Suche

Ludwig Waldmüller Ludwig Waldmüller 

Unser Sonntag: „Ich sag Hellau, alaaf, und ganz katholisch amen“

Pfarrer Ludwig Waldmüller (Memmingen) erläutert für uns , wie spannend die Bergpredigt sein kann und zwar so spannend wie ein Krimi.

Pfarrer Ludwig Waldmüller

Mt 5, 38-48

Liebe Hörerin, lieber Hörer,

Edgar Wallace, Georges Simenon, Andrea Camilleri, Agatha Christie, Jussi Adler Olsen oder Henning Mankell - ich bin einfach ein begeisterter Krimi-Leser. Auf meinem Nachtkästchen liegt eigentlich immer ein Buch, mit dem ich mich so zur Zerstreuung in eine ganz andere Welt hineingeben kann. Und ich bin bei weitem nicht der einzige Krimi-Fan um mich herum. Warum so viele von uns das Böse in den Krimis oder auch die Jagd des Guten nach dem Bösen so fasziniert, wäre mal eine ganz eigene Überlegung wert... Aber das ist ja nur eines, was mir an Krimis so gefällt. Ich kann mich da richtig drin verlieren, das ist so, als ob ich einen Film im Kopf anschauen würde. Ich habe großes Vergnügen daran, mit den Ermittlern mitzufiebern, mit den Kommissaren zusammen der einen oder anderen Spur nachzugehen - und auch hin und wieder einen Gedanken zu haben, auf den die Polizisten oder Detektive im Buch noch lange nicht gekommen sind. Es ist einfach schön zu lesen - und es ist schön, durch die Krimis eine ganz eigene Form der Entspannung zu entdecken. Natürlich bin ich mir schon auch im Klaren, dass das halt Fiktion ist, dass es alles so funktionieren muss, dass gute Unterhaltung herauskommt. Aber mich fasziniert schon auch die Art und Weise der Ermittlung und die vielen Fragen, die in den einzelnen Episoden der Bücher immer wieder gestellt werden. Die Frage nach dem Alibi zum Beispiel: „Wo waren Sie zum Tatzeitpunkt?“ Und ganz besonders natürlich die Frage nach dem Motiv. Warum könnte dies oder jenes so oder so passiert sein? Was wäre die Idee des Handelnden dahinter gewesen? Warum hat er - oder sie natürlich - das so oder so gemacht, und was hätte die Person denn für einen Nutzen davon?

Nun, Sie werden sich etwas wundern, dass ich von Krimis spreche, wenn doch eigentlich die Auslegung des Evangeliums meine Aufgabe ist in diesem Moment. Vielleicht halten Sie mich für etwas zu karnevalesk... Aber ich  habe eine andere Intention: Das Evangelium, und dabei besonders die Bergpredigt, aus der wir an diesem Sonntag wieder ein paar Verse hören, sind spannend wie ein Krimi. Nein, ich bin weit davon entfernt den Evangelisten oder noch weniger Jesus in irgendeiner Weise kriminelle Energie zu unterstellen! Ganz und gar nicht. Mir sind meine Krimis nur eingefallen, als ich das Evangelium las. Denn: Wer den Text mit den Forderungen Jesu liest, könnte doch ganz schnell entmutigt oder gar schon fast zornig das Buch auf die Seite legen. Entmutigt, weil die Forderungen einfach sehr hoch und von vielen wohl auf den ersten Blick gar nicht einzuhalten sind. Zornig, weil sie fast schon weltfremd und nicht realistisch klingen. Für die Feinde beten und sie lieben... wo doch jeder weiß, wie viel Schlimmes in  unserer Welt geschieht. Und außerdem haben wir alle schon oft genug über diese Zeilen diskutiert und selbst gesagt oder gesagt bekommen, dass das alles doch sehr schwierig sei. Und da eben sind mir die Krimis in den Kopf gekommen, denn die Frage nach dem Motiv ist es, die ich dem Evangelium gegenüber auch stellen möchte. Wenn da so schwierige Forderungen gestellt werden, ist‘s doch mehr als legitim, nach dem Motiv Jesu zu fragen.

Und das ist gar nicht überraschend. Natürlich nicht. Es ist das Motiv Jesu schlechthin: Die Liebe. Jetzt könnte ich her natürlich aufhören und es dabei bewenden lassen. Die Liebe ist die Antwort. Punkt. Ende. Aber erstens bin ich damit selbst noch nicht zufrieden - und zweitens drängt es mich tatsächlich, weiter zu fragen. Warum die Liebe? Inwiefern? Oder welche Liebe?

Friedfertige Liebe

Ich glaube, als erstes Motiv Jesu ist eine friedfertige Liebe zu nennen, die über all das hinausgeht, was man sonst so um uns herum sehen kann. Er sagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel.“ Was Jesus hier wörtlich fordert, ist doch wirklich eine Zumutung: Dem, der Dich auf die eine Wange schlägt, auch die andere hinzuhalten? Schon auf dem Schulhof - oder vielleicht sogar früher - lernt man doch, dass man sich zu wehren habe, dass man nicht alles mit sich geschehen lassen dürfe. Und dass man nicht in eine Opferrolle geraten dürfe. Das ist sicherlich alles richtig. Ich glaube auch nicht, dass es Jesus darum geht, Menschen dazu bringen zu wollen, sich alles gefallen zu lassen und nur zuzusehen. Das passt so gar nicht zur Lehre und zum Verhalten Jesu. Oder spricht das etwa aus seinen Worten gegenüber denen, die die Ehebrecherin steinigen wollen? Oder aus seinem Tun bei der Tempelreinigung? Oder aus seinem Verhalten angesichts der langen Diskussionen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten? Ich glaube, es geht tatsächlich um das Motiv hinter diesen sehr klaren und überdeutlichen Aussagen: Eben die friedfertige Liebe. Wer die Liebe Gottes erlebt hat und selbst leben will, der kann nur zu einer friedfertigen und friedensstiftenden Person werden. Zu einer Person, die nicht aggressiv auf die Provokationen anderer reagiert, nicht zurückschlägt, sondern eben zu einer, die für den Frieden einsteht. Wenn man sich die Szene einmal genau vorstellt, wo einem schlägernden Eiferer jemand die andere Wange hinhält, dann sieht man doch wirklich einen Schritt zum Frieden. Und ich glaube, das ist eine Haltung, die wir alle durchaus haben sollten - und wenn wir sie nicht haben, schleunigst lernen müssten. Nämlich diejenige, zuerst den Frieden zu suchen. Eben erst einmal die andere Wange hinzuhalten. Natürlich klingt das fast schon unmöglich. Aber stellen Sie sich doch bitte einfach mal eine Welt vor, in der nicht dauernd Aktion und Reaktion aufeinander prallen. Wo Präsidenten einfach mal nicht twittern. Wo sich Diskussionen nicht dauernd hochschaukeln. Wo anstatt von Säbelrasseln und Vergeltungsschlägen die Suche nach dem Frieden an erster Stelle steht. Das ist echt eine Frage der Haltung.  Auch im ganz kleinen und privaten Umfeld unseres Alltags. Angefangen vom Umgang miteinander, über das Posten im Internet bis hin zur Begegnung mit anderen in der Familie, am Arbeitsplatz, im Geschäft oder wo auch immer. Vielleicht kann man die Haltung der friedfertigen Liebe schon allein in der Schlange an der Supermarktkasse üben...

Sich verschenkende Liebe

Die Liebe, die Jesus im Evangelium als Motiv hinter seinen Worten hat, ist aber nicht nur die friedfertige. Ich glaube, es zeigt sich auch noch eine andere Dimension von Liebe ganz deutlich. Er sagt: „Wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.“ Hier hat die Liebe, die als Motiv hinter der Forderung Jesu steht, ein anderes Attribut: Es ist die sich verschenkende Liebe. Diese Grundhaltung ist genauso eine des Christen und der Christin. Eine Grundhaltung, die auch aus der Erfahrung der Liebe Gottes kommt. Wer einmal hat verstehen dürfen, dass das eigene Leben, dass alles, was wir sind und haben, Geschenk Gottes ist, wird sich ganz anders den Menschen gegenüber verhalten können. So nämlich versteht sich die Liebe: Als Geschenk bekommen, will sie sich zum Geschenk machen. Genau das ist die Haltung, die ich hinter den Worten Jesu sehe: Die Haltung zu geben, weil wir selbst Beschenkte sind. Dann nämlich ist es vor allem ein Geben aus dem größten Überschuss, den es geben kann: aus der göttlichen Gnade! Da kann ich gut jemanden den Mantel lassen, weil ich weiß: der nächste Mantel kommt bestimmt. Man könnte solch einer Haltung eine große Naivität vorwerfen, nach dem Motto: Das ist doch Selbstbetrug, wir haben nur das, was wir eben haben! Aber genau das halte ich für den falschen Gedanken: Hinter einer sich verschenkenden Liebe steht eben nicht das Haben und das Weitergeben aus einem Überfluss, sondern dahinter steht das Sein - das Geliebt-Sein von Gott und das daraus resultierende Liebe weiterschenken. Das macht für mich einen großen Unterschied: Wenn der Blick immer nur auf das gerichtet ist, was ich haben kann, was mein ist, eben auf das Haben, dann wird das zweifelsohne zum Geiz führen. Denn unbegrenzt haben wir eben alle nicht. Aber wenn es ums Sein geht, darum, dass wir geliebte und beschenkte Kinder Gottes sind, dann öffnet das ganz schnell unsere Hände. Mich hat schwer beeindruckt, wie in Deutschland vor ein paar Jahren es vor allem Christinnen und Christen waren, die die große Menge von Geflohenen in ihren Gemeinden aufnahmen und alles Mögliche leisteten, um materiell wie ideell zu helfen. Immer wieder darf ich als Pfarrer sehen, wie Menschen von dem Wenigen, das sie haben, weitergeben und teilen. Und das oft mit einer Selbstverständlichkeit, die mich im wahrsten Sinne des Wortes zu Tränen rührt. Ganz oft habe ich schon auf meine Frage, warum sie das denn täten, die völlig selbstverständliche Antwort bekommen: Na, weil Jesus mich doch auch beschenkt hat. Das ist die sich verschenkende Liebe, die Jesus als Motiv hinter seinen Forderungen hat.

Bedingungslose Liebe

Aber nochmals zurück in die Bergpredigt! Die Liebe ist das Motiv hinter allem, was Jesus sagt, meine ich. Das wird nämlich noch einmal sehr deutlich. Da sind Jesu Worte: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden?“

Hier ist schon wieder die Liebe das Motiv - und zwar die bedingungslose Liebe. Hier steckt wieder einmal die Erfahrung Gottes und seines liebevollen Handelns an uns dahinter: Wer einmal sehen durfte, dass Gott uns annimmt, ohne Bedingungen zu stellen, dass er uns trotz allem liebt, der kann verstehen, was Jesus für eine Haltung von uns möchte: Es geht darum, zu lieben, ohne etwas zu erwarten. Zu lieben, wo keine Gegenleistung kommt. Ohne Bedingungen. Frei und gebend. Letztlich ist das die Grundform von Liebe. Bei Traugesprächen ist das übrigens eine der Fragen, die dem Brautpaar gestellt werden, nämlich, ob sie die Ehe ohne irgendwelche Bedingungen eingehen wollen. Da steht meiner Meinung nach genau diese Idee der bedingungslosen Liebe dahinter. Wir sind von Gott Geliebte, so wie wir sind, ohne, dass er von uns etwas einfordert - und aus diesem Geliebtsein heraus dürfen und können wir auch Liebe weitergeben. Ohne etwas zu erwarten. Die heilige Mutter Teresa hat den Spruch geprägt vom „lieben, bis es weh tut“. Ich glaube, dass in diesem Wort viel von der Bedingungslosigkeit steckt, die die Bergpredigt prägt: Wer erwartet, etwas zurückzubekommen, handelt wie die Heiden. Wie jemand, der Gottes Liebe nie erfahren hat. Wer liebt, ohne zu erwarten, bis er selbst nicht mehr kann, also - mit Mutter Teresa - „bis es wehtut“, der hat die wirklich christliche Liebe gefunden und lebt sie. Eine Liebe, die Bedingungen stellt, ist nämlich eigentlich keine. Nur da, wo Annahme, Offenheit und gebende Hände keine Ansprüche stellen, da ist wahre Liebe vollendet.

Liebe Hörerin, lieber Hörer,

wie ein Ermittler in einem Krimi habe ich mit Ihnen zusammen die Frage nach dem Motiv Jesu in der Bergpredigt gestellt. Es ist die Liebe, aber eine dreifache:

Die friedenstiftende, die sich verschenkende und die bedingungslose Liebe.

Wir dürfen uns als geliebte Kinder Gottes verstehen. Und das auch weitergeben. Was für ein Schatz!

Und weil nun einmal Fasching ist,

Auch Karneval und Fasnacht, wie ihr wisst,

Drum steht am End der Worte heut ein Reim,

Das leuchtet euch die Botschaft eher heim.

Die Liebe ist das Zauberwort vom guten Hirt!

Sie muss wachsen, dass das Leben auch was wird!

Wer nämlich Liebe nur in Maßen leben will,

Der sei am besten einfach still.

Zu lieben, das geht nur im Übermaß,

Den Feind genauso wie den Schläger - klar wie Glas!

Wir sollen lieben - friedenstiftend und verschenkend

Und erst recht nicht an Bedingungen so denkend.

Der Herr macht‘s vor an jedem Tag!

Das ist ein Grund, warum ich diesen Gott so mag!

Nun ist‘s genug, die Liebe siegt, in Gottes Namen!

Ich sag Hellau, alaaf, und ganz katholisch amen.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

21. Februar 2020, 11:00