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Pater Max Coppabianca, Dominikaner, katholischer Studentenseelsorger in Berlin - und langjähriger Mitarbeiter von Radio Vatikan Pater Max Coppabianca, Dominikaner, katholischer Studentenseelsorger in Berlin - und langjähriger Mitarbeiter von Radio Vatikan 

Unser Sonntag: „Haben Sie eigentlich einen Life-Coach?“

Es wäre ein Missverständnis wenn wir glaubten, man müsse nur dieses oder jenes tun, wenn man Jesus nachfolgen will. Das wäre dann Selbsterlösung – also die Vorstellung, man könne sich Heil „erarbeiten“: Eine Falle, in die man auch in der Jesusnachfolge geraten kann.

Liebe Zuhörerin, lieber Zuhörer:

Haben Sie eigentlich einen Life-Coach? Das hat nichts mit einer Couch zu tun, sondern ist der letzte Schrei: Für nicht wenig Geld bieten Menschen ihre Hilfe an, um Fragen zu beantworten wie: „Haben Sie das Gefühl, festzustecken? Drehen Sie sich im Kreis? Im Coaching arbeiten Sie daran, die eingetretenen Pfade zu verlassen.“ (Zitat aus einer Webseite). Es ist also eine Art Beratung.

Das besondere an Coaching ist, dass der Coach keine Lösungsvorschläge bietet, sondern der Klient – oder der „Coachee“, wie man sagt – entwickelt sie selbst und wird dabei begleitet. Viele machen ein Coaching im beruflichen Kontext, um Probleme in der Zusammenarbeit mit Kollegen zu bearbeiten.

Zum Nachhören

So ein Coach hilft einem zum Beispiel, die richtigen Prioritäten zu setzen, wenn man sich in der Vielzahl der Aufgaben verliert und nicht mehr weiß, wo man anfangen soll. Das passiert vielen Leuten, übrigens auch Priestern und Bischöfen: Das führt dann zu Frust und Überforderung. Man schafft und tut, ist ausgelaugt und hat doch nicht das Gefühl, zufrieden zu sein. In einem Coaching nimmt man all diese Dinge kritisch in den Blick und entwickelt Lösungsstrategien.

Auch im kirchlichen Kontext gibt es immer mehr Coaching-Angebote; so nutzen zum Beispiel in meiner Hochschulgemeinde viele Studierende die Möglichkeit, sich von meinen beiden Kolleginnen coachen zu lassen. Die sind dafür eigens ausgebildet. Ich finde das gut. Das Angebot hilft den Studierenden, in Krisenmomenten klarer zu sehen und an ihre Ressourcen anzuknüpfen.

Es gibt auf dem Markt natürlich auch viele Scharlatane. Der Begriff „Coaching“ ist nicht geschützt und so muss man aufpassen, dass man nicht Leuten auf dem Leim geht, die es nur auf den eigenen Geldbeutel abgesehen haben.

Jesus schreckt ab

Im Evangelium von diesem Sonntag wird uns ein Mann vorgestellt, der voller Begeisterung zu Jesus sagt: „Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst.“ Jesus muss ein großes Charisma gehabt haben, wenn er die Leute so für sich begeistern konnte!

Aber offenbar war dieser Vorsatz doch etwas vollmundig dahin gesagt, und der Mann scheint zu zögern. Jesus schildert daraufhin seine Lebensweise: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Sehr unstet lebt da der Erlöser. Das schreckt doch eher ab.

Zwei weiteren Männern, die er einlädt, ihm nachzufolgen, zögern ebenfalls und bringen Argumente vor, warum sie nicht gleich nachfolgen können. Aber Jesus wischt diese Argumente recht unwirsch vom Tisch. Der eine will sich eigentlich nur von seinen Angehörigen verabschieden, das gehört sich schließlich so. Aber Jesus sagt: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“ Das ist schon ziemlich forsch.

Skandalös ist aber, was Jesus dem anderen abverlangt: „Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben!“, bittet dieser flehentlich. Im Nahen Osten wurden und werden die Toten immer sehr schnell beerdigt; der Vater muss also grade erst gestorben sein, und ich stelle mir vor, dass der Sohn noch ganz geschockt und in Trauer sein muss. Und was sagt Jesus? „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“ Jesus verlangt fast Unmenschliches! Ein Tag mehr oder weniger, darauf kommt es doch nicht an! Noch dazu gehört die Pflicht, die Toten zu begraben, zu den heiligsten Gütern – besonders im Nahen Osten; wieviel mehr gilt das für die eigenen Eltern. Verstößt Jesus da nicht gegen das vierte Gebot „Du sollst Vater und Mutter ehren?“

Es ist schon verstörend, wie fordernd Jesus seinen potentiellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern entgegentritt, und es ist berechtigt zu fragen, was er damit bezweckt und was das wohl für uns heute bedeutet, die wir ja auch Jesus nachfolgen wollen.

Jesus nachfolgen nach dem SMART-Prinzip?

Setzen wir vielleicht die falschen Prioritäten?

Wir haben uns ja vorhin Gedanken gemacht über Life Coaches, die einem helfen sollen, die richtigen Prioritäten zu setzen. Ich hab mich schon manchmal gefragt, was wohl passiert wäre, wenn es zu Jesu Zeiten Coaching-Angebote gegeben hätte… Hätten potentielle Jesus-Nachfolger unter professioneller Anleitung und unter Anwendung eines ganzen Methodenkatalogs versucht, daran zu arbeiten, die richtigen Prioritäten zu setzen? Hätten sie ihre Motivationen aufgedröselt, die Eigenverantwortung und Lösungskompetenz gefördert und Zielvereinbarungen verfasst, womöglich nach dem SMART-Prinzip? Das SMART-Prinzip bezeichnet 5 Kriterien, denen persönliche Ziele folgen sollen. Jeweils die Anfangsbuchstaben Sie sollen Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch und an Termine gebunden sein…

Eine komische Vorstellung! Womöglich hätte Jesus von einem professionellen Coaching ziemlich den Kopf gewaschen bekommen. Denn was Jesus verlangt, entspricht überhaupt nicht dem SMART-Prinzip…

Jesus-Nachfolge ist alles andere als spezifisch: Oder wissen Sie, was Nachfolge genau heißt? Ich würde ja behaupten, dass das Besondere am christlichen Glauben die unendliche Vielfalt der Möglichkeiten ist. Je nach Charakter und Persönlichkeit sieht Nachfolge ganz anders aus.

Ist Jesus-Nachfolge messbar? Oder gar attraktiv? „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk 9,23) hieß es vergangenen Sonntag. Das erinnert mich an die Legende, die von der heiligen Theresa von Avila berichtet wird. Diese spricht im Gebet mit Gott uns sagt mit Verweis auf den gekreuzigten Jesus: „Also, wenn Du so mit Deinen Freunden umgehst, dann wundert es mich nicht, dass Du nur so wenige hast…!“

Und ist Jesus-Nachfolge realistisch? Also möglich und realisierbar? Wenn man ehrlich ist, muss man sagen nein! Denn nach menschlichem Ermessen ist all das, was das Leben als Jüngerin und Jünger Jesu ausmacht, nicht realistisch machbar. Denken wir nur an die Feindesliebe, an das Gebot der Vergebung, aber auch an das, was Jesus im heutigen Evangelium seinen potentiellen „Followern“ abverlangt. Völlig unrealistisch!

Einzig das letzte Kriterium ist – vielleicht – anwendbar: Die Terminierbarkeit! Ich würde ja behaupten, Christsein bewährt sich vor allem angesichts des Todes. Zwar kann man den eigenen Tod nicht terminieren, aber dass man stirbt, ist unabwendbar und damit totsicher!

Über die Versuchung der Selbsterlösung

Sie sehen: Ich meine das nicht ganz ernst! Mir geht es darum, dass es bei der Jesus-Nachfolge nicht um Selbst-Optimierung geht, denn darauf zielen Angebote wie Coaching, aber auch andere Strategien, bei denen Menschen ihrem Leben eine Ausrichtung geben wollen.

Es wäre ein Missverständnis wenn wir glaubten, man müsse nur dieses oder jenes tun, wenn man Jesus nachfolgen will. Das wäre dann Selbsterlösung – also die Vorstellung, man könne sich Heil „erarbeiten“: Eine Falle, in die man auch in der Jesusnachfolge geraten kann.

Das ist auch das Problem, wenn Methoden wie das Coaching unsachgemäß angewendet werden: Coaching kann wirklich helfen, Ordnung ins eigene Leben zu bringen. Aber Coaching ist nicht in der Lage, dem Leben einen Sinn zu verleihen. Wer da falsche Erwartungen weckt ist ein Scharlatan! Leider gibt es auf dem Psychomarkt auch andere Angebote, die uns Dinge versprechen, die sie niemals einlösen können – da wird mit der Sehnsucht nach Glück und Erfüllung schlicht Geld gemacht. Ein guter Coach hilft einem Klienten religiöse Fragen zu identifizieren, aber nicht diese zu ersetzen durch Methoden der Selbst-Optimierung, oder des „Self-Enhancements“.

Der Glaube – eine fundamentale Option

Worum geht es bei der Jesusnachfolge aber dann, wenn es also nicht um die Erfüllung gewisser Kriterien und „Standards“ geht?

Es geht tatsächlich um die fundamentalen Optionen im Leben, um die grundsätzliche Ausrichtung meiner Existenz, nicht um diese oder jene Verhaltensweise.

Theologen erinnert das an die alte Diskussion um die Werkgerechtigkeit, die Martin Luther so stark kritisiert hat. „Sola Gratia“, allein die Gnade war seine Antwort auf die Frage, wie der Mensch gerechtfertigt werden kann. Es ist gut, dass es in dieser Frage keine interkonfessionellen Differenzen mehr gibt.

Aber die religiöse Frage, die dahinter steckt, die ist bis heute aktuell. Wir suchen zwar nicht den gnädigen Gott der Bibel, aber wir jagen dem Versprechen nach Erfüllung und Glück nach.

Und das ist vielleicht die etwas unbequeme Botschaft dieses Evangeliums. Manche „verkaufen“ den christlichen Glauben als eine Glücksversprechung, so als werde dem Christen ein erfülltes Leben garantiert. Auch wenn genau dies anscheinend sogar von empirischen Erhebungen bestätigt wird, der sog. „Glücksforschung“, so geht’s in der Nachfolge nicht zuallererst darum, dass Bedürfnisse befriedigt werden.

Wer will schon ans Kreuz?

Das meint der schroffe Satz Jesu „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Ziemlich ungemütlich und wenig attraktiv, um Menschen zur Nachfolge zu bewegen, oder? Theresa von Avila hat nicht Unrecht: Wer will schon ans Kreuz?

Ja heißt das, dass man als Christ also gar nichts erwarten darf und sozusagen einen Blankocheck auf den Glauben ausstellen muss? Sich auf Gott einlassen und mit dem Schlimmsten rechnen?

Das wäre wohl unmenschlich; und ich denke immer wieder gerne an einen etwas kauzigen, mittlerweile verstorbenen Mitbruder im Dominikanerorden P. Isnard Frank. Er war Schwabe und entsprach in mancher Hinsicht auch dem Klischee eines Schwaben! Wie gesagt, ich mochte ihn sehr! Seine Frage war immer: Was bringt mir das? Keiner würde sich auf Jesus einlassen, wenn es nicht die Aussicht auf Lohn gäbe, war seine These.

Gottes Handeln

Er hatte Recht und Unrecht zugleich. Glauben meint eine fundamentale Entscheidung und umfasst das ganze Leben. Man kann nicht ein bisschen glauben, genauso wenig wie man ein bisschen schwanger sein kann. Das meinen die radikalen Worte Jesu im heutigen Evangelium! Er will klar machen, dass Nachfolge nicht ein Drehen am Stellschräubchen hier und da in Sachen Persönlichkeitsentwicklung ist. Das berührt die religiöse Ebene, wo menschliche Kriterien überstiegen werden. Es kann im Glauben keine SMART-Analysen geben; Gottes Handeln kommt da ins Spiel und das folgt nicht menschlichen Kriterien.

Also noch mal klipp und klar gesagt: Natürlich folge ich Jesus nach, weil ich etwas erwarte: Ewiges Leben und Erfüllung. Aber diese Nachfolge garantiert nicht, dass wir in diesem Leben die besseren oder gar glücklicheren Menschen sind, noch dass wir schöner aussehen oder besonders attraktiv für andere sind!

Das ist ein Paradox, aber verdeutlicht noch einmal, wie fundamental die Entscheidung ist, um die es geht!

Falls Sie jetzt denken: „O Gott, wie soll ich das machen? Ich bin doch noch so kleingläubig!“ Falls Sie, wie ich, ein Zweifler vor dem Herrn sind und lieber zweimal über eine wichtige Frage grübeln, also frisch und frei draufloszugehen, dann sei Ihnen zugesichert: Machen Sie sich keine Sorgen! Sie brauchen dafür kein Coaching und müssen nicht ihre Persönlichkeit perfektionieren, damit sie „korrekt“ nachfolgen können. Sie müssen nur um die Gnade bitten, dass Gott Sie auf den Weg der Nachfolge führt und ihnen jenen fundamentalen Glauben schenkt, der in seiner Kirche lebendig ist und durch Taufe und Eucharistie genährt wird.

Nur diesen Glauben! Und dann ist es auch gut! Alles Weitere können Sie – falls nötig und gewünscht – gerne Ihren Coaching-Sitzungen überlassen!

 

Zum 30.6. - 13. Sonntag im Jahreskreis - Lk 9 51- 62

Jesus fasste den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. Ich will dir folgen, wohin du auch gehst

Als sich die Tage erfüllten,
dass er hinweggenommen werden sollte,
fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen.
Und er schickte Boten vor sich her.
Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samaríter
und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen.
Aber man nahm ihn nicht auf,
weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen,
sagten sie: Herr,
sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt
und sie verzehrt?
Da wandte er sich um und wies sie zurecht.
Und sie gingen in ein anderes Dorf.
Als sie auf dem Weg weiterzogen,
sagte ein Mann zu Jesus:
Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst.
Jesus antwortete ihm:
Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester;
der Menschensohn aber hat keinen Ort,
wo er sein Haupt hinlegen kann.
Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach!
Der erwiderte:
Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben!
Jesus sagte zu ihm:
Lass die Toten ihre Toten begraben;
du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
Wieder ein anderer sagte:
Ich will dir nachfolgen, Herr.
Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind.
Jesus erwiderte ihm:
Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat
und nochmals zurückblickt,
taugt für das Reich Gottes.

(vatican news – claudia kaminski und stefan von kempis)
 

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28. Juni 2019, 17:23