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Künstliche Befruchtung (Symbolfoto) Künstliche Befruchtung (Symbolfoto) 

Reproduktionsmedizin: Ethikerin beklagt „Industrialisierung“

Mehr künstliche Befruchtungen, weniger Lebendgeburten: Diesen Trend kritisiert Bioethikerin Susanne Kummer. Sie fordert eine Reform der öffentlichen Förderung für künstliche Befruchtungen (In-vitro-Fertilisation, IVF). Diese ist in Österreich momentan nur von der Anzahl der IVF-Versuche, nicht aber von der Gesundheit der Kinder und Mütter abhängig.

US-Studie: Zahl der Lebendgeburten gesunken

Hintergrund ist eine aktuelle US-Studie, welche die IVF-Daten der Jahre 2004 bis 2016 aus den USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Lateinamerika und Japan verglich. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass trotz steigender IVF-Versuche und entsprechender Förderungen die Zahl der Lebendgeburten, bezeichnet als „Baby-Take-Home-Rate“, gesunken ist.

Als Gründe nennen die Studienautoren unter anderem eine Verschiebung in der IVF-Zielsetzung: So sei immer häufiger nicht die Geburt möglichst vieler gesunder Kinder das Ziel, sondern die Durchführung möglichst vieler IVF-Versuche. Im Hinblick auf diese Entwicklung spricht Kummer, Geschäftsführerin des Instituts für medizinische Anthropologie und Bioethik, das im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz arbeitet, von einer „beispiellosen Industrialisierung“.

Negativ-Trend auch in Österreich

Auch in Österreich sei die Zahl der Geburten nach einer IVF laut IVF-Report 2018 erstmals rückläufig – bei einer gleichzeitigen Steigerung der IVF-Versuche. In Österreich liege die „Baby-Take-Home-Rate“ derzeit bei 25,7 Prozent. „Das heißt: Drei Viertel aller Frauen gehen trotz mehrerer IVF-Versuche ohne Kind nach Hause“, verdeutlichte die Bioethikerin.

Gesundheit von Kind und Mutter spielt für Förderung keine Rolle

Aus diesen Zahlen sowie aus der im Fachjournal „Human Reproduction Online“ publizierten US-Studie gelte es nun entsprechende Schlüsse zu ziehen und etwa die Qualitätskriterien für die IVF-Institute auch in Österreich neu zu überdenken, forderte Kummer. Derzeit genüge für die öffentliche Förderung der Institute allein der Nachweis einer gewissen Anzahl jährlicher IVF-Versuche und entsprechender Schwangerschaftsquoten – „die Zahl der Lebendgeburten in Korrelation zur Anzahl der Versuche wird aber nicht abgefragt, ebenso wenig wie Komplikationen oder der Gesundheitszustand des Kindes und der Mutter“, kritisierte Kummer.

Österreich förderte IVF-Versuche mit 200 Millionen: 25 Prozent Erfolgsquote

Auch würden viele Daten etwa zu Früh-, Fehl- oder Totgeburten nach IVF in Österreich gar nicht erhoben – was eine „gravierende Lücke“ darstelle. „Bevor die Politik über den IVF-Fonds Zuschüsse an Institute in Millionenhöhe tätigt, sollte sie klare Kriterien anhand der Baby-Take-Home-Rate vorlegen,“ forderte die Expertin und betonte, der IVF-Fonds habe seit 2001 mehr als 200 Millionen Euro für IVF-Versuche bezahlt, die indes bei 75 Prozent der Paare erfolglos geblieben seien. 

Laut Gesetz haben Paare in Österreich Anspruch auf bis zu acht IVF-Versuche, deren Kosten zu 70 Prozent zurückerstattet werden können. Im Jahr 2018 führten die österreichischen IVF-Zentren im Rahmen des IVF-Fonds 10.828 IVF-Versuche an 7.088 Paaren durch. 700 Paare führten vier oder mehr Versuche durch. In 62 Fällen wurden IVF-Versuche mit Eizellspenden durchgeführt. Angaben zur Zahl der Lebendgeburten gibt es ebensowenig wie Daten zur Herkunft der Spenderinnen. 242 IVF-Versuche wurden mit anonymen Samenspenden vorgenommen.

(kap – tg)

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09. Oktober 2019, 14:42