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D: Evangelische Kirche plant Missbrauchsstudien

Eigentlich wollte die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) erst am Dienstag über das Thema sexueller Missbrauch sprechen – und auch nur zwei Stunden lang. Doch das Thema hat sich auf der Synode in Würzburg, die am Sonntag begonnen hat, unversehens nach vorne gedrängt.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Präses der EKD-Synode, also die Vorsitzende des Kirchenparlaments, ist die frühere Bundesministerin Irmgard Schwaetzer. Sie kündigte in ihrer Auftakt-Rede Studien zum Dunkelfeld und zu den Risikofaktoren des sexuellen Missbrauchs an; dabei werde man mit den einschlägigen Stellen beim Bund zusammenarbeiten. Einzelheiten zu den geplanten Studien sollen am Dienstag besprochen werden.

„Wir sollten uns vor allem zu unserer Verpflichtung bekennen, die Vergangenheit nicht ruhen zu lassen, sondern aufzuklären, was in früheren Jahrzehnten geschehen ist und was uns zugerechnet werden muss, weil auch bei uns institutionelle Besonderheiten den Machtmissbrauch leichtmachen.“

Kommission trug Hunderte von Missbrauchsfällen zusammen

Was die Studien betrifft, will Schwaetzer aber nicht alles der katholischen Seite nachmachen. Forscher hatten unlängst eine von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene, ausführliche Missbrauchsstudie vorgelegt.

„Zum Beispiel würden wir eine Aufarbeitung nur bei Pfarrerinnen und Pfarrern für nicht zielführend halten, sondern in die Aufarbeitung müssen alle bei der Kirche Beschäftigten, Haupt- und Ehrenamtlichen einbezogen werden“, sagte Frau Schwaetzer dem Bayerischen Rundfunk. „Ich glaube, dass das schon einmal ein sehr grundlegender Unterschied ist.“

Zum Nachhören

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm kam schon am Sonntag vor dem Plenum in Würzburg auf das Thema Missbrauch zu sprechen. „Ich bitte alle Menschen, denen solches Leid im Raum der evangelischen Kirche widerfahren ist, im Namen des Rates der EKD um Vergebung!“

Die EKD hatte vor ein paar Monaten eine Kommission eingerichtet, um in allen zwanzig Landeskirchen Hinweise und Berichte über Missbrauchsfälle zu sammeln. Über die Ergebnisse soll am Dienstag gesprochen werden; es geht jedenfalls um Hunderte von Fällen, die meisten aus den fünfziger bis siebziger Jahren.

„Man kann nicht einfach nur die bekannt gewordenen Fälle addieren“

„Auch wenn wir als evangelische Kirche nochmal andere Kulturen haben als die katholische Kirche und man das nicht gleichsetzen kann, ist es für uns Grund noch einmal genau hinzuschauen: Was gibt es in der evangelischen Kirche an Mechanismen, die so was befördern oder nicht genug tun, um es zu verhindern.“ Das sagte Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist, dem Bayerischen Rundfunk. „Und wenn es dann doch passiert – was müssen wir tun, um die Prozesse zu verbessern, um die Opfer zu schützen?“

Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann warnt davor, das Problem Missbrauch in der evangelischen Kirche für gar nicht so schlimm zu halten. „Man kann ja nicht einfach nur die bekannt gewordenen Fälle addieren und sagen: So viele waren es. Das ist ja gar nicht so viel… Sondern man muss schon ein bisschen in die Tiefe gucken und auch versuchen zu erfahren: Was ist denn insgesamt passiert in den Landeskirchen? Wo sind die Risikofaktoren?“

Diese Frage muss geklärt werden

Eigentlich ist bei der Synode, die bis Mittwoch dauert, das Gespräch mit jungen Menschen das größere Thema, wenn man auf das Programm schaut. Doch die jetzige Familienministerin Franziska Giffey machte bei einem Grußwort am Sonntag klar, dass auch in diesem Zusammenhang der Elefant Missbrauch im Zimmer steht. „Kirche kann viel Wichtiges geben für junge Menschen. Aber es muss eben diese Frage geklärt werden! Das ist eine wesentliche Voraussetzung.“

(ekd-synode online/br)
 

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12. November 2018, 10:20