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Das Wort der Bischöfe wurde am 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau vorgestellt Das Wort der Bischöfe wurde am 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau vorgestellt 

D: Bischöfe bekennen Mitschuld ihrer Vorgänger im II. Weltkrieg

Die deutschen katholischen Bischöfe haben 75 Jahre nach Kriegsende eine historische Mitschuld ihrer Amtsvorgänger im Zweiten Weltkrieg eingeräumt. „Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ,Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg“, heißt es in einem nun präsentierten Dokument.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Das Wort „Deutsche Bischöfe im Weltkrieg“ wurde am Mittwoch in einer Video-Pressekonferenz vorgestellt. Viele Aspekte des Themenfelds „Kirche im Nationalsozialismus“ seien heutzutage gut ausgeleuchtet, zu wenig wisse man aber bis heute über die Haltung der katholischen Bischöfe zum Krieg, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz Georg Bätzing: „Diesbezüglich gibt es – so sagen viele – eine ,Erinnerungslücke´, wohl auch eine ,Bekenntnislücke´“. Deren Aufarbeitung falle nicht leicht, „denn wir wissen, dass uns die Rolle des Richters über unsere Vorgänger nicht gut zu Gesicht steht“, so Bätzing. „Keine Generation ist frei von zeitbedingten Urteilen und Vorurteilen. Dennoch müssen sich die Nachgeborenen der Geschichte stellen, um aus ihr zu lernen für Gegenwart und Zukunft.“

Hier zum Nachhören

Der Blickwinkel vieler damaliger deutscher Bischöfe habe sich im Lauf des Kriegs verändert, hielt der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer fest, der das Dokument als Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax federführend betreute. Allerdings hätten die Bischöfe beim Bewerten der Vorgänge auf das Leiden ausschließlich des eigenen Volkes gesehen: „Die Leiden der Anderen kamen nur ungenügend in den Blick.“ Insgesamt ergebe sich „ein Bild der Verstrickung“. Namentlich hätten die Bischöfe deutsche Soldaten in berechtigten Gewissenskonflikten nicht unterstützt. Wilmer sprach von einem „ambivalenten und teilweise problematischen Verhalten der Bischöfe“ und zitierte aus dem Dokument:

„Letztlich fanden die Bischöfe keinen Ausweg aus der Spannung, die sich aus der geteilten Vorstellung patriotischer Verpflichtung im Krieg, der Legitimität staatlicher Obrigkeit, den daraus resultierenden Gehorsamspflichten sowie den offenkundigen Verbrechen ergab. Die christlichen Maßstäbe zur Einordnung des Krieges trugen offenkundig nicht mehr. So blieb der Blick für die Fragen der eigenen Soldaten und das Leid der Anderen verstellt."

„Den teuflischen Verstrickungen in die Verbrechen und den daraus erwachsenen Nöten wurde man damit nicht gerecht.“

„Die Äußerungen der Bischöfe, bei allen den jeweiligen Persönlichkeiten geschuldeten Nuancen, scheiterten an der Realität der verbrecherischen Gewalt. Sie blieben auf die (illusorische) Verhaltensänderung der politischen Führung, auf die Einhaltung der rechtlichen Vereinbarungen sowie auf die tugendhafte Pflichterfüllung der Geführten, gewissermaßen also auf ein richtiges Leben im Falschen (Adorno) gerichtet. Den teuflischen Verstrickungen in die Verbrechen und den daraus erwachsenen Nöten wurde man damit nicht gerecht. Mehr noch: Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges ,Nein‘ entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg.“

Sieben Faktoren prägten die Sicht der Bischöfe

Als Faktoren, die das Verhalten und die Einschätzung der Bischöfe zum Krieg beeinflusst haben, nennt das Dokument insgesamt sieben, darunter die traditionellen Lehren zum „Gerechten Krieg“ und zur Legitimität staatlicher Autorität. Eine Rolle spielte aber auch die grundsätzliche Ablehnung des Kommunismus durch die Kirche sowie die institutionelle Schwäche der Bischofskonferenz und ihre innere Blockade, führt das Dokument aus.

Die Haltung der katholischen Bischöfe zur systematischen Ermordung der Juden im Holocaust steht nicht im Mittelpunkt des neuen Papiers. Das heiße freilich nicht, dass diese Frage nicht wichtig wäre, erklärten Bätzing und Wilmer. Das Dokument konzentriere sich aber auf die „eng geführte Frage: wie haben sich die deutschen Bischöfe zum Krieg verhalten, nicht einzelne, sondern als Bischofskonferenz.“

Ab 1940 ein inneres Ringen

In der deutschen Bischofskonferenz habe es ab ab 1940 „sehr wohl eine Debatte über die Ausrichtung, ein inneres Ringen“ gegeben, ergänzte der Historiker Christoph Kösters von der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn. Er verwies auf das gemeinsame Hirtenwort vom August 1943, das Endpunkt einer langen, kontroversen Debatte unter den Bischöfen gewesen sei. Thema des Hirtenwortes waren „Die Zehn Gebote als Lebensgesetz der Völker“. „Das ist wichtig, weil es darum geht, dass die Kirche nicht nur ihre eigenen Interessen bedenkt, sondern die Bischöfe, die ja an der Spitze einer konfessionellen Minderheit standen, sich zur Stimme gemacht haben für die Gesamt-Bevölkerung“, so Kösters. „Sie machten sich stark für die Verteidigung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Das kann man nicht stark genug einschätzen.“

„...damit wir nicht später im Blick der Geschichtsforschung der Fehler bezichtigt werden müssen“

Das Bekenntnis der deutschen Bischöfe für die Mitschuld ihrer Amtsvorgänger im Zweiten Weltkrieg werde Diskussionen anregen, zeigte sich Bischof Bätzing überzeugt. Das Dokument enthalte aber auch einen Auftrag an die deutschen Bischöfe heute und ihr Reden und Handeln in gesellschaftlichen Entwicklungen vor allem Europas, das „in keinem guten Zustand zu sein scheint“, so der Bischof wörtlich. Bätzing verwies an diesem Punkt auf neuen Nationalismus, Antisemitismus und „auftretende Irritationen unter europäischen Ländern, wo wir als deutsche Bischof entschieden aus dem Geist des Evangeliums und in Fragen von Gerechtigkeit und Frieden Position beziehen müssen“.

Die Bischöfe hätten 2020 ihre Lehren zu ziehen aus der „beschämenden Erkenntnis“ über das schwache, zögerliche Auftreten der deutschen Bischöfe in Kriegszeiten. „Wir müssen uns selbst fragen, wo sind die Fragen heute, in denen wir zu Stellungnahmen herausgefordert sind, damit wir nicht später im Blick der Geschichtsforschung der Fehler bezichtigt werden müssen.“

(vatican news)

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29. April 2020, 12:53