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„Zum ersten Mal das Gefühl, nicht behindert zu sein"

Eine Woche lang waren über 500 Teilnehmer aus 20 verschiedenen Ländern beim sogenannten Maltacamp der Malteser. Seit zehn Jahren hat das Sommercamp erstmals wieder in Deutschland stattgefunden. Das Besondere daran: Ein Drittel der Teilnehmer haben eine körperliche oder geistige Behinderung. Unser Interview mit Amelie von Aulock, der Projektleiterin des diesjährigen Camps.

Vatican News: Sie organisieren in diesem Jahr die Ferienfreizeit der Malteser speziell für Menschen mit Behinderung. Was kann man sich genau darunter vorstellen? 

Aulock: Im Prinzip wird beim Internationalen Malteser Sommerlager versucht, das Unmögliche möglich zu machen und eine abwechslungsreiche, spannende und ereignisreiche Ferienwoche für Menschen mit Behinderung zu organisieren. Das findet jedes Jahr in einem anderen Land statt – dieses Jahr in Deutschland, im vergangenen im UK, das Jahr davor in Österreich. Unsere Aktivitäten, die wir uns für diese Woche überlegt haben, waren einerseits „onside“, also in Ettal (in der Nähe von München) selbst. Wir hatten Kamele hier, Hüpfburgen und Pferde. Mit der Feuerwehr haben wir Feuer gelöscht, aber haben auch gebastelt und die Zeit vor Ort genossen. „Offside“ – also außerhalb des Camps – waren wir beim Indoor-Skydiving, beim Klettern, wir waren in der BMW-Welt und in der Allianz-Arena. Wir haben die direkte Umgebung von Ettal erkundet, aber auch einige Sachen in der Nähe von München gemacht.

Zum Nachhören

Vatican News: Das klingt nach einem abwechslungsreichen Programm. Oft werden Menschen mit Behinderung im Alltag eher ausgeschlossen. Welche Bedeutung hat es, dass diese Menschen jetzt doch die Möglichkeit haben, bei der Ferienfreizeit mitzumachen und alleine wegzufahren?

Aulock: Was das am besten auf den Punkt bringt, ist ein Zitat eines Gastes aus Irland letztes Jahr. Die hat gesagt: „I love the camp because it makes me feel I did not have disabilities for the first time in my life.“ (zu Deutsch: Ich liebe das Camp, weil ich das erste Mal in meinem Leben das Gefühl habe, ich habe keine Behinderung.) Und das ist genau das, was wir versuchen zu erreichen. Insofern glaube ich, dass diese Woche eine große Bedeutung für die Menschen mit Behinderung hat, weil sie genau so gestaltet ist, dass sie nicht das Gefühl haben, im Alltag behindert zu sein. Aber auch für alle anderen Teilnehmer – die Ehrenamtlichen – hat das auch eine große Bedeutung, weil es einfach eine sehr sinnvolle und schöne, ereignisreiche Woche ist. Es ist einfach schön, diese Woche miteinander zu verbringen!

„Hier haben sie das Gefühl, nicht im Alltag behindert zu sein“

Vatican News: Jetzt haben Sie gerade schon die vielen Ehrenamtlichen angesprochen. Solche Ferienfreizeiten sind natürlich auch mit großem Aufwand verbunden. Können Sie kurz beschreiben, wie es bei der Organisation und Planung abläuft? Welche Hindernisse gilt es da zu überwinden?

Aulock: Im Speziellen in der Vorbereitung war die größte Hürde, eine Örtlichkeit zu finden, wo wir 500 Leute unterbringen können: Wo 500 Leute essen können, duschen können und eben alltägliche Sachen verrichten können. Die zweite große Herausforderung war ein Team zu finden, das in seiner Freizeit motiviert genug ist, ein Jahr viel Zeit in das Projekt zu stecken und das Ganze mit mir auf die Beine zu stellen. Hürden waren auch speziell für unser Programmteam ein großes Thema. Denn die haben sich um die ganzen Aktivitäten gekümmert. Die mussten immer schauen: Ist alles barrierefrei zugänglich? Kann da ein Bus mit entsprechender Ladezone und Hebebühne parken, um die Rollstühle auszuladen? Gibt es da die entsprechenden sanitären Einrichtungen? Ist es überhaupt möglich, die Aktivitäten auch in Rollstühlen oder mit Menschen mit Behinderung zu machen?

Vatican News: Welche Rückmeldung bekommen Sie von den Teilnehmern, die mitmachen? Was sagen die zu Ihrer Ferienfreizeit?

Aulock: Die Rückmeldungen, die ich bekomme, sind durchweg positiv: Alle freuen sich unheimlich, hier zu sein. Sie sagen dass es so schön ist, dass es sogar die schönste Woche ihres Lebens ist. Viele sind den Ehrenamtlichen auch so dankbar, die das alles möglich machen.

„Die schönste Woche ihres Lebens“

Vatican News: Sie betreuen die Ferienfreizeit mit vielen anderen. Welche Erfahrungen haben Sie bis jetzt gemacht? Was löst das in einem aus, mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten?

Aulock: Es bereichert enorm. Es bereichert, weil wir so viele unterschiedliche Menschen haben. Wir haben das Gefühl, im normalen Alltag beschäftigt man sich immer nur mit dem Gleichen: mit den gleichen Problemen, aber auch mit der gleichen Art von Mensch. Man hängt immer nur mit den gleichen Leuten ab. Und diese Woche zeigt eben die schöne Vielfalt der Menschen - und auch, wie viele geliebte Kinder Gottes der Herrgott hat. Das bereichert ungemein. Und natürlich ist da auch die ganze Internationalität: Hier wird flämisch, französisch, italienisch, spanisch, arabisch und vieles mehr gesprochen. Dieser internationale Charakter ist einfach sehr schön, und man geht bereichert, zwar sehr müde, aber mit vielen Freundschaften nach Hause.

Vatican News: Wie sehen denn die Planungen für das nächste Jahr aus? Wird es im nächsten Jahr wieder ein Sommercamp geben?

Aulock: Ja! Es wird nächstes Jahr in Italien sein, und es wird auch ein italienisches Organisationskomitee geben. Das heißt, die Italiener organisieren das in der Nähe von Rom. Und es gibt sogar schon für die nächsten beiden Folgejahre Länder, die das Sommerlager ausrichten werden. Es geht weiter, es lebt weiter und bringt hoffentlich noch ganz vielen Menschen Freude. 

Das Gespräch führte Viktoria Michelt.

(vatican news)

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09. August 2019, 12:57