Solidarität: Erzbischof Schick von Kindern umringt im Flüchtlingslager Shariya, in dem derzeit noch rund 27.000 Jesiden leben (c) dbk.de Solidarität: Erzbischof Schick von Kindern umringt im Flüchtlingslager Shariya, in dem derzeit noch rund 27.000 Jesiden leben (c) dbk.de 

Erzbischof Schick zurück von Irak-Reise: Christen als Hoffnungsträger

Die Ninive-Ebene ist zum Symbol des Bürgerkriegs und der Vertreibung der Christen im Irak geworden. Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, hat die Region im Irak besucht und sich ein Bild davon gemacht, ob und wie ein Wiederaufbau dort möglich sei.
Zum Nachhören

VN: Sie waren im Irak, in der Ninive-Ebene unterwegs, die wir vor allem aus Nachrichten von fliehenden Christen und zerstörten Gemeinschaften kennen. Gibt es dort noch Christen? Wollen dort Christen hin zurück?

Schick: Natürlich sind die Christen während des IS-Terrors geflohen. Ich habe sie vor zwei Jahren auch in Lagern besucht, aber jetzt kehren Christen auch wieder zurück in ihre Dörfer und sind eifrig dabei, ihre Häuser und ihre Kirchen wieder aufzubauen, die ja für ihr Leben ein ganz wichtiger geistlicher Mittelpunkt sind. Also es gibt Christen und sie sind aktiv und sie wollen auch wieder das Leben aufbauen.

VN: Sind die Christen denn ungefähr genau so viele wie früher? Sind es ganz viele, sind es ganz wenige?

Schick: Die Anzahl der Christen im Irak nimmt ab. Durch den IS-Terror sind noch einmal mehr Christen aus dem Land weggegangen, sind jetzt in Jordanien oder im Libanon, natürlich auch bei uns oder in den USA und Australien, aber es sind immer noch Christen da. Die, die da sind, wollen auch bleiben, zumindest die meisten. Natürlich gibt es auch immer wieder welche, die darüber nachdenken, ob sie nicht das Land verlassen sollten, weil es so viele Unsicherheiten und so wenig Zukunftsperspektiven gibt. Aber in der Ninive-Ebene, in Karakosch und Karamles bauen Christen auch wieder richtig auf.

 

„In der Ninive-Ebene, in Karakosch und Karamles bauen Christen auch wieder richtig auf.“

 

VN: Ist nach so vielen Jahren des Krieges auch untereinander bei den Menschen ein Zusammenleben überhaupt vorstellbar?

Schick: Also es war bis 2003 in weiten Bereichen ein friedliches Miteinander gelebt worden und viele sagen, das kann man wieder aufbauen. Natürlich ist durch den Terror des IS, der auch ganz viel Misstrauen unter den Menschen gesät hat, das alles schwierig. Aber es ist möglich und die Menschen vertrauen darauf, gerade die Christen. Die Christen sind ja wirklich Hoffnungsmenschen und Hoffnungsträger und sie setzen darauf, dass es wieder möglich wird. Nicht alle: Es sind auch unter ihnen einige, die nur noch so wenig Vertrauen haben, dass sie das Land verlassen möchten, aber es gibt auch die anderen.

VN: Sie waren zuletzt vor zwei Jahren im Irak. Was hat sich geändert? Was ist heute anders als noch vor zwei Jahren?

Schick: Vor zwei Jahren konnte ich an verschiedene Orte, zu denen ich jetzt hinfahren konnte, nicht. Die ganze Ninive-Ebene war ja damals vom IS besetzt und die haben wirklich furchtbare Gräueltaten an den Menschen, aber auch an den Gebäuden angerichtet. Jetzt konnte ich wieder hin. Ich habe die Zerstörungen gesehen, die ausgebrannten Kirchen, die zerschossenen Kreuze und Türme der Kirchen und auch die Schulen, die Häuser, die vom IS zerstört wurden, und auf der anderen Seite Menschen, die in ihre Häuser zurückkehren und auch mit unserer Hilfe wieder aufbauen. Das hat sich geändert, seit ich vor zwei Jahren dort gewesen bin.

VN: Würden Sie also sagen, dass es besser geworden ist?

Schick: Ja, also es ist zumindest jetzt wieder Aufbau vorhanden. Das große Wort heißt „rebuilding“, also es soll wieder aufgebaut werden. Das hat eine vielfache Bedeutung. Rebuilding heißt, die Häuser wieder errichten, die Kirchen errichten, die Schulen errichten, aber rebuilding heißt auch, das Vertrauen zueinander wieder aufzubauen, das Gemeinschaftsleben wieder neu errichten. Das alles ist nötig, damit es wirklich eine Zukunft gibt und der Irak ist eben ein Land, das mehrheitlich muslimisch ist, aber auch die Muslime sind sehr unterschiedlich, also es gibt Sunniten und Schiiten, dann gibt es auch noch die Kurden und die Jesiden und die Christen sind dann dazwischen. Es muss also ein Land sein, dass multireligiös eine Zukunft miteinander baut. Die Christen sind da ganz wichtig. Sie bringen Menschenwürde und Menschenrechte ein, die Solidarität und die Einheit – das sind so unsere Geistesgaben, die wir einbringen können und die wichtig sind.

„Die Christen bringen Menschenwürde und Menschenrechte ein, die Solidarität und die Einheit .“

VN: Ist das Land denn stabil genug, um so eine Versöhnungsarbeit, die ja langfristig geleistet werden muss, überhaupt zu tragen?

Schick: Noch nicht. Ich sage: Alles ist im Aufbau. Hier ist auch die internationale Gemeinschaft gefordert, gerade für die Politik und die Politiker, denn der Irak braucht ein stabileres politisches System, was ja auch Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung ist. Also wenn von außen, auch von Europa, Investitionen dort getätigt werden sollen, dann ist Sicherheit eine wichtige Voraussetzung. Hier muss die Regierung mehr tun. Durch politische Beziehungen nach Europa oder in die USA hin könnte bei den Politikern auch noch einiges voran gehen und da muss sich die internationale Gemeinschaft auch drum kümmern.

VN: Sie haben auch Vertreter der katholischen Hilfswerke mitgenommen, offensichtlich um Möglichkeiten zur Hilfe auszuloten. Was genau kann die Kirche tun? Und mit wem?

Schick: Sie tut ja schon vieles, zum Beispiel wird dieses „Rebuilding“-Programm in der Ninive-Ebene zum größten Teil von den Kirchen finanziert und auch verantwortet. Das bedeutet, dass „Kirche in Not“ oder auch Caritas International, Misereor, Geld in diesen Fond geben und davon bekommt dann jede der christlichen Familien in der Ninive-Ebene zunächst einmal 7.000 US-Dollar Startkapital, damit sie ihre Wohnungen wieder aufbauen können. Das andere ist der Aufbau der Beziehungen zueinander. Da ist auch die Pastoral gefragt, also unsere pastoralen Werke wie Missio oder das Kindermissionswerk. Sie helfen, dass in den Gemeinschaften wieder ein Gemeinschaftsleben auf christlicher Grundlage da ist, dazu gehört ja dann auch Katechese, dazu gehört Religionsunterricht. Das wird dann organisiert. Es ist natürlich auch wichtig, einen interreligiösen Dialog zu fördern, was wir auch tun, damit das Miteinander der verschiedenen Religionen wieder besser und vertrauensvoller gelebt werden kann.

VN: Was ist nun, nachdem Sie wieder zurück sind, Ihr Eindruck? Sind Sie optimistisch eingestellt?

Schick: Ja, Christen sind ja eigentlich immer Optimisten. Aber natürlich sehe ich auch die großen Aufgaben, die vor den Menschen dort liegen. Letztlich muss der Irak ja von den Irakern selber wieder aufgebaut werden, wir können immer nur Hilfe zur Selbsthilfe geben. Die Iraker, die ich erlebt habe, sind ein wenig abwartend und fragen: „Wird es denn gut voran gehen? Werden wir hier Zukunft aufbauen können?“ Da meine ich, und das haben mir vor allen Dingen auch die Bischöfe gesagt: „Wenn ihr helfen wollt, dann müsst ihr schnell helfen.“ Und zwar dadurch, dass Schulen aufgebaut werden, die Gemeinschaftsräume und auch Kliniken aufgebaut werden, damit dadurch auch diese Hoffnungsperspektiven schnell die Menschen wieder einbinden und sie dann auch bleiben und im Irak die Zukunft gestalten. Wenn das nicht schnell geht, dann kann es natürlich auch sein, dass noch mehr Menschen den Irak verlassen.

(vatican news - ord)

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10. April 2018, 09:02