Eine Tagung des Synodenrates mit dem Papst, Mai 2018 Eine Tagung des Synodenrates mit dem Papst, Mai 2018 

„Synodalität ist nicht dasselbe wie Demokratie“

„Synodalität“: Das ist eines der großen Anliegen von Papst Franziskus. Er will das synodale Element in der Kirche stärken, dafür auch Anleihen bei unseren orthodoxen Glaubensgeschwistern nehmen.

Die Internationale Theologenkommission hat ein langes Grundsatzpapier zum Thema Synodalität erstellt. Und der Bonner Dogmatiker Karl-Heinz Menke empfiehlt die Lektüre – vor allem denjenigen, die das Wort „Synodalität“ mit dem Begriff „Demokratie“ in eins setzen.

„Das Thema ‚Synodalität der Kirche‘ hat zunächst einmal die Erwartung geweckt, es trete neben die vier Attribute der Kirche Einheit, Heiligkeit, Apostolizität und Katholizität ein fünftes Attribut. Das nun veröffentlichte Dokument stellt klar, dass dies nicht der Fall ist! Es geht vielmehr darum, immer da, wo Macht in der Kirche ausgeübt wird, den Communio-Charakter der Kirche zu wahren.“

„Die Universalkirche darf sich nicht gegenüber den Ortskirchen verselbständigen“

Das sagte Menke jetzt im Gespräch mit dem Kölner Domradio. „Communio“ ist lateinisch, es bedeutet „Gemeinschaft“.

„Die Universalkirche darf sich nicht gegenüber den Ortskirchen verselbständigen. Die Apostelnachfolger sollen ihr Lehren, Heiligen und Leiten nicht ohne die Adressaten ihres Dienstes ausüben. Die Wahrheit, die Christus ist, ist Person. Sie wird personal repräsentiert und interpersonal vermittelt und verstanden. Verstehen und Akzeptanz gelingen selten ohne Kommunikation. Die Apostelnachfolger können nur dann erfolgreich Gehorsam erwarten, wenn sie ihrerseits auf den sogenannten Glaubenssinn der Gläubigen hören.“

Die Apostelnachfolger, das sind die Bischöfe, mit und unter dem Papst.

Sehr unterschiedliches Kirchenverständnis

 

„Gewiss, man kann die Kirche nicht an einer Stelle versammeln. Es muss Delegierte geben – Delegierte, die ihren Glauben kirchlich leben. Zu einer Synode auf universalkirchlicher Ebene gehören stets alle Apostelnachfolger; beratend können auch Laien tätig werden; abstimmen dürfen auf einem Konzil nur die Bischöfe. Eine ortskirchliche Synode – wie jüngst die in Trier – versteht sich als beratendes Organ des Bischofs. Er entscheidet, nach welchen Kriterien die Delegierten ausgewählt werden. Ob man auf Grund des von der Internationalen Theologenkommission verabschiedeten Dokumentes die darin enthaltene ‚Theologie der Synodalität‘ in ein "Synoden-Recht" überführen wird, hängt allein vom Papst ab.“

Synode ist nicht gleich Synode – das merkt man, wenn man die konfessionellen Unterschiede ins Auge fasst. Da gibt es die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, da gibt es die Panorthodoxe Synode, das sogenannte Konzil der orthodoxen Christen.

Hier können Sie einen Teil des Interviews mit Prof. Menke hören.

„Der von Ihnen angesprochene Unterschied liegt darin begründet, dass Katholiken bzw. Orthodoxe einerseits und Protestanten andererseits ein unterschiedliches Kirchenverständnis haben. Das Kirchenattribut Apostolizität bedeutet für die Protestanten Treue zur Lehre der Apostel. Eine Nachfolge der Apostel kennen sie nicht. Niemand empfängt als Protestant das Sakrament des Ordo. Kein protestantischer Bischof versteht sich als Apostelnachfolger, sondern als Funktionsträger der Gläubigen, die ihn gewählt haben. Von ihren Funktionen abgesehen sind alle Getauften für Lutheraner, Reformierte oder andere protestantische Gemeinschaften gleichen Ranges. Ein Bischof oder Pfarrer besitzt deshalb auf einer protestantischen Synode nicht mehr Rechte als irgendein anderes Mitglied.“

„Man kann über die Wahrheit nicht nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen“

So etwas ist „in der katholischen Kirche unmöglich“, sagt Menke – das ist nicht die Synodalität, die dem Papst vorschwebt. „Denn die Wahrheit, die Christus ist, wird zunächst von den Aposteln verbindlich interpretiert und von dem Kollegium der Apostelnachfolger – personal geeint im Nachfolger Petri – tradiert. Deshalb kann eine universalkirchliche Synode –Konzil genannt – nur den Apostelnachfolgern Stimmrecht gewähren und Mehrheitsbeschlüsse nur im Einvernehmen mit dem personalen Repräsentanten der Einheit, dem Papst, fällen. Was allerdings nicht ausschließt, dass auf einem Konzil die nichtordinierten Gläubigen in gleichem Maße mitwirken und gehört werden. Aber, wie gesagt, kirchenrechtlich ist diese Beteiligung bis heute nicht verbindlich.“

Klingt ein bisschen kompliziert für alle, die sich in den Strukturen nicht so gut auskennen. Doch die Feinheiten sind wichtig in diesem Bereich, damit man sich nicht falschen Erwartungen hingibt. Der Dogmatiker Menke – übrigens ein Träger des Ratzinger-Preises, also des sogenannten Nobelpreises der Theologie – insistiert: Synodalität ist nicht dasselbe wie Demokratie.

„Die Synodalität von Entscheidungsprozessen in der Kirche ist strikt zu unterscheiden von dem demokratischen Prinzip, dass stets die Mehrheit entscheidet. Man kann über die Wahrheit, die Christus ist, nicht nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen. Jeder weiß, dass die Wahrheit oft nur von einer Minderheit verstanden und gelebt wird. Das gilt übrigens nicht nur für die Wahrheit des Glaubens.“

Vieles in der Kirche ließe sich auch demokratisch regeln

 

Und trotzdem: Auch die Synodalität kommt nicht ohne demokratie-ähnliche Elemente aus. „Wenn man in der katholischen Kirche versucht, alle Ebenen in Entscheidungsprozesse einzubeziehen und den von Papst Franziskus immer wieder beschworenen Glaubenssinn der Gläubigen Ernst zu nehmen, dann wird man in Zukunft weniger deduktiv als induktiv denken und verfahren. Allerdings liegt auch hier der Teufel im Detail. Solche Forderungen sind solange Sonntagsrede, als das Kirchenrecht die besagte Partizipation nicht regelt und verbindlich vorschreibt.“

Das alles bedeutet nicht, dass man das Wörtchen Demokratie völlig aus der Kirche verbannen muss. Menke sagt: „Man kann vieles, was Organisation und Struktur in der Kirche betrifft, auch demokratisch regeln. Es geht ja nicht immer um Glaubensfragen oder um Themen, die von diesen Fragen nicht zu trennen sind. Doch wenn es um Glaubensfragen geht, dann entscheiden letztendlich nur die Bischöfe; auch sie nicht einfach durch Mehrheitsbeschluss, sondern in Einheit mit dem vom Papst sichtbar repräsentierten Bischofskollegium.“

Und wenn sich die Bischöfe eines Landes versammeln, was ist das dann? „Die Bischofskonferenz einer Nation oder Sprache ist weder eine ortskirchliche Synode, noch ein Konzil. Sie kann weder für die Universalkirche, noch für einen Verbund von Diözesen etwas entscheiden. Der einzelne Bischof muss Weisungen der Bischofskonferenz in seinem Bistum nicht umsetzen. Eine Bischofskonferenz kann über alles – auch über Glaubensfragen – beraten und Ergebnisse solcher Beratungen publizieren; aber keine bindenden Entscheidungen treffen.“

„Die deutschen Bischöfe hätten der Kirche diesen Streit ersparen können“

Das steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Wunsch von Papst Franziskus, auch den Bischofskonferenzen eine gewisse lehramtliche Autorität zuzusprechen. Das geht einher mit dem Willen des Papstes zur Dezentralisierung: dass nicht mehr Rom alles und jedes entscheiden muss.

Menke hält übrigens auch nicht mit seiner Meinung zum derzeitigen Streit der deutschen Bischöfe über den Kommunionempfang von Protestanten hinter dem Berg. „Die Bischöfe hätten der deutschen Kirche diesen polarisierenden Streit ersparen sollen“ Es gibt ein Direktorium, das in bestimmten ‚Notfällen‘ die Interkommunion erlaubt. Mehr regeln zu wollen, ist unklug. Die meisten Gläubigen sind theologisch nicht hinreichend geschult, um die Einladung des protestantischen Partners konfessionsverbindender Paare zum Sakrament der Eucharistie von der Einladung des katholischen Partners konfessionsverbindender Paare zum protestantischen Abendmahl unterscheiden zu können.“

Den Mehrheitsbeschluss der Deutschen Bischofskonferenz in diesem Bereich nennt der Bonner Dogmatiker sogar „rechtswidrig“, und die umstrittene Handreichung (die noch nicht veröffentlicht wurde) findet er theologisch „mangelhaft“. Wer das Sakrament der Eucharistie empfängt, identifiziert sich öffentlich mit der Gemeinschaft, in der er oder sie zur Kommunion geht. Das gilt auch für den protestantischen Partner konfessionsverbindender Ehen. Mehr als dies zu erklären, ist nicht erforderlich. Man kann die Gewissensentscheidung des einzelnen Betroffenen nicht dadurch entlasten, dass man Ausnahmen regelt.“

(domradio/vatican news – sk)
 

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26. Mai 2018, 10:28