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Der gläserne Mensch, Fluch und Segen Der gläserne Mensch, Fluch und Segen 

D: Ethiker warnt vor pränatalen Bluttests

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, hat vor einem Paradigmenwechsel durch immer neue vorgeburtliche Bluttests gewarnt.

Die Gesellschaft drohe in einen „tiefgreifenden, durchgreifenden und umfassenden Check des vorgeburtlichen Lebens“ hineinzukommen, sagte Dabrock am Dienstagabend in Berlin. In der vergangenen Woche war ein neuer Bluttest auf den deutschen Markt gekommen, der mehrere Krankheiten - darunter Mukoviszidose - beim Embryo in einem frühen Stadium erkennen soll.

„Auf die ein oder andere Weise sind wir ja alle mehr oder minder da oder dort genetisch anfällig“

Die Frage sei, wer am Ende überhaupt noch bestehen könne, sagte Dabrock bei einer Diskussion im deutschen Sozialministerium zur sogenannten Pränataldiagnostik und zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung. „Auf die ein oder andere Weise sind wir ja alle mehr oder minder da oder dort genetisch anfällig.“ Wenn sich die Gesellschaft das Leben von den in vielen Fällen hochgradig unsicheren Prognosen solcher Tests bestimmen lasse, bringe sie sich selbst in eine Unfreiheit. Zur Freiheit gehöre Verletzlichkeit dazu. Pränatale Medizin habe zwar auch viel Gutes, berge aber die große Gefahren für die Durchsetzung von Grundrechten, die jeder habe und verdiene, meinte Dabrock.

 

Behindert-Sein durch Ausgrenzung



Der Behindertenbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Jürgen Dusel, kritisierte wie auch Dabrock und andere Experten, dass die Debatte um die Bluttests sehr oft einem rein medizinischen Begriff von Behinderung verhaftet bleibe. Das eigentliche Problem sei, dass es immer noch ein Ausgrenzungs- und Armutsrisiko gebe. Zudem brauche es Dialog und Begegnungen. Dusel betonte, dass Inklusion die Umsetzung fundamentaler Grundrechte sei.

Man müsse über das Bild reden, dass die sogenannte Mehrheitsgesellschaft von Menschen mit Behinderung habe, sagte der Beauftragte. Das Leben mit einem Kind mit Behinderung sei niemals eine Bürde. Vielmehr erschwerten die Rahmenbedingungen den Eltern das Leben. „Wir müssen es schaffen, dass Familien mit behinderten Kindern die Unterstützung staatlicherseits bekommen, die sie brauchen.“

Es sei wichtig, dass werdende Eltern positive Beispiele hätten, sagte Horst Frehe vom Deutschen Behindertenrat. Man müsse sehen können, dass Barrieren überwunden werden könnten. Noch schöner wäre seinen Angaben zufolge, wenn es weniger Barrieren gäbe. Als konkrete Unterstützung nannte Frehe etwa Haushaltshilfen für Eltern mit behinderten Kindern oder alltägliche Frühförderung im Kindergarten.

 

„Straßensperre für das Leben“


Auch die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer warnt vor dem neuen Bluttest. Eine „Straßensperre für das Leben“ werde durch die immer größere Palette von nichtinvasiven Pränataltests auf genetische Auffälligkeiten errichtet, zudem würden Menschen mit Behinderungen weiter diskriminiert, Ansprüche auf ein „gesundes Kind“ gefördert und der Druck zu Abtreibungen bei Abweichungen erhöht. „Wer darf angesichts billiger und immer leichter verfügbarer Untersuchungsmethoden dann noch ungetestet ins Leben? Auf diese Entwicklungen müssen wir als Gesellschaft eine klare Antwort finden“, forderte die Geschäftsführerin des Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) gegenüber „Kathpress“.

(kap)

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23. Oktober 2019, 11:54