Manfred Lütz Manfred Lütz 

Manfred Lütz: „Frauenfrage zentral für Zukunft der Kirche“

Gegen die Klerikalisierung von Laien und für die Förderung von Frauen in Führungspositionen hatte sich Papst Franziskus an diesem Samstag bei einer Audienz für die Mitglieder des Dikasteriums für Laien, Familie und das Leben ausgesprochen. Im Publikum war auch das einzige deutsche Mitglied des neu zusammengesetzten Dikasteriums: Der Psychotherapeut und Psychiater Manfred Lütz hatte an der ersten Generalversammlung des Dikasteriums teilgenommen.

„Ich glaube, dass die Frage nach der Stellung der Frau in der Kirche von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Kirche ist“, bestätigt uns Lütz denn auch im Gespräch, das wir am Rand der Generalversammlung mit ihm führten. Er vertrete schon lange die Auffassung, dass hier dringender Handlungsbedarf bestehe, „weil die Gesellschaft nicht mehr akzeptiert, dass Frauen in irgendeiner Institution nur niedere Tätigkeiten ausführen können,“ meint der Laie, der bereits seit Jahren an verschiedenen Vatikandikasterien als Konsultor oder Mitglied tätig ist. 

Eine deutliche Warnung kommt seinerseits jedoch zum Thema Frauenordination: „Ich kann verstehen, dass einige in der Kirche im Frauendiakonat die Erfüllung ihrer Hoffnungen sehen, andere wünschen sich das als Einstieg auf dem Weg zum Frauenpriestertum. Aber für die Öffentlichkeit klingt es ziemlich absurd, dass nun in der katholischen Kirche die Gleichberechtigung der Frau dadurch verwirklicht werden soll, dass Frauen das niedrigste Weiheamt zugestanden bekommen und in der Heiligen Messe sagen dürfen: ,Geheimnis des Glaubens‘ und ,Gehet hin in  Frieden‘“ meint Lütz, der vielmehr dazu einlädt, die Machtfrage zu stellen. Nicht zuletzt Papst Franziskus selbst hatte in seiner Ansprache an das Laien-Dikasterium davon gesprochen, dass die Kirche dabei vorangehen müsse, Frauen in Führungspositionen zu heben – und dabei auch bis heute für Frauen unerreichbar scheinende Spitzenposten an der Kurie nicht ausgeschlossen. Im Gegenzug hatte er jedoch – wie schon bei anderer Gelegenheit - vor einer Klerikalisierung der Laien gewarnt. 

„Priesteramt stärker als Sakralamt verstehen“

Laien und damit besonders Frauen müssten also mehr Macht in der Kirche bekommen, schlussfolgert Lütz. Dies könnte auch dadurch gefördert werden, dass man das Priester- und das Bischofsamt von Machtfragen entlaste. Wenn dagegen jedoch eingewandt werde, dass die Weihe neben dem Priester- und dem Prophetenamt auch Anteil am „Königtum Christi“ gebe, dann müsse man sich nur in der aktuellen politischen Gemengelage umsehen: immerhin seien doch auch die Könige unserer Tage weitgehend von Macht befreit und hätten vor allem eine repräsentative und einigende Funktion.

Würde man diesen Weg beschreiten, der Frauen mehr handfeste Entscheidungskompetenz gebe, werde das gewiss auch öffentlich als Fortschritt wahrgenommen - und nicht zuletzt wären damit auch die erheblichen theologischen Probleme vermieden, die sich bei der Frauenordination ergäben und die das Potential zur Kirchenspaltung hätten, meint Lütz. Er weist darauf hin, dass das Apostolische Schreiben Ordinatio Sacerdotalis Johannes Pauls II. von 1994 tatsächlich so „hochautoritativ“ formuliert sei, dass ein Papst, der das Frauenpriestertum einführen würde, anschließend keinerlei päpstliche Autorität mehr hätte: denn auch hochautoritative Entscheidungen, die er oder seine Nachfolger träfen, stünden dann unter Revisionsvorbehalt. Wer das nicht berücksichtige oder nicht wisse, trage die Verantwortung dafür, vielen Menschen Hoffnungen zu machen, die nicht erfüllt werden können, so die trockene Analyse des deutschen Psychiaters. 

„Warum muss denn der Pfarrer entscheiden, wie hoch der Kirchturm sein soll?“

Auch in der ersten Generalversammlung des Dikasteriums für Laien, Familie und das Leben sei beklagt worden, dass die katholische Kirche oft „zu sehr auf Klerikalthemen“ fixiert sei. „Warum muss denn der Pfarrer entscheiden, wie hoch der Kirchturm sein soll und wie arbeitsrechtlich zu reagieren ist, dazu ist er gar nicht ausgebildet, das können manche Laien viel besser. Auf diese Weise könnten die wenigen Priester wieder stärker für seelsorgliche Aufgaben frei sein,“ meint Lütz.

Es sei sehr interessant gewesen, bei dem Austausch während der Versammlung zu erfahren, wie Laien in der ganzen Welt „mit derzeitigen Situationen in der Kirche umgehen“, erläutert der Psychiater und katholische Theologe, der bereits von Johannes Paul II. zum Mitglied des 2016 aufgelösten und im neuen Dikasterium aufgegangenen Päpstlichen Rates für Laien ernannt worden war. In der Generalversammlung sei unter anderem besprochen worden, „dass Frauen in der Kirche zum Beispiel in Nordamerika erheblich an Macht und Entscheidungskompetenz gewonnen haben, aber in anderen Ländern sich da noch überhaupt nichts getan hat. Da kann ein solches Dikasterium Veränderungen, die Papst Franziskus immer wieder anmahnt, ermutigen und fördern.“ 

„Eine zweite Frustration hätte gravierende Auswirkungen auf engagierte Laien“

Während der Generalversammlung sei er von Mitgliedern und Konsultoren zum Teil mit Skepsis auch auf die „deutsche Synode“ angesprochen worden. Er habe dann genauer erklärt, was der „Synodale Weg“ sei, erzählt Lütz, der mit Blick auf Deutschland vor zu hoch gesetzten Erwartungen warnt:

„Ich muss gestehen, dass ich als Psychotherapeut in diesem Fall eher mal die Probleme sehe. Es gab schon einmal diesen Dialogprozess, und ich habe damals schon gesagt, dass das eigentlich ein totgeborenes Kind war, weil man Hoffnungen geweckt hat, die man nicht erfüllen konnte. Danach waren die Menschen nachvollziehbarerweise frustriert. Meine Befürchtung ist, dass das jetzt ,mehr desselben von dem wird, was schon damals nicht funktionierte‘, wie Paul Watzlawick solche Sackgassen kennzeichnet. Nur wird jetzt alles mit noch mehr Power betrieben, was die Enttäuschten verständlicherweise umso wütender machen wird. Gerade die Engagierten werden so – absehbar – entmutigt.“ 

„Wenn man einfach mal etwas weniger über Sexualthemen reden würde…“

Ihn irritiere als Laie, dass beim Synodalen Weg vor allem Klerikalfragen im Mittelpunkt ständen: die immer wieder thematisierte Frauenordination, der Zölibat der Priester - und wenn man jetzt wieder entlang der lange bekannten Fronten über die katholische Sexualmoral diskutiere, gebe man in der Öffentlichkeit ein abstoßendes Bild ab, wo weder die so genannten „konservativen“ noch die so genannten „progressiven“ Positionen überhaupt noch verstanden werden, warnt er. Dies liege daran, dass das Fundament, nämlich der Glaube an Jesus Christus, unverständlich geworden ist. Auch deswegen betone Papst Franziskus in seinem Brief an die Deutschen die hohe Bedeutung der Reevangelisierung, schlussfolgert Lütz.

Vom Synodalen Weg wünscht sich der engagierte Laie vor allem eines: „Wenn die Bedeutung der Laien beim Synodalen Weg gestärkt würde, wenn umgehend Frauen in den Bistumsleitungen und in den Pfarreien mehr Entscheidungskompetenz bekämen - wie das übrigens schon jetzt zum Beispiel im Erzbistum Köln, im Erzbistum München und auch in anderen Bistümern der Fall ist - wenn man einfach mal, wie es der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken anregte, etwas weniger über Sexualthemen reden würde und wenn man nicht dauernd über die Frage Zölibat ja/nein diskutieren würde, sondern wirklich über die Zölibats-Kultur, die in der Krise steckt, dann könnte man vielleicht Lösungen finden, die wirklich neue Lösungen wären, anstatt Hoffnungen hinterherzujagen, die man seit 50 Jahren hat, und die man jetzt unbedingt erfüllen möchte, die aber außerhalb der Kirche keiner mehr versteht.“ 

(vatican news - cs)

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18. November 2019, 13:23