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Joseph war hier: Die Pyramiden von Gizeh Joseph war hier: Die Pyramiden von Gizeh 

Für den Gabentisch: Thomas Mann, „Joseph und seine Brüder“

War Thomas Mann einer der größten religiösen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts? Wer die neue „Frankfurter Ausgabe“ seiner Josephsromane in die Hand nimmt, kann das nur mit Ja beantworten. Um es gleich zu sagen: Diese Ausgabe gehört auf möglichst jeden Gabentisch!

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Denn die im S. Fischer Verlag erschienene, erste textkritische Edition von „Joseph und seine Brüder“ erschließt ganz neu ein Hauptwerk Manns, den man eigentlich eher für „Buddenbrooks“, „Doktor Faustus“ oder den „Zauberberg“ kennt. Dass die biblische Josephsnovelle, also ein dezidiert religiöses Sujet, ihn (übrigens auf den Spuren Goethes) zu seinem wirklichen Opus magnum inspiriert hat – eine richtiggehende „Arbeit am Göttlichen“, in die Mann fast zwei Jahrzehnte investiert hat –, das wird mancher erst anhand dieser epochemachenden Ausgabe begreifen.

Eine epochemachende Ausgabe

Noch nie wurde erschlossen, wie viele Facetten die „Josephsromane“ haben: Manns Antwort auf den Nationalsozialismus. Seine Wiederentdeckung des Judentums – wobei die neutestamentliche Welt und mit ihr das Christentum einen „Subtext“ bildet. Ein, natürlich, sehr europäisches Buch, in das aber auch Manns Amerika-Erfahrungen eingehen (Joseph, der Ernährer, als Antizipation Roosevelts!). Ein Buch voller Humor gegen die Verhärtungen der Zeitläufte, womit Joseph zu einem erstaunlichen Bruder des Hochstaplers Felix Krull gerät. Die Liste der Facetten und Nuancen ließe sich mühelos fortsetzen.

Zum Nachhören

Zu den Kommentatoren der Josephstrilogie gehört der große Ägyptologe Jan Assmann – ein Glücksfall für die Thomas-Mann-Welt. Denn dieser Forscher, der vor Jahren auch die Debatte zu Monotheismus und Gewalt initiierte und ein wegweisendes Buch zum Exodus verfasst hat, war schon immer ein Grenzgänger zwischen dem Historischen und dem Literarischen. Hier erschließt er den antiken Orient auf den Lübecker Großschriftsteller hin. Das sorgt für ein intellektuelles Knistern und stetig neue, überraschende Einsichten.

Der Brunnen der Vergangenheit ist tatsächlich tief...

Schon immer konnte man Manns „Joseph“ angesichts seines mediterran-heiteren Tons mit einem Lächeln auf den Lippen lesen. Erst mit dieser Edition aber wird ersichtlich, wie tief der „Brunnen der Vergangenheit“, in den der Autor scheinbar spielerisch hinabstieg, tatsächlich ist. Die Verantwortlichen der „Frankfurter Ausgabe“ lösen ihren hohen Anspruch tatsächlich ein.

(vatican news)

Thomas Mann, Joseph und seine Brüder. Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Fischer Verlag, 4 Bände
 

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22. Dezember 2018, 12:00