Kuppel des Petersdoms Kuppel des Petersdoms 

D: „Reform funktioniert nur im Rahmen der Tradition"

Um die Kirche „Ecclesia semper reformanda“ neu zu gestalten, muss man nicht immer alles neu erfinden. Man könne die „Heilmittel“ auch in der Tradition suchen, betont der Kirchenhistoriker Hubert Wolf im Interview mit dem Deutschlandfunk am Sonntag.

Mit Blick auf die Kurienreform merkt er an, dass man schon im Pontifikat von Benedikt XVI. gesehen habe, „dass die Zusammenarbeit in der Kurie nicht funktioniert hat, weil es Grüppchen gab“. Dafür gebe es im Grunde zwei Heilmittel: „Das eine – eher mittelalterliche – war das Konsistorium. Konsistorium hieß: Die damals 12 bis 20 Kardinäle – mehr waren es nicht – treffen sich täglich mit dem Papst und besprechen die Dinge, die in der Regierung anstehen.“

[ Quid vobis videtur? ]

Diese habe der Papst um ihre Meinung fragen müssen, um dann zu entscheiden. Die neuere Institution sei die Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten, die 1815 gegründet worden sei - nach der Katastrophe Napoleons. Der damalige Papst Pius VII. habe sie nach der französischen Gefangenschaft unter Aufnahme der wichtigsten Chefs der Kurie als eine Art „vatikanischen Sicherheitsrat“ oder „Kabinett“ gegründet. 

Historische Erkenntnisse zu wenig genutzt

Diese zwei „Heilmittel“ seien lange Zeit erfolgreich praktiziert worden. Darum sei es legitim, jetzt zu prüfen, ob sie Papst Franziskus beim „Abstellen der Kurienkrankheiten“ helfen könnten. Wolf sieht sich dabei als Historiker, nicht als Religionssoziologe oder Dogmatiker: „Für mich gibt es zwei Blickrichtungen von Reformen. Die eine ist eine „reformatio in melius“ – in die Zukunft, da brauche ich neue Ideen. Die andere, ursprüngliche Form von Reform heißt zurückformen auf etwas Früheres, also im Rahmen der Tradition bleiben.“ Darüber könne dann in der Theologie, aber auch in der ganzen Kirche diskutiert werden.

Leider sei genau das nicht ausreichend geschehen: Dass „historische Erkenntnisse eine Rolle gespielt“ hätten. Kirchengeschichte sei eher als „langweilig“ abgetan worden. Dort aber lerne man, so Wolf, dass beispielsweise Martin von Tours Laie war und als Laie Tote habe auferwecken können: „Und dann schreibt Sulpicius Severus, wie Angenendt dann schon fast süffisant herausarbeitet, den Moment, wo er dann die Bischofsweihe erhält, ist es mit seiner Wunderkraft vorbei“. Das zeige, dass es neben dem Amt Möglichkeiten und Kompetenzen gebe, die mit Radikalität und Nachfolge zu tun hätten.

Keine abendländische Kultur ohne Islam

Mit Blick auf andere Religionen betont der Historiker: „Auch der Islam, wie jede große Buchreligion auch, hat natürlich eine Tradition – genauer gesagt, eine immense Auslegungsgeschichte des Korans.“ So treffe man in dessen Formierungsphase auf einen ganz anderen, wesentlich weiteren Islam als den in unseren heutigen Köpfen. In der Forschung komme diese Pluriformität des Islams mittlerweile auf den Tisch.

Wolf ist davon überzeugt: „Ohne den Islam, und ohne den Islam in Spanien, gäbe es das, was wir uns heute als abendländische Kultur vorstellen, nicht.“ Wir hätten dem Islam eine ganz entscheidende Funktion der Vermittlung von Wissensbeständen, die sonst weg gewesen wären, zu verdanken. Auch zeigten neuere Forschungen aus der islamischen Theologie bezeichnenderweise auch einen Islam der Barmherzigkeit: „Das, was ja nun im Moment bei uns auch eine ganz große Rolle spielt“.

Vorbild Judentum: Minderheitsmeinung bewahren

 

Als Mitglied im Exzellenzcluster Religion und Politik spreche er seit Jahren mit evangelischen, katholischen, muslimischen, jüdischen Theologinnen und Theologen. Dort habe er auch viel von jüdischen Theologen gelernt. In der jüdischen Tradition sei es so: „Man bewahrt alles auf, selbst wenn es nur ein Gelehrter gesagt hat, weil irgendwann einmal die Zeit kommen wird, wo man sich auf diese Minderheitsmeinung wird stützen können.“

(dlf – ck)

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17. Februar 2019, 14:22