Sr. Lea Ackermann Sr. Lea Ackermann 

Lea Ackermann: „Beim Menschenhandel geht es brutaler zu als im Tierreich“

Sie war auch dabei: die deutsche Ordensfrau Lea Ackermann kämpft seit Jahrzehnten gegen Menschenhandel und zwar nicht nur im Süden der Welt sondern auch in ihrer Heimat Deutschland. Schwester Ackermann hat das Netzwerk Solwodi* gegründet und durfte bei der Anti-Menschenhandel-Konferenz im Vatikan auch kurz mit Papst Franziskus sprechen. Wir trafen die Ordensfrau im Anschluss.
Zum Nachhören

Stefan von Kempis und Mario Galgano – Vatikanstadt

Vatican News: Was ist Ihr Eindruck von der Konferenz und vom Beitrag des Papstes?

Lea Ackermann: Von der Konferenz bin ich sehr begeistert, weil wirklich Vertreterinnen und Vertreter aus der ganzen Welt dabei waren. Sie konnten von ihrer Arbeit erzählen. Vor allen Dingen war es mein Thema, was da angesprochen wurde: Hilfe für Frauen in Not und Frauen, die sogar Opfer von Menschenhandel wurden. Und es wurde ein klares Nein zur Prostitution geäußert. Das waren meine zwei Anliegen, und die wurden auch von den anderen Konferenzteilnehmern angesprochen. Das fand ich sehr interessant. Einige Frauen, die wir beraten und betreuen zum Beispiel in Deutschland, würden gerne wieder in ihr Land zurückgehen, wenn wir die Möglichkeit schaffen, dass sie dort selbstständig sein können, also eine Arbeit haben - und da ist es immer gut, wenn man ein gutes Netzwerk hat. Im vergangenen Jahr haben sich 2.670 Frauen erstmalig an die Beratungsstellen von Solwodi in Deutschland gewandt. Wir haben 19 Beratungsstellen und Schutzhäusern in der Bundesrepublik. Da ist es wichtig, dass wir über ein breites Netzwerk verfügen und auch mal bei einer Stelle anrufen können, um zu fragen, welche Chance eine Frau dort haben könnte.

Es war für mich auch sehr schön, dem Papst die Hand zu schütteln; ihm sagen zu können, dass ich mich seit 35 Jahren gegen Menschenhandel einsetze und für ein klares Nein zur Prostitution einstehe. Ich konnte ihm auch sagen, was mein großes Anliegen ist: dass die Frauen in der Kirche gleichgestellt werden sollten. Und das habe ich ihm auch gesagt.

Vatican News: Ist er da zusammengezuckt?

Lea Ackermann: Also, er hat ganz freudig reagiert auf den Einsatz gegen Prostitution und Menschenhandel. Die gleiche Freude konnte ich nicht sehen, als ich von der Gleichstellung sprach. Aber ich denke oft, er packt so viele Themen an, die unerwünscht sind, die man so leicht unter dem Teppich kehrt. Ich hoffe, dass ihm noch viel Zeit bleibt und dass er auch dieses Thema noch vertieft.

Vatican News: Die starke Vernetzung – gerade unter Ordensfrauen – gegen Menschenhandel ist doch sehr beeindruckend. Gleichzeitig sehen Sie sich da aber auch einem wahnsinnigen Phänomen gegenüber. Das sind doch ungleich verteilte Kräfte.

Lea Ackermann: Darin, dass es möglich ist, aus Menschen so leichtfertig Waren zu machen, sehe ich eine Brutalisierung unserer Gesellschaft. Und dass diese Menschen auch noch aufs Brutalste  missbraucht werden, ist schlimm. Und das gilt auch für den Organhandel. Das ist für mich ein ganz großes Problem: wie können Menschen mit anderen Menschen so umgehen? Das ist doch brutaler als im Tierreich. Das ist etwas, was ich Mühe habe zu verdauen. Man kann Gott nicht für alles verantwortlich machen, was Menschen tun.

Vatican News: Prostitution ist in Deutschland auch nach einschlägigen Gesetzesänderungen ein so starkes Phänomen, dass manche – und Sie gehören auch dazu – sogar von dem ,Bordell Europas´ sprechen.

Lea Ackermann: Ich habe von Anfang an gesagt, dass ein Gesetz, welches Prostitution als Beruf wie jeden anderen einstuft, einfach menschenrechtsverletzend ist. Das geht doch nicht! Wir haben in unserem Grundgesetz – und ich bin glücklich, dass wir das Grundgesetz haben – ganz am Anfang den Satz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Damit geht Prostitution gar nicht. Als wir 2002 dieses Gesetz gemacht haben, wurden Bordellbetreibern, Menschenhändlern und Zuhältern Tür und Tor geöffnet. Ich habe mich von Anfang an dagegen gewehrt, denn zwei Jahre zuvor hatten die Schweden ein ganz anderes Gesetz eingeführt: käuflicher Sex wurde dort verboten. In Schweden sagte man, dass die Käufer den Markt bestimmen, und da ist es ganz klar, dass die Käufer Frauen und Kinder zur Ware machen. Deshalb gehört es verboten. Doch wir haben es legalisiert, und damit ist der Menschenhandel noch stärker gewachsen. Man muss sich einmal nur vorstellen, wieviel Geld diese Bordellbetreiber mit den Frauen machen.

*Solwodi ist die Abkürzung für „Solidarity with Women in Distress“, zu Deutsch: Solidarität mit Frauen in Not. Die Ordensfrau Lea Ackermann von der Gemeinschaft der Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika (Weiße Schwestern) gründete diese seit 1987 in Deutschland aktive Organisation 1985 in der Sextourismus-Hochburg Mombasa an der kenianischen Küste.

(vatican news)

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11. April 2019, 14:40