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Unser Sonntag Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl Unser Sonntag Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl 

1. Advent - Unser Sonntag: Wir wissen nicht wann der Dieb kommt

Im Advent geht es darum, sich auf das Kommen unseres Erlösers, die Geburt Jesu Christi, vorzubereiten. Schwester M.Gabriela Zinkl von den Borromäerinnen aus Jerusalem warnt uns vor den kleinen Monstern des Alltags: Trägheit, Ablenkung und Stress. Sie ermuntert uns, dass die Zeit des Advents eine Einladung ist, aufmerksam zu werden, dass Gott unter uns Mensch werden will.

Sr. Dr. M. Gabriela Zinkl SMCB, Jerusalem

Mt 24, 37-44 [Kurzfassung]

1. Advent

Für den 1. Dezember 2019 steht im Kalender eine dicke rote Eins. Es ist der erste Tag des letzten Monats in diesem Jahr 2019. Noch dazu ist dieser Tag für uns Christen der erste Tag des neuen Kirchenjahres, der 1. Advent.

Unser Sonntag - hier zum Nachhören

Alle, die einen Adventskalender haben, öffnen sicher voller Spannung das erste Türchen oder reißen das erste Kalenderblatt ab und schauen, was sich dahinter versteckt. 

Achtung, halte dich bereit! Stille Adventszeit?

Noch 24 Tage sind es bis Weihnachten! – Sind es wirklich nur mehr knapp drei Wochen bis dahin? Habe ich den Adventskranz schon fertig? Wo ist nochmal die Liste mit den Weihnachtsgeschenken, die ich noch basteln oder besorgen muss? Sind genug Plätzchen, Christstollen und Glühwein vorrätig? Brennen an der Lichterkette fürs Fenster alle Lämpchen? Werde ich es diesmal schaffen, meine Weihnachtsgrüße rechtzeitig vor dem 24. an alle Freunde und Bekannten zu schicken? – Hand aufs Herz: Im Advent, der auch den schönen Beinamen „stille Zeit“ Zeit trägt, plagen uns neben den üblichen Alltagssorgen ausgerechnet noch vorweihnachtliche Hektik und Unruhe.
Um unserer Routine entgegenzuwirken, braucht es manchmal starke Maßnahmen. Am 1. Advent, der Eingangstür in ein neues Kirchenjahr und dem Beginn der Vorbereitungs- und Bußzeit auf die Ankunft unseres Herrn, sind die Worte des Evangeliums wie ein Stoppschild: Achtung, halte dich bereit! „Haltet [auch ihr] euch bereit!“, fordert Jesus uns auf, „denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Mt 24,44). 

Ein kleines Monster unseres Alltags: Trägheit

Bin ich bereit für das Kommen des Herrn? – Naja, könnten Sie jetzt sagen, es ist ja noch Zeit, es sind doch noch 24 Tage. Ich hab' doch noch den ganzen Advent, um mich innerlich und äußerlich darauf einzustellen. Moment! Klingt da vielleicht ein wenig Faulheit durch? Haben wir es da gar mit einem Fall der vorweihnachtlichen Trägheit zu tun (lateinisch: ignavia timida)? Sie schafft es doch tatsächlich immer wieder, uns bei wichtigen anstehenden Erledigungen aufzuhalten. Die Trägheit ist ein echtes Laster, eine Versuchung, die uns umgarnt, sie ist förmlich ein „Monster des Alltags“. Über diese Art von Plagegeistern, die „Monster des Alltags“, gibt es ein Lexikon, verfasst vom Comiczeichner Christian Moser. Darin hat er viele dieser kleinen Monster auf ironische Weise zusammengestellt und illustriert. Die Trägheit, auch bekannt als Faulheit, ist dort beschrieben als Hausmütterchen unter den kleinen Monstern, die uns immer wieder in den Weg kommen, ob wir wollen oder nicht. Wer sich der Trägheit hingibt, wird aufs Zärtlichste von ihr versorgt. Fürsorglich warnt sie uns vor den tausend Gefahren, die „da draußen“ lauern. Sie ist tödlich beleidigt, wenn wir als ihr Opfer trotzdem selbst die Initiative ergreifen und es wagen, etwas zu unternehmen – was kaum passieren wird, wenn sie uns fest im Griff hat. Denn ihre Umarmung ist eng, zäh wie Kaugummi und führt zu akuten Lähmungserscheinungen an Körper und Willenskraft.

Mit bei den Versuchungen dabei: die Ablenkung

Ein willkommener Gefährte der Trägheit ist das kleine Monster der Ablenkung (lateinisch: deflexio minor). Ja, die Ablenkung oder Zerstreuung, auch mit ihr ist es so eine Sache. Laut Monster-Lexikon ist sie die Hauptursache unserer Unaufmerksamkeit und Unpünktlichkeit. Denn dieser putzige kleine Parasit nistet sich am liebsten dann bei uns ein, wenn wir eigentlich ganz andere wichtige Dinge erledigen müssten. Die Ablenkung beobachtet uns genau und studiert aufmerksam unsere Wünsche, Ängste und Schwachstellen. Dann packt sie zu und schafft es, uns als ihr Opfer total zu verwirren. Die Ablenkung triumphiert vor Freude, wenn sie uns erfolgreich abbringen konnte von unserem geplanten Vorhaben. War da nicht etwas, dass wir vorhin noch erledigen wollten?
Es gibt viele Arten dieser kleinen Monster und jede und jeder von uns hat mit einem anderen von ihnen zu kämpfen. Das wohl bekannteste Monster sitzt bei vielen von uns im Advent nur allzu gerne im Nacken.

...allen voran: der Vorweihnachtsstress

Wenn man sich in den nächsten Wochen umsieht und umhört unter unseren Mitmenschen, kann man den Eindruck gewinnen, das Monsterchen ist in der winterlichen Zeit so verbreitet wie die übliche Erkältungswelle: Der Stress (lateinisch: labor laboriosissimus) ist tatsächlich das aktivste unter den kleinen Versuchungen. Sobald irgendwo etwas los ist, gesellt er sich dazu und zieht uns fast vollständig in seinen Bann. Er drängt sich gerne in den Mittelpunkt, Hauptsache, es dreht sich alles um ihn. Er gaukelt uns Erfolg und Wichtigkeit vor, immer dann, wenn wir uns sagen hören, „Ich hab jetzt keine Zeit. Lass mich bloß in Ruhe! Ich muss erst noch etwas anders erledigen.“

„Sie sind Diebe, denn sie setzen alles daran, uns die Aufmerksamkeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu stehlen.“

Kleine Monster und Ablenkungen wie diese sind nichts Neues. Sie halten uns Menschen seit jeher gefangen, lenken uns ab vom Wesentlichen. Sie sind Diebe, denn sie setzen alles daran, uns die Aufmerksamkeit für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu stehlen. Meistens gelingt ihnen das. Leider. Genau diese Problematik nahm schon Jesus Christus in seinem Umfeld vor über 2000 Jahren wahr. 
Ungehalten über das Kulttreiben am Jerusalemer Tempel saß Jesus mit seinen Jüngern am Ölberg, von wo man heute noch einen wunderbaren Blick auf das frühere Tempelareal und die Altstadt hat. Die kleine Gruppe befand sich in Endzeitstimmung; aber nicht aus Freude, sondern aus Enttäuschung. Denn nach einigen Streitgesprächen mit Pharisäern und Schriftgelehrten hatte sich bei Jesus und den Jüngern der Eindruck verstärkt, die jüdischen Autoritäten pochten mehr auf das Gesetz als wirklich die Gebote Gottes in ihrem Leben sichtbar werden zu lassen. Das Matthäusevangelium berichtet, dass die Jünger Jesus fragten, wie sie die Zerstörung des Tempels, das Ende der Welt und vor allem die Wiederkunft Christi erkennen werden (Mt 24,2-3). Jesus erzählt ihnen dazu drei Beispiele aus ihrer Lebenswelt und Religion.

Bin ich bereit? Noach, das Feld und die Mühle...

Zuerst verweist er auf eine bekannte Gestalt der Geschichte Israels aus einer Zeit, die sehr weit zurückliegt, nämlich „in den Tagen des Noach“ (V. 37). Als Noach – sein hebräischer Name bedeutet übrigens „Ruhe“ – aufgrund seines Glaubens von Gott auserwählt wurde, die Arche zu bauen, vegetierte die Menschheit gerade wieder einmal so vor sich hin, völlig verloren im Alltagstrubel. Jeder lebte egoistisch seine Ziele aus, war eingenommen von Versuchungen und Monsterchen aller Art, ohne groß an Gott und den Nächsten zu denken. Das kennen wir doch irgendwo her? Es war also zur Zeit Noachs nicht viel anders als heute. Unrecht und Unbarmherzigkeit hatten sich breit gemacht unter den Menschen. Doch einer, Noach eben, machte dieses Treiben nicht mit. Er leistete den kleinen Monstern seiner Umwelt aktiven Widerstand und blieb aufmerksam für Gottes Ruf an ihn. So konnte er sich mit seiner Familie rechtzeitig auf die Sintflut vorbereiten und das geräumige Schiff „Arche“ fertigstellen. Noach ist die Verkörperung eines Menschen, der lieber riskiert, von anderen belächelt zu werden, als unvorbereitet zu sein, wenn einmal doch der letzte Tag anbricht.

...zu welcher Sorte will ich gehören?

Die einen sind bereit für das Kommen des Herrn, die anderen nicht. Zu welcher Sorte gehöre ich? Und zu welcher Sorte will ich gehören?
Jesus schildert im Evangelium zwei weitere Beispiele, diesmal aus der Arbeitswelt, zeitlos gültig, eines für Männer, eines für Frauen. Dort ist die Rede von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, vielleicht mit einer kleinen Öl- oder Getreidemühle für den Hausgebrauch. Einer, eine von beiden wird zurückgelassen, der oder die andere wird mitgenommen werden bei der Ankunft des Menschensohnes, so sagt Jesus zu seinen Jüngern und zu uns (vgl. Mt 24,40). Bei all diesen Beispielen geht es Jesus nicht um eine herausragende Leistung eines Einzelnen, der dann gerettet wird. Nein, wir müssen nicht besser sein als andere, wir müssen nicht schneller sein, nicht mehr liefern, und es nützt nichts, wenn ich noch eifriger bin als mein Vorgesetzter und Bruder oder frömmer sein will als meine Nächste und Schwester. 

Aufmerksam, allen Ablenkungen zum Trotz 

Das Evangelium des heutigen ersten Adventssonntags macht uns auf etwas ganz Simples und Bodenständiges aufmerksam: Wir müssen keine Höchstleistungen vollbringen. Sondern es beginnt viel früher, bei unserer Grundeinstellung: wir müssen aufmerksam sein, uns bereit halten. Was auch immer wir tun, ob wir essen, trinken, schlafen, heiraten oder arbeiten (vgl. Mt 24,38): wir sollen immer daran denken, dass Er, unser Herr kommen will. Dafür sollten wir aufmerksam sein: dass er bald vor der Tür steht. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir in Nervosität fallen und unbedingt noch schnell dies und das erledigen müssen. Oh je, wem sage ich das? Wir alle sind doch in der Regel bestens durchorganisiert, mit unseren Terminkalendern und langfristigen Planungen. Aber wir wissen nicht, wann Christus wiederkommen wird am Ende der Tage. Da geht es uns nicht anders als dem Mann, den Jesus im heutigen Evangelium als drittes Beispiel beschreibt: „Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht“ (Mt 24,43).

„Wir wissen nicht, wann Er kommt, und sollen doch so leben, dass wir jederzeit bereit sind“

Wir wissen nicht, wann Er kommt, und sollen doch so leben, dass wir jederzeit bereit sind. Ich gebe zu, das ist nicht leicht umzusetzen. Aber: wir wissen, dass Er kommt, er wird uns nicht versetzen. Das bedeutet Advent. Wir haben die feste Zusage, dass Gott in unserer Welt erscheinen wird. Er hat dies schon einmal Realität werden lassen, indem er uns seinen Sohn Jesus Christus als unseren Bruder und Herrn schenkte. An die feste Zusage Seines Kommens dürfen wir vertrauen und glauben. Das ist Advent. Es ist keine Zeit ängstlicher Nervosität. Es ist die Zeit freudiger Erwartung, die ausstrahlen kann in die Gegenwart. Darum sollten wir die Worte Jesu in dieser Adventszeit dick und rot in unseren Kalender schreiben: „Darum haltet auch ihr euch bereit!“ (Mt 24,44). Allen Versuchungen, allen kleinen Monstern unseres Alltags zum Trotz: Die Zeit des Advents ist die Einladung, aufmerksam zu werden, dass Gott unter uns Mensch werden will – noch bevor die kleinen Monster des Alltags uns davon ablenken.


(vatican news - claudia kaminski)
 

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30. November 2019, 11:00