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Die Beratungen in Washington Die Beratungen in Washington 

Adveniat-Experte zu Amazonas-Synode: Antwort auf drängende Fragen

Die Vorbereitung zur großen Amazonas-Synode im kommenden Oktober werden konkret: Drei Tage lang (19.-21.3.2019) haben sich zu diesem Zweck hochrangige Kirchenvertreter, Politiker und Experten aus aller Welt in Washington zusammengesetzt. Mit dabei war auch Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung des katholischen Hilfswerkes Adveniat. Er zeigte sich im Gespräch mit Vatican News begeistert von der Reichweite des Treffens und den konkreten Antworten, die auf aktuelle Fragestellungen erarbeitet wurden.

Christine Seuss - Vatikanstadt

„Es war wirklich erstaunlich zu sehen, wie hoch das Interesse von Seiten der Vereinten Nationen, von Seiten nichtkirchlicher Vertreter der indigenen Völker im Amazonasgebiet und darüber hinaus von Seiten verschiedener internationaler Organisationen wie zum Beispiel aus Asien, Afrika oder Ozeanien ist“, berichtet Wieland von seinen Eindrücken. „Erstaunlich war es auch zu sehen, wie dieser Impuls, den Papst Franziskus mit dieser Amazonassynode in Gang gesetzt hat, über die Kirche hinaus ein großes Interesse erfährt. Der Schrei der Armen und der Schrei der Umwelt, Gottes Schöpfung, ist nicht mehr zu überhören. Und darauf muss die Kirche reagieren.“

Zum Nachhören

„Neue Wege für die Kirche. Zu einer integralen ökologischen Pastoral“ ist das Oberthema der Beratungen, zu denen Papst Franziskus im Oktober 2019 in den Vatikan eingeladen hat. Und auch in dieser thematischen Doppelung werde klar, dass es um viel mehr gehe als nur die Umwelt, ist sich Wieland sicher: „Diese beiden Aspekte geben auch Antwort auf die große Frage, die in vielen Teilen der Weltkirche zurzeit eine Rolle spielt, nämlich der Umgang mit sexualisierter Gewalt in kirchlichen Strukturen.“

Antwort auf den Schrei der Schöpfung und die dringend notwendige Reform der katholischen Kirche

„Neue Wege für die Kirche“, das heiße, wie in dem Papstschreiben an das Volk Gottes formuliert, ein Abrücken vom Klerikalismus und eine breitere Beteiligung der Gläubigen an den Belangen und Entscheidungen der Kirche, betont Wieland. Und die Vorbereitung der Amazonassynode sei dafür ein konkretes Beispiel, etwa 20.000 Menschen hätten an den bislang 50 Vorbereitungstreffen im Amazonasgebiet teilgenommen, um ihre Eingaben für die Synode im Oktober zu formulieren.

„Da ist etwas Wirklichkeit geworden, was der Papst als eine wichtige Antwort auf die Frage der sexualisierten Gewalt in der Kirche gibt, nämlich: das Volk Gottes nimmt das Heft in die Hand. Denn die Frage der sexualisierten Gewalt ist eine Frage von Macht, nicht der Sexualität. Dort, wo Menschen in der Kirche aktiv werden, da wird andere Form von Macht ausgeübt, da bekommt das Volk eine Stimme. Und deswegen gibt das sowohl Antwort auf den Schrei der Schöpfung und den Schrei der Armen, als auch auf die dringend notwendige Reform der katholischen Kirche nach diesen Skandalen.“

Wie wird es mit den indigenen Traditionen weitergehen?

Überrascht habe ihn, wie hoch die Einigkeit aller Teilnehmer an dem Treffen in Bezug auf die Rechte der indigenen Völker weltweit gewesen sei, erzählt Wieland. Gleichzeitig bestehe ein großer Konsens darüber, dass mit Blick auf den Klimawandel der Handlungsbedarf jetzt bestehe.

„Unterschiede und Spannungen bestehen meiner Wahrnehmung nach an einem Punkt, nämlich, welche Rolle spielen die spirituellen Traditionen, die Religionen der indigenen Völker in der katholischen Kirche? Verabschieden wir uns als Kirche davon, zu wissen, wie der Weg zu Gott aussieht und akzeptieren wir die indigenen Religionen als gleichberechtigte Gesprächspartner in einem Dialog auf dem Weg zu Gott, oder muss ich die katholische Form des Christseins inkulturieren und bringen wir quasi die Botschaft schon mit? Das ist nach meiner Einschätzung die spannende Frage, die auch auf diesem Treffen hier in Washington nicht gelöst werden konnte und die nach meiner Einschätzung auch in Rom noch hervorrufen wird, welches Gesicht der Kirche wird es denn in Zukunft geben? Werden die indigenen Traditionen und Riten Platz finden, oder nicht?“

Die Anliegen der Ureinwohner auch vor dem US-Kongress

Der brasilianische Präsident Bolsonaro, der zeitgleich zu dem Amazonas-Gipfel in Washington auf Staatsbesuch war, habe bei den Beratungen zwar nicht vorbeigeschaut, scherzt der Adveniat-Expert. Dennoch seien er und sein Apparat höchst interessiert daran, was sich in Bezug auf das Amazonasgebiet da zusammenbraue:

„Der brasilianische Geheimdienst hat kirchliche Einrichtungen infiltriert, um genauer mitzubekommen, was da im Gange ist… Heute Morgen sind einige Mitglieder unserer Gruppe, zu denen auch Indigene aus Brasilien gehören, zum US-Kongress gegangen. Dort wird heute auch eine Anhörung mit einigen ausgewählten Kongressabgeordneten stattfinden, so dass wir hoffen, dass dort neben den offiziellen Regierungsstimmen aus Brasilien auch die Anliegen der Indigenen und armgemachten Menschen Gehör finden. Das heißt, es gibt ein großes Interesse auch im politischen Washington an dem, was im Amazonasgebiet passiert.“

Ein „historisches Ereignis“

 

Neben der Kirche seien viele Einrichtungen der Vereinten Nationen, das Forum der indigenen Völker und Umweltschutzorganisationen breit und über die gesamte Dauer des Treffens vertreten gewesen, würdigt Wieland die Resonanz und im Lauf der Beratungen geknüpften Kontakte:

„Ich habe den Eindruck, es handelt sich wirklich um ein historisches Ereignis, denn ich habe schon lange nicht mehr gesehen, dass eine kirchliche und päpstliche Initiative eine solche Breitenwirkung entfalten konnte, wie sie die Frage nach dem gemeinsamen Haus, in dem sowohl die Menschen als auch die Natur und unsere Umwelt geschützt werden müssen, gefunden haben. Das ist eine Reaktion auf die Enzyklika Laudato si und eine Konkretisierung der Enzyklika selbst, in der Peripherie, vom Amazonasgebiet aus, mit weltweiter Wirkung.“

Verschiedene Perspektiven auf die Probleme des Amazonas-Gebietes

Die konkreten Ergebnisse seien vor allem in den fünf regionalen Arbeitsgruppen entwickelt worden, erläutert Wieland. Diese seien denn auch je nach Regionalgruppe unterschiedlich ausgefallen – doch insbesondere für Europa stelle sich die Frage nach nachhaltigen finanziellen Investitionen. Denn es sei kaum vermittelbar, wenn kirchliche Einrichtungen mit Spendengeldern Projekte zur Armutsbekämpfung finanzierten, auf der anderen Seite aber mit kirchlichen Investitionen die Firmen unterstützen, die diese Projekte konterkarierten. Hier müsse auch darüber nachgedacht werden, solchen Fonds das Geld zu entziehen - ein „konkretes Ergebnis der Beratungen mit Blick auf Europa“.

Die Kirche habe jetzt eine einmalige Chance, eine Antwort auf eine der „zentralen Fragen“ dieser Welt zu geben, meint Wieland. Bedauerlich sei jedoch, dass diese teils mehr Echo außerhalb als innerhalb der Kirche selbst zu finden schienen, so der Adveniat-Experte: „Ein großes Anliegen ist, dass sich die Gemeinden in Europa, in Deutschland ebenfalls mit dieser Thematik befassen. Wie ich aus eigener Anschauung sagen kann, ist es ungeheuer bereichernd und macht froh zu sehen, dass Kirche geerdet ist und auf zentrale Fragen Antworten gibt oder mit auf der Suche danach ist. Wir sollten also auch in unseren Gemeinden diese Thematik stärker behandeln und in den Blick nehmen, denn es ist eine Konkretisierung unseres Glaubens, eine Konkretisierung unseres Evangeliums, was hier in diesem Prozess passiert.“

(vatican news)

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22. März 2019, 16:06