ist, sondern ein Mensch. Wer nämlich als Mensch so tut als sei er Gott, der ahmt nicht den nach, der Mensch geworden ist, obwohl er Gott war. Und es wird dir ja nicht gesagt: Sei etwas Geringeres als das, was du bist!, sondern: Erkenne das an, was du bist!" (Augustinus, De Verb. Dom.)

„Als Hirt durch die Türe, die Christus ist, zu den Menschen zu kommen, bedeutet danach, gütig und demütig, wie er, zu den Menschen zu kommen.“

Als Hirt durch die Türe, die Christus ist, zu den Menschen zu kommen, bedeutet danach, gütig und demütig, wie er, zu den Menschen zu kommen. Er kam nicht stolz, wie die Herrscher der damaligen Zeit. Nein, er gab alles hin aus Liebe, am Kreuz. Dadurch ist Christus Hirte. Es gilt also für den Hirten, in seinem Leben, Christus durchscheinen zu lassen, Christus zu zeigen, in seiner Haltung und von ihm erfüllt, demütig zu den Menschen zu kommen. So schreibt Papst Klemens von Rom in einem Brief an die Korinther: „Mag einer gläubig sein, mag einer tüchtig sein, Weisheit zu reden, mag einer verstehen, die Reden zu unterscheiden, mag einer heilig sein in seinen Werken, er muss eben umso demütiger sein, je mehr er sich erhaben dünkt, und er muss das suchen, was allen gemeinsam, nicht ihm allein nützlich ist“ (48, 2–6). 

Hirt-Sein ist eine Berufung - kein Recht

2) Durch Christus, der die Türe ist, zu den Menschen zu kommen, bedeutet auch, dass er es ist, der beruft. Der Hirte ist nur Hirte, wenn er durch die Türe geht. Dadurch wird er zum Hirten. Christus, die Türe, steht am Anfang, sowie die Berufung am Anfang des Hirt-Seins steht. Er, Christus beruft den Hirten. Damals rief Jesus die zwölf Apostel. Er gab ihnen einen Auftrag. „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Beim letzten Abendmahl setzt Christus die heilige Eucharistie ein und sagt zu seinen Aposteln: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“(1Kor 11,24). Und als sie ein paar Tage später aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hielten, trat der Auferstandene zu ihnen und sprach: „Friede sei mit euch. Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben. Wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert (Joh 20,23)“. Christus setzt hier das Sakrament der Versöhnung ein. Er beruft die Zwölf und gibt ihnen die Vollmacht.

„Durch die Türe, die Christus ist, finden die Schafe zur Herde, aber auch zur Weide“

Ja, Apostel sein, Bischof sein, Priester sein ist eine Berufung. Christus beruft. Bei der Priesterweihe legt sich der Priester auf den Boden. Mit dieser Geste übergibt er sich ganz und gar Gott. Er bezeugt sein Kleinsein vor der Allmacht Gottes. Nur in diesem Nichts-Sein und im Alles-von-Gott-Erwarten kann Gott ihm die Vollmacht übertragen, durch welche er den Menschen dienen soll. Wenn der Hirte durch die Türe zu den Menschen kommt, wenn Christus beruft, dann ist niemand befugt zu sagen, ich habe ein Recht darauf, Priester zu werden. Die Rationalitäten der Welt gelten hier nicht - Gott allein beruft, wen Er will. Niemand hat ein Recht darauf. Sich aber auf Recht zu berufen, würde für mich nach Macht klingen. Wenn es aber um Macht geht, dann geht es nicht um die Tür, die Christus ist. Der angebliche Hirte käme dann nicht durch die Türe zur Herde. Priesteramt ist aus christlicher Überzeugung immer unverdiente Berufung durch Christus.

3) Und schließlich ein dritter Gedanke: Durch die Türe, die Christus ist, finden die Schafe zur Herde, aber auch zur Weide. Er, Christus ergreift immer die erste Initiative. Er geht voraus, sucht, heilt, verbindet die Wunden, führt in den Schafstall und führt schließlich auf die gute Weide und gibt Nahrung. Diese Nahrung kann er geben kraft seines Hirt-Seins. Ja, kraft seines Todes und seiner Auferstehung ist uns die Nahrung der Sakramente gegeben. Aber kraft seines Todes und seiner Auferstehung gelangen wir auch zur guten Weide der ewigen Heimat.

Und was ist das anderes als volles, erfülltes Leben? Hören wir nochmals Klemens von Rom: „Denn das ist eine Pforte der Gerechtigkeit, die geöffnet ist zum Leben, gemäß dem Schriftwort: öffnet mir Tore der Gerechtigkeit; ich will eintreten durch sie und lobsingen dem Herrn. Das ist das Tor des Herrn: Gerechte sollen durch dasselbe einziehen‘. Obgleich Tore offenstehen, so ist das Tor der Gerechtigkeit das Tor Christi; selig sind alle, die durch dieses eingehen und die geraden Weges wandeln, in Heiligkeit und Gerechtigkeit‘, indem sie unbeirrt alles vollbringen" (an die Korinther 48,2f).

Ja, durch diese Türe, die Christus ist, werden wir gerecht gemacht und finden wir den Eingang ins wirklich gute Leben in Fülle.

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, treten wir durch die Türe, die Christus ist, ein ins Leben mit Gott und den Menschen. Sie steht uns offen.

(radio vatikan - claudia kaminski)
 

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02. Mai 2020, 11:00