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D: „Ringen um die Wahrheit“ – Gespräch mit Bibelforscher Otto

Das Päpstliche Bibelinstitut in Rom hat in der vergangegen Woche 800 christliche und jüdische Bibelwissenschaftler aus 65 Ländern von der amerikanischen Society of Biblical Literature zur Diskussion über den Stand der Forschung versammelt. Aus diesem Anlass sprach Vatican News mit dem Münchner Alttestamentler Eckart Otto darüber, was wir heute von der Bibel lernen können.

Fabian Retschke - Vatikanstadt

Wenn sich die Forschung mit den mehr als zweitausendjährigen Texten der Bibel beschäftigt, gehe es nicht um neue Erkenntnisse, meint Eckart Otto, „sondern die Fragen der Menschen sind schon immer die gleichen. Wir sind sterblich, wir leiden, wir sind gesund und wir wollen glücklich werden im Leben“. Diese Grundfragen änderten sich nicht, konstatiert der emeritierte Professor, der viele Jahre in München lehrte, und „die Antworten der Bibel ändern sich auch nicht, sondern jede Generation muss sich die Antworten aneignen“.

Kein Fortschritt in der Theologie

Bei diesem Prozess des erneuten Anfragens der alten Texte produziert die Bibelforschung viele Kommentare und Erklärungen mit immer neuen Auflagen, die Regale füllen. Dennoch, so Eckart Otto, „gibt es in der Theologie keinen Fortschritt, ganz anders als in den Naturwissenschaften. Sondern, wir betreiben das, was die Menschen seit zweitausend Jahren immer wieder getan haben“. Das sagt der kurz vor Kriegsende in Hamburg geborene Forscher, der etliche Bücher insbesondere zum Pentateuch, also den fünf Büchern Mose, veröffentlicht hat.

Zum Nachhören

Erst seit einigen Jahrzehnten begann für die katholische Kirche eine neue Phase der Bibelforschung, losgetreten insbesondere mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Auch die Juden lassen sich immer mehr auf historische und kritische Forschung ein. Laut Otto sei das Besondere an dem interreligiösen Dialog auch bei dieser Tagung an der Jesuitenuniversität Gregoriana, „dass wir auch von den jüdischen Kollegen mit Fragen konfrontiert werden. Ein Kollege hat es mir einmal so gesagt: ‚Jeden Morgen mache ich das Fenster auf und stelle fest: Der Messias ist nicht gekommen.‘ – Da sind wir in Frage gestellt. Was sagen wir als Christen dazu?“ Die unterschiedlichen Weltsichten seien hilfreich für beide Seiten.

Die Texte nicht nur auseinandernehmen

Laut dem Exegeten, der sich viel mit der biblischen Rechtsgeschichte beschäftigt hat, ist eine Trendwende in der Bibelforschung zu erkennen: „Wir haben jetzt zweihundert Jahre der Forschung, in denen wir die Texte auseinandergenommen haben. Es kommt jetzt die Phase, wo wir sie wieder zusammenfassen müssen. Und wir müssen die theologische Substanz der Texte erkennen“. Im Gegensatz zu verschiedenen, teils fundamentalistischen Vereinfachungstendenzen stehe die Bibel für eine Bandbreite an Meinungen und lebendige Diskussionen, so Eckart. Das habe sich bis heute nicht geändert angesichts verschiedener Konfessionen, so der bekennende Protestant.

„die Menschen ringen um die Wahrheit“

„Es hat verschiedene Meinungen gegeben, die miteinander auch im Streit gelegen haben. Es gibt in diesen Grundfragen der Menschen keine jeweils endgültige Antwort, sondern jede Seite hat sie immer wieder gesucht. Insofern ist die Bibel nicht etwas völlig anderes als das, was wir heute sind, sondern die Menschen ringen um die Wahrheit. Wir als Wissenschaftler versuchen ein Stück weit, diese Diskurse und Diskussionen, die in der Antike gelaufen sind und in der Bibel noch erkennbar sind, zu erkennen und zu sehen, wo jede Seite einen wahren Aspekt erfasst hat und wo dieser Aspekt wieder in Frage gestellt worden ist. Genau so passiert es bei uns heute. Aber niemand von uns hat die gesamte Fülle und ich glaube, das ist etwas, was wir aus der Bibel lernen können. Das macht uns die Bibel gerade so menschlich“.

(vatican news – fr)

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06. Juli 2019, 16:02