In Äthiopien werden Bäume gepflanzt gegen den Klimawandel In Äthiopien werden Bäume gepflanzt gegen den Klimawandel 

Äthiopien pflanzt 350 Millionen Bäume gegen Dürre: „Vorbild für uns"

Es ist ein Weltrekord: Äthiopien hat am Montag, an einem einzigen Tag, 350 Millionen Bäume gepflanzt, um der Dürre und dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Eine solche Initiative ist in ihrer Tatkraft ein echtes Vorbild für Länder wie Deutschland, wo trotz viel Redens echte Klima-Aktionen noch nicht zustande gekommen sind, sagte uns der Afrika-Abteilungsleiter des katholischen deutschen Hilfswerks misereor, Peter Meiwald.

Vatican News: Äthiopien hat am Montag, an einem einzigen Tag, rund 350 Millionen Bäume gepflanzt und damit den Weltrekord gebrochen. Bäume pflanzen gegen die Dürre in einem einzigen Land, Äthiopien: Inwiefern ist das sinnvoll?

Meiwald: Ja, das ist eine absolut beeindruckende Zahl: 350 Millionen Bäume. Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit ist klar, dass wir viel mehr gegen den Klimawandel tun müssen, und Bäume sind da ein wesentlicher Faktor. Insofern ist das zunächst einmal eine sinnvolle Maßnahme - wenn es denn auch nachhaltig ist. Das bedeutet, wenn auch das Wasser da ist, um die Bäume am Leben zu erhalten und wenn sich Menschen darum kümmern, diese Bäume zu pflegen und zu hegen, damit sie vernünftig anwachsen können, ist das eine sehr sinnvolle Maßnahme.

Zum Nachhören

Vatican News: Wie präsent ist das Thema Klimawandel in Äthiopien, welchen Bewusstseinsstand haben die Menschen heute?

Meiwald: Die Menschen reflektieren es vielleicht nicht alle, aber sie leiden darunter.  Wir reden auch nicht mehr von Klimawandel, sondern von einer Klimakrise, weil es eindeutig in den Alltag der Menschen eingreift. Es gibt immer längere Phasen von Trockenheit und dann wiederum extreme Regenfälle, sodass die Menschen völlig betroffen sind von dem, was wir Klimakrise nennen. Es ist nicht mehr zu leugnen, dass das großen Einfluss auf das Leben und Überleben der Menschen hat. Die ganze Landwirtschaft und die Vorratshaltung muss sich umstellen. Man muss dafür sorgen, dass man sich eben sowohl gegen das Wasser als auch gegen die Dürre schützt. Das Thema ist sehr präsent.

Vatican News: Kritiker behaupten, der äthiopische Premierminister wolle mit der Baumpflanzaktion einfach vom ethnischen Konflikt ablenken, der zu 2,5 Millionen Flüchtlingen im eigenen Land geführt hat. Ist das politisches Hickhack, oder ist an dem Verdacht etwas dran?

Meiwald: Das sind schon zwei Dinge, die man unterschiedlich betrachten muss. Premierminister Abiy hat, seit er letztes Jahr ins Amt gekommen ist, viel auf den Weg gebracht, was Versöhnung mit den Nachbarn angeht, was eben auch politische Freiheit und Offenheit im Land angeht. Er hat die politischen Gefangenen freigelassen. Er hat die Oppositionsgruppen ins Land gelassen. Gleichzeitig gibt es aber dadurch auch neue Spannungen im Land, weil Menschen mit den neuen Freiheiten anders umgehen, als man das sich vielleicht erträumt hat. Es herrscht natürlich auch Kritik. Es gibt separatistische Bewegungen in einzelnen Regionen und das Problem der Binnenvertriebenen im Land, die aus ihren eigenen Herkunftsregionen vertrieben sind, ist sehr virulent. Äthiopien ist eigentlich das Land auf der Welt, das am meisten darunter leidet.

Der Premierminister hat alle Hände voll zu tun, mit möglichst viel Unterstützung auch aus der ganzen Welt dieses Thema in den Griff zu kriegen. Aber das ist unabhängig davon, dass es sinnvoll ist, sich des Klimawandels anzunehmen und dafür zu sorgen, dass das Land sich zumindest auch ökologisch besser aufstellt und die Menschen Schutz vor der Klimakrise bekommen.

Vatican News: Insgesamt will Äthiopien in den nächsten Wochen vier Milliarden Bäume pflanzen, alles unter massiver Beteiligung der Bürger. Was kann die gemeinsame Aktion in der Bevölkerung auslösen?

Meiwald: Bestenfalls führt es dazu, dass die Bevölkerung sich selbst aus so einer passiven Rolle herausnimmt und sich als Akteur wahrnimmt. Also feststellt: „Ich kann etwas tun. Ich bin zwar bedroht von der Klimakrise. Ich bin bedroht von Hunger, Durst und  Überflutung, aber ich kann zumindest einen kleinen Beitrag leisten.“ Offensichtlich wird sich die Klimakrise dadurch nicht verhindern lassen, dass jetzt perspektivisch sogar vier Milliarden Bäumen in Äthiopien gepflanzt werden. Da gibt es noch ganz andere Verantwortung an anderen Ecken der Welt...

Vatican News: Die Wälder in Äthiopien schwanden in einem Jahrhundert von 35 Prozent auf nur vier Prozent. Ist es möglich, durch diese Baumpflanzaktion die Waldfläche deutlich zu vergrößern?

Meiwald: Ja, das sind dramatische Zahlen natürlich. Es ist auch kein Einzelfall. Nicht nur Äthiopien ist davon betroffen, dass sehr viel abgeholzt worden ist, um Brennholz zu haben, um Holz zum Kochen zu haben und um Bauholz zu haben, aber auch um große landwirtschaftliche Monokulturen aufbauen zu können. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, so viele Bäume zu pflanzen und zu sagen: „Wir schützen die Gebiete, in denen wir aufgeforstet haben, auch vor Brandrodung und vor Abholzung“. Aber es ist nicht kurzfristig, die Waldfläche deutlich zu erhöhen. Da geht es darum, dass die Bäume angewachsen sind und dass sie auch wachsen und überleben können. Es geht darum, insgesamt das landwirtschaftliche Umfeld zu ökologisieren. Das heißt, Monokulturen und große Abholzungen zu vermeiden, damit große Anbauflächen für Baumwolle oder Ähnliches geschaffen werden können. Man muss auf allen Ebenen arbeiten. Das Aufforsten ist ein wesentlicher Schritt, damit es überhaupt dazukommen kann, dass wieder Wälder entstehen in einem früher sehr bewaldeten Land wie Äthiopien.

Vatican News: Inwiefern könnte dies Grün-Aktion in einem afrikanischen Land ein Vorbild auch für westliche Staaten wie Deutschland sein?

Meiwald: Zunächst einmal kann uns das auch In Deutschland beschämen, wenn man sieht, wie aktiv ein armes Land wie Äthiopien in diesem Punkt wird. Sie stellen sich der Herausforderung des Klimawandels und tun das, was in ihrer Macht steht, um es zu verhindern. In Deutschland sind wir weit davon entfernt, wenn man sieht, dass wir seit Monaten eine Klimadebatte führen und es ein Klimakabinett gibt, aber dass wirkliche Aktionen immer noch nicht zu Stande gekommen sind. Äthiopien ist schon ein Vorbild und wir können sagen: „Lass uns dahinschauen. Lass uns lernen, auch von anderen Ländern der Welt. Wir sind nicht das Vorzeigeland, was den Klimaschutz angeht in Deutschland.“

(vatican news)

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30. Juli 2019, 13:05