Archivbild: Botschafter Michael Koch und Papst Franziskus Archivbild: Botschafter Michael Koch und Papst Franziskus 

Friedensbotschaft aus Sicht der Diplomatie: Frieden qualitativ verbessern

Die Weltfriedensbotschaft 2019 von Papst Franziskus richtet sich nicht nur an Politiker, auch wenn es dem Titel nach um „gute Politik für den Frieden“ geht. Davon ist auch der Botschafter Deutschlands beim Heiligen Stuhl, Michael Koch, überzeugt, wie er im Interview mit Vatican News betont.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Vatican News: Herr Botschafter, an diesem Dienstag hat der Vatikan die Botschaft des Papstes zum Weltfriedenstag veröffentlicht. Darin geht ja um die gute Politik. Sie sind zwar nicht Politiker, sondern Diplomat, aber was hat denn diese Botschaft von Papst Franziskus für Sie, als Diplomat, aus Ihrer Sicht für eine Bedeutung? Wie schätzen Sie diese Botschaft ein?

Botschafter Koch: Nun ich glaube, die Kernbotschaft dieses Papiers ist die Aussage, dass alle gute Politik auf den Frieden zielen sollte. Und ich meine, dass das in der Tat der Kern des Ethos meines Berufes des Diplomaten ist. Diplomatie endet da, wo kein Frieden ist. Denn dann kann man nicht mehr miteinander reden. Deswegen ist es immer und zu allen Zeiten die erste Voraussetzung für Diplomatie, Frieden wenigstens in einem ganz einfachen Sinne zu schaffen: Nämlich die Abwesenheit von Gewalt. Aber im weiteren Sinne so, wie es der Papst in diesem Papier beschrieben hat. Denn es geht natürlich darum, diesen Frieden selber qualitativ immer weiter zu verbessern. Also geht es darum, wenn ich diesen Text lese, wie ich mich sehr unmittelbar in meinem Tun, in meinem Beruf, in meiner Arbeit bestärkt und ermutigt fühle.

Das Interview - zum Nachhören

Vatican News: Gibt es auch konkrete Vorschläge, die jetzt aus diesem Papier an Sie als Diplomat gerichtet sind und sagen: Das ist ein konkreter Schritt. Vielleicht würden Sie das als Diplomat auch selber tun oder auch etwas, dass Sie der Bundesregierung weiterleiten würden oder der Politik in Deutschland?

Botschafter Koch: Nun ich glaube, dieses Papier will vor allem auf einer relativ abstrakten Ebene an die Notwendigkeit einer konsequenten Werteorientierung von Politik erinnern. Und da werden dann allerdings eine Reihe von Gesichtspunkten genannt, die, denke ich, sehr im Einklang stehen mit unserem, mit dem deutschen Verständnis von Politik. Beispielsweise der Gedanke, dass Politiker, und das gilt natürlich genauso für Beamte und Diplomaten, zunächst einmal Diener zu sein haben, also Diener ihres Staates, ihres Volkes, ohne dabei aber, und das ist ein ganz wichtiger zweiter Punkt, außer Betracht zu lassen, dass wir gleichzeitig auch immer Glieder der ganzen Menschheit sind und sich daraus Verantwortungen ergeben. Oder der wichtige und schöne Gedanke, dass Politik vor allem auch immer darauf zielen soll, Vertrauen zwischen den Menschen zu schaffen. Es gibt ja eine ganz aktuelle Sicht in der Politikwissenschaft, die sagt, dass Vertrauen das ultimative Kapital von Gesellschaften ist. Das genau scheint der Heilige Vater hier in diesem Papier auch zu sagen. Und so gibt es noch einige Beispiele mehr. Etwa der Gedanke, dass jeder, ob groß oder klein, dazu beitragen kann, das Ziel des Friedens zu befördern, wie in dem Text ausdrücklich gesagt wird. Wir haben alle Verantwortung. Einige mehr als andere, aber niemand ist frei von dieser Verantwortung.

Vatican News: Wenn ich an das Stichwort Vertrauen, dass Sie jetzt genannt haben, denke und an ein Anliegen, dass ja Deutschland sehr stark unterstützt, dann ist es das Projekt der Europäischen Einigung. Da hat man ja jetzt so ein bisschen den Eindruck, da gibt es schon so eine Art Vertrauensbruch, auch wenn man an andere Staaten denkt. Es gibt einen Vertrauensbruch gegenüber der Idee „Friedensprojekt Europa“. Wie sehen Sie das – auch im Hinblick auf das, was Papst Franziskus zur „Politik des Friedens“ sagt?

Botschafter Koch: Völlig richtig. Der Ausgangspunkt des Europäischen Projektes, und das muss man immer wieder betonen, war die furchtbare Erfahrung zweier Weltkriege in Europa und den entsetzlichen Verheerungen, die daraus entstanden sind. Das Europäische Projekt versucht darauf eine institutionell-organisatorische Antwort zu geben, indem die Europäischen Staaten zu engerer Zusammenarbeit zusammengefasst wurden und auf diese Weise Vertrauen geschaffen werden sollte, das war vor allem der gedankliche Ausgangspunkt bei der ersten Europäischen Union, der Montanunion. Auf diese Weise sollte Vertrauen geschaffen werden dafür, dass die Union dann auch in anderen Bereichen vertieft werden kann. Insofern ist es völlig richtig; dieses große friedenspolitische Vorhaben hat genau in diesem Gedanken sein wesentliches Fundament. Nach unserer Überzeugung auch vor der Frage, wie man über die Organisation Europas in der Europäischen Union den Wohlstand aller Bürger steigern kann. Und ja, Sie haben recht, dass wir feststellen müssen, dass dieser gedankliche Rahmen heute leider nicht mehr so selbstverständlich ist, wie er früher schien. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, diesen Rahmen doch noch besser verständlich zu machen. Allerdings auch in dem, was praktisch, politisch innerhalb der Europäischen Union bewegt wird. Es geht darum, deutlich zu machen, dass es eben um dieses Friedensprojekt innerhalb Europas geht in Reaktion auf, wie gesagt, zwei furchtbare Weltkriege.

Vatican News: Das ist jetzt eine Botschaft vom Papst, die ja eben auch konkret an Politiker gerichtet ist. Werden Sie das auch als Botschafter in die deutsche Politik einbringen und dem Bundestag weiterleiten? Im Gegensatz zu einer Enzyklika, die jetzt nicht unbedingt direkt an Politiker gerichtet ist: Können wir uns also vorstellen, dass Sie das weitertragen in die Politik hinein?

Botschafter Koch: Also, was ich tue, was wir an der Botschaft im Heiligen Stuhl tun und was jede deutsche Botschaft und Auslandsvertretung tut, ist nach Hause zu berichten. Und nach Hause heißt in diesem Fall das Auswärtige Amt. Insofern werde ich jetzt nicht einen solchen Text jedem Abgeordneten des Bundestages mailen, aber natürlich fließt so ein Text, wie vieles andere auch, in die Politik ein und in unsere ständig aktualisierte Einschätzung zu unserem Gegenüber: der katholischen Kirche, der römischen Kurie, dem Papst. Das sind ja Einschätzungen, die ja ständig abgerufen werden etwa durch Besucher auf vielfachem Wege. Insoweit wird auch ein solcher Text seine Wirkung entfalten.

Vatican News: Das heißt, deutsche Politiker werden davon auch mitbekommen?

Botschafter Koch: Ganz bestimmt.

(vatican news)

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18. Dezember 2018, 15:56