Unser Sonntag Sr. Gabriela Zinkl Unser Sonntag Sr. Gabriela Zinkl 

Unser Sonntag: Ehemaliges Flüchtlingskind trifft auf Flüchtlingsbaby

Zum Fest der Heiligen Familie berichtet Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl von der Flucht der Heiligen Familie. Und von einer Mitschwester, Sr. M. Xaveria, die zu Weihnachten eine besondere Begegnung mit dem Kind in der Krippe von Bethlehem hatte.

Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl SMCB, Jerusalem


Fest der Hl. Familie Mt 2,13-15.19-23


Kaum ist das Kind auf der Welt und hat die junge Familie in Betlehem einen Not-Unterschlupf gefunden, ist das traute Weihnachtsszenario mit Engeln, Hirten und Schafen auch schon wieder zu Ende. Josef erhält im Traum den Rat des Engels des Herrn, mit Maria und dem neu geborenen Jesus so schnell wie möglich nach Ägypten zu fliehen – bevor König Herodes das Neugeborene findet und töten lässt.

Unser Sonntag - hier zum Nachhören

Ein typischer Fall einer Familie auf der Flucht vor dem Schrecken diktatorischer Gewalt. Fälle wie dieser sind uns spätestens seit der Flüchtlingswelle 2015 nach Europa sehr vertraut. Wir haben sie in den Nachrichtensendungen und in den Aufnahmeeinrichtungen unserer Wohnorte immer wieder vor Augen. Die Menschen fliehen aus Syrien, aus dem Irak, aus Nigeria, aus Afghanistan, dem Iran und vielen anderen Ländern Afrikas und des Mittleren und Nahen Ostens, 100.000-fach pro Jahr. Noch immer erreichen zur Zeit etwa 500 Flüchtlinge am Tag unsere Landesgrenzen und bitten um Asyl. Und noch trauriger ist, dass nach wie vor jede Nacht viele ihr Leben im Mittelmeer verlieren, weil sie es nicht an Land schaffen. Was treibt die Menschen auf die Flucht? – Wenn sie sich auf den Weg machen, geschieht dies meistens nicht von langer Hand geplant, sondern überstürzt.

Ursachen der Migration

Das zeigen die Ursachen: Menschen fliehen vor Folter und Verfolgung, vor Ausbeutung und Unterdrückung, vor gewaltsamen Konflikten oder vor den Folgen des Klimawandels, der Dürrekatastrophen oder Überflutungen hervorbringt.
Nach dem Bericht des Matthäusevangeliums sind Josef und seine Kleinfamilie mitten unter all diesen Getriebenen heute und damals, auf der Flucht. Ihr Fluchtweg folgt wie in den meisten Fällen keiner geraden Route.

„Alles andere als ein glücklicher Start in ein heiles Familienleben“

Ihr Weg führt sie von Betlehem in Judäa nach Ägypten, dann wieder zurück, und weil die Situation dort auch nach ihrer Rückkehr noch zu unruhig ist, müssen sie weiterziehen nach Nazareth in Galiläa. Das hört sich alles andere an als nach dem glücklichen Start in ein heiles Familienleben, schon gar nicht nach einer heiligen Familie. Und doch sind Josef, Maria und das Jesuskind für uns Christen der Inbegriff der heilen, sogar heiligen Familie. Heilig ist diese Familie nicht darum, weil sie ein heiligmäßiges Leben in trautem Frieden und Heim führt. Als heilig gilt sie uns deshalb, weil Gott in ihr Leben eingreift und es durcheinanderbringt. Und diese Familie ist als ganze heilig, weil sie dies mit sich machen lässt und sich in Gottes Hand gibt, alle miteinander, Maria, Josef und Jesus. Dreimal erscheint der Engel dem Josef im Traum. Und dreimal heißt es: Da stand er auf und tat, was ihm gesagt worden war und nahm Maria und das Kind mit sich (vgl. Mt 2,14.21.22).

Ein Engel mit  „unmöglicher" Botschaft...

Dabei ist das nur eine kurze Episode aus der Geschichte dieser Familie. Wir wissen, dass schon der Anfang ziemlich ungewöhnlich verlief: Der Engel brachte Maria die unmögliche Botschaft, dass Maria durch den Heiligen Geist ein Kind empfangen werde, und sie antwortete ihm, „Mir geschehe nach deinem Wort.“ Der Engel erschien dem Josef im Traum, als er sich von seiner schwangeren Verlobten im Stillen trennen wollte, und Josef nimmt die werdende Mutter schließlich zu sich. Nicht weniger ungewöhnlich geht es weiter in dieser Familie, wie wir wissen: Einige Jahre später brüskiert der zwölfjährige Jesus im Tempel seine besorgten Eltern und die Jerusalemer Tempelaristokratie mit der Frage: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49).

„Die Heilige Familie ist alles andere als eine Vorzeigefamilie“

Die Heilige Familie ist alles andere als eine Vorzeigefamilie mit Papi Otto Normalverbraucher, Mami alias Maxi Musterfrau und der kleinen Betty Babyzart. Für mich ist das tröstlich, gerade wenn ich an meine eigene Herkunftsfamilie oder auch an meine Ordensfamilie denke. Da läuft auch nicht immer alles glatt, das zeigt uns auch die Geschichte der Familie von Maria, Josef und Jesus. Doch durch Gottes Geist werden alle zusammengeführt. Und dabei sind die meisten von uns – Gott sei Dank – lange nicht so herausgefordert wie die Heilige Familie, dass wir alles zurücklassen und in die Fremde fliehen müssten.
Die Verehrung der Heiligen Familie ist eine verhältnismäßig junge Tradition unserer Kirche.

Verehrung der Heiligen Familie seit dem 17. Jahrhundert

Sie setzt im 17. Jahrhundert ein und erhält im 19. Jahrhundert Aufschwung, als Papst Leo XIII. diesen Aspekt besonders fördert. Möglicherweise wollte man im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung, der Landflucht und der sozialen Umbrüche einem Zerfall des christlichen Familienideals mit dem Vorbild der Heiligen Familie entgegenwirken. Im Jahr 1893 führte der Papst das Fest der Heiligen Familie als eigenen Termin im Römischen Liturgiekalender ein und verband es mit einer Weihe der Hausfamilie an Jesus, Maria und Josef. Einige Zeit später wurde das Fest wegen einer Kalenderreform wieder ausgesetzt und schließlich durch Papst Benedikt XV. 1921 wieder eingeführt. Seit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil feiern wir das Fest der Heiligen Familie am Sonntag in der Weihnachtsoktav. Nicht zuletzt durch diesen Festtag ist die Heilige Familie für viele von uns ein feststehender Begriff.

...wir sind Teil dieser Familie 

Der Weg der Heiligen Familie ist auch heute nicht zu Ende, denn wir sind ein Teil dieser Familie. Durch unsere Taufe sind wir aufs Engste mit Jesus Christus verbunden, als unserem Bruder. Wir dürfen Gott mit Vater ansprechen. Maria, die Mutter Jesu, wurde auch uns zur Mutter in allen Freuden, Sorgen und Nöten. Wir sind heute Teil der heiligen Familie Jesu an diesem Ort, in dieser Zeit, im Heiligen Geist verbunden mit Maria und allen Brüdern und Schwestern im Glauben an Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen. Jesus Christus führt uns zusammen zu einer neuen Familie, zu einer weltweiten Menschheitsfamilie. Es liegt nun an uns, unseren Beitrag zu leisten für die Lebendigkeit dieser Familie. Es liegt an uns, auf Gottes Führung zu vertrauen und in seinem Geiste füreinander zu sorgen, was immer auch kommen mag. Das ist unsere Aufgabe als Söhne und Töchter Gottes in der Heiligen Familie heute.

Medaillon mit der Heiligen Familie 

Zum Fest der Heiligen Familie geht mir seit einigen Jahren ein Erlebnis in Betlehem nicht aus dem Kopf, das mich persönlich sehr berührt hat. Es ist die Begegnung einer älteren Ordensschwester mit dem Jesuskind. Ich selbst darf als Ordensfrau in der Gemeinschaft der Borromäerinnen, der Barmherzigen Schwestern vom hl. Karl Borromäus, wirken. Unsere Schwesternkongregation wurde 1652 in Nancy in Frankreich als sozial-caritativer Orden gegründet und ich gehöre zu einem der sieben Zweige, die sich inzwischen gebildet haben, unser Mutterhaus ist im Kloster Grafschaft in Nordrhein-Westfalen. Momentan bin ich als Ordensschwester eingesetzt in unserem Konvent St. Charles in Jerusalem, wo wir ein Pilgerhaus und einen Kindergarten leiten. Wir tragen kein Kreuz über dem Ordenskleid, sondern ein Medaillon mit unserem Ordenspatron Karl Borromäus auf der einen Seite und der heiligen Familie auf der anderen Seite, denn unsere Gründerinnen haben sie unserer Gemeinschaft als Ideal der Fürsorge füreinander und für die uns Anvertrauten vorangestellt.
Es war vor zwei Jahren, ein paar Tage nach Weihnachten, als einige Schwestern unseres Konvents sich aufmachten zu seinem stillen Vormittag des Gebets und der Dankbarkeit in der Geburtskirche in Betlehem, am Ort der Menschwerdung Christi vor mehr als 2000 Jahren. Unter den Schwestern war auch ein ehemaliges Flüchtlingsmädchen, Sr. M. Xaveria, inzwischen 90 Jahre alt, etwas betagt und nicht mehr so mobil.

Berührender Besuch in Bethlehem 

Als junges Mädchen erlebte sie harte Jahre der Vertreibung und Trennung von ihrer Familie, als sie wegen der Nationalsozialisten von Rumänien, über Österreich, die Tschechoslowakei, Polen und Ostdeutschland schließlich nach Westdeutschland fliehen konnte. Doch Gott hatte noch etwas anderes mit ihr vor und sie folgte Seinem Ruf als Ordensschwester zu den Borromäerinnen, wo sie im Orient über 65 Jahre lang wirken durfte. An einem Vormittag zur Weihnachtszeit in Betlehem verweilte sie also vor dem Christkind in der Kirche zur Anbetung. In Betlehem gibt es die schöne Tradition, dass eine lebensgroße bemalte Holzfigur des Jesuskindes zu Weihnachten in einer Holzkrippe mit Stroh gezeigt wird.

Sr. M. Xaveria mit dem Jesuskind
Sr. M. Xaveria mit dem Jesuskind

Ein Franziskaner beobachtete die Beterin längere Zeit und bereitete ihr schließlich eine große Überraschung: Er brachte unserer älteren Schwester, die sich selbst nicht mehr groß rühren konnte, das Jesuskind aus der Krippe, damit sie es direkt begrüßen und verehren könnte. Die Freude in den Augen unserer Schwester M. Xaveria werde ich nie vergessen. Noch Tage später erzählte sie strahlend und tief berührt von diesem Erlebnis in Betlehem. Eine treue Ordensfrau begegnet ihrem Herrn und Bruder Jesus Christus. Ehemaliges Flüchtlingskind trifft auf kleines Flüchtlingsbaby. Das sind die Augenblicke unter Gottes Führung, die in unserem Leben als Christen zählen.

(vatican news - claudia kaminski)

 

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28. Dezember 2019, 10:39