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Bis sogar bei den Jugendprotesten hat es Rezo geschafft Bis sogar bei den Jugendprotesten hat es Rezo geschafft 

D: Kirche kann von Youtubern lernen

Die Macht der Internet-Influencer und die Bedeutung von Youtubern ist in Deutschland spätestens seit dem Video des Youtube-Bloggers Rezo vor der EU-Wahl in aller Munde. Ein junger Mann hat die Kommunikation der großen Volksparteien – allen voran der christdemokratischen CDU – ins Schwanken gebracht. Könnte das auch der katholischen Kirche passieren? Dazu haben wir mit der Digital-Expertin Ariadne Elisabeth Klingbeil gesprochen.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Klingbeil ist „Digital-Strategin“ und Unternehmensberaterin; außerdem ist sie Teil der Expertengruppe „Social Media und der AG Digitalisierung und KI“ der Deutschen Bischofskonferenz. Sie ist bei MDG GmbH Medien-Dienstleistung GmbH tätig.

Zum Nachhören

Die Macht des Internets besteht nach landläufiger Wahrnehmung gerade darin, dass dort jeder seine Meinung bekunden kann und diese dann weltweit und jederzeit abrufbar ist und kaum wieder entfernt werden kann. Mit dem Youtube-Video von Rezo spürte eine „alteingesessene Institution“ wie CDU, dass die „Jugendsprache im Internet“ und die virale Verbreitung bisher bewährte Kommunikationsabläufe nichtig machen. Aber was sind denn eigentlich Youtube-Blogger und Influencer? Klingbeil erläutert:

„Der Begriff des Influencers ist im kirchlichen Kontext besser zu verstehen, wenn man das Verb betrachtet: Das ,Influencing' oder vielmehr das ,Sinn-fluencing'. Auf Deutsch bedeutet das konkret, jemanden mit den Dingen, die man weiß und den Erfahrungen, die man gemacht hat und der Art und Weise, die man selbst lebt, anderen zu zeigen, wie man ein sinnvolles Leben leben kann. Ihnen dies als Möglichkeit aufzuzeigen, dem anderen das eigene Verhalten und Denken zu erklären und so damit Halt und Gemeinschaft anzubieten."

Influencer sind Sinn-Fluencer

Im Grund sei jeder Mensch ein Influencer in dem Moment, in dem er mit anderen Menschen in Kontakt tritt.

„Auch Pfarrer, Bischöfe und Kardinäle sind das. Aber dank der neuen Medien ist es nun auch jedem einzelnen Menschen und Kirchenglied, jedem Christen möglich, sich mitzuteilen. Je intensiver das ausgeübt wird, je mehr der Einzelne dazu bereit ist, seinen Glauben zu kommunizieren, je intensiver wird seine Präsenz in der Öffentlichkeit."

Im evangelischen Raum gebe es einen etwas mutigeren Umgang Einzelner im Mitteilen des Glaubens, sagt Klingbeil. 

„Pastor Gunnar Engel, unendlichgeliebt.de, Seligkeitsdinge oder Theresaliebt sind nur einige Beispiele. Auf der katholischen Seite ist dieser Weg der Öffnung zur Welt vorsichtiger. Aber: Personen wie Anselm Grün, Josef "derboivomseminar" oder der Diakon Christian Jasper machen es mutig vor. Das Erzbistum Köln hat in diesem Jahr sogar fünfzig junge oder werdende Priester dazu in ein zweitägiges Smart-Camp geschickt, damit diese das Handwerkszeug dafür erlernen."

Eine interessante Entwicklung beobachtet die Expertin bei bestimmten US-amerikanischen Frauenorden, die damit beginnen, diesen Kanal zu nutzen - und dabei erhebliche Reichweiten haben. Schwester Beata Claire - auf Instagram unter @claremsf - habe gut 30.000 Abonnenten.

„Gerade für die katholische Kirche ist dieser Weg interessant“

Ob die katholische Kirche eigene Influencer haben sollte und davon profitieren würde, meint Expertin Klingbeil:

„Gerade für die katholische Kirche ist dieser Weg interessant, denn die Besonderheiten und die Schönheit, die der christliche Glaube in der katholischen Prägung in sich trägt, sind es wert, geteilt werden zu dürfen. Es ist kein Generationenproblem, dass Menschen stiller werden um ihren Glauben. Es hat viel mehr mit Unsicherheiten, Unkenntnis, fehlender Orientierung und mangelndem Vertrauen zu tun. Jemand, der wahrhaftig nach außen sein Innerstes zeigt, ist ein Geschenk für die Kirche. Ja, ich denke, der Kirche ist dies durchaus zuträglich. Denn es ist liebevoll und demütig, sich zu offenbaren. Und es gibt der Kirche die Möglichkeit, ihre Spiritualität sichtbar werden zu lassen.“

„Nur wer seine Fehler kennt, kann daran wachsen“

Doch zeigt das Beispiel Rezo, dass Influencer eben auch unschöne Seiten aufzeigen und damit Millionen von jungen Menschen in Deutschland erreicht. Das, stellt Klingbeil klar, ist aber kein Grund, sich vor Influencern zu füchten. Die Kirche solle Leute wie Rezo vielmehr als „eine Chance begreifen".

„Denn nur wer seine Fehler kennt und Kritik begegnet, kann daran wachsen. Und durch die sozialen Medien ist ein Rückkanal geschaffen worden, in dem ein Austausch und tatsächliche Kommunikation stattfinden kann. Sie verleihen der Kirche sozusagen 'Flügel', die Kirche muss nur lernen, diese auch zu bewegen.“

Wenn man genau hinschaut, so fällt auf, dass Youtube-Videos im Stil von Rezo einer Predigt beim Gottesdienst sehr ähnlich sind. Da werde „von der Kanzel herab“ eine Botschaft vermittelt.

„Nun, es sind durchaus Strukturgleichheiten gegeben. Es sind kurze, schnell zu erfassende Formate, die auf Verständlichkeit angelegt sind und die meistens motivieren und erbaulich sein sollen. Aber im Grunde sind sie nicht wirklich vergleichbar. Allerdings ist der wichtigste Zusammenhang, dass es bei beiden auf die Möglichkeit ankommt, Inhalte zu kommunizieren. Und insofern: Ja, es ist als ein möglicher Kanal denkbar. Und im Übrigen wird es auch bereits genutzt, zum Beispiel in Form von Gottesdiensten, die gestreamt auf Youtube abrufbar sind“, so Klingbeil.

(vatican news)

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07. Juni 2019, 10:56