Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn, Erzbischof von Wien 

Schönborn: Bei Missbrauch wurde „viel zu lange weggeschaut“

Kardinal Christoph Schönborn hat Missbrauchstaten verurteilt und sich für „Null Toleranz“ gegenüber Tätern ausgesprochen. Die Fälle von Missbrauch seien „erschütternd“, schrieb der Wiener Erzbischof in seinem „Gedanken zum Sonntagsevangelium“ in der „Kronen Zeitung“. „Viel zu lange wurde hier die falsche Toleranz geübt, wurde weggeschaut, vertuscht und verharmlost.“

In seinem Kommentar zum Tagesevangelium bezog sich der Kardinal auf eine Bibelstelle über Jesu Vorgaben zum Umgang mit dem Bösen sowie zu Toleranz und deren Grenzen, die am Sonntag bei den Gottesdiensten gelesen wurde. „Jesus zeigt große Toleranz gegenüber allen, die wie auch immer das Gute tun. Wo es um das Böse geht, hat seine Toleranz klare Grenzen“, so der Kardinal.

Mahnend äußerte sich der Wiener Erzbischof in diesem Zusammenhang auch zu religiöser Intoleranz, einem „großen Problem“, so Schönborn, das „so viel Schaden anrichtet, so viel Leid verursacht“. Es sei die „Urversuchung der ,religiösen´ Menschen“, ihre eigene Gruppe, Kirche, Religionsgemeinschaft für die allein seligmachende zu halten. „Die Folge ist oft das Geringschätzen der anderen Religion, bis hin zu deren Verfolgung, ja bis zu Religionskriegen“, beklagte der Kardinal.

„Hindert ihn nicht!“

Jesu Antwort darauf, so Schönborn, sei das „Schlüsselwort der Toleranz“, nämlich: „Hindert ihn nicht!“ Glauben gebe es auch außerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft, fügte der Kardinal hinzu: „Es gibt Menschen, die im Sinne Jesu leben und handeln, ohne Mitglied der Kirche zu sein. Entscheidend ist das Verhalten. Ich denke an die vielen, die ohne große Worte dem Nächsten helfen: Da fragt Jesus nicht nach dem Religionsbekenntnis und schaut nur auf die gute Tat.“

Grundsätzlich könne Toleranz „eine Tugend sein, aber auch ein schweres Vergehen“, legte der Wiener Erzbischof dar. „Wir regen uns über Dinge auf, die wir ruhig tolerieren könnten, und schweigen zu Dingen, die ein Skandal sind. Wie so oft im Leben geht es um die rechte Unterscheidung, das richtige Maß. Jesus ist der große Lehrer der Unterscheidung. Sein Wort weist uns den Weg in vielen Situationen des täglichen Lebens, in denen wir prüfen müssen, wo Toleranz angebracht wäre und wo wir entschieden Nein sagen müssten.“

„Warum sind wird oft so tolerant gegenüber dem Bösen? Weil wir gegenüber uns selber nachsichtig sind, die Fehler der anderen aber unerbittlich kritisieren“, gab Schönborn abschließend einen weiteren Denkanstoß. „Null-Toleranz sollten wir vor allem gegenüber unseren eigenen Fehlern haben“, rief der Kardinal auf.

(kap - mg)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

30. September 2018, 13:05