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Ein Demonstrant mit einem T-Shirt, das den inhaftierten Oppositionellen Leopoldo Lopez zeigt Ein Demonstrant mit einem T-Shirt, das den inhaftierten Oppositionellen Leopoldo Lopez zeigt 

Venezuela: Bischof hält Wahlen für „nicht legitim“

In düsteren Farben malt Bischof José Luis Azuaje Ayala die Lage in Venezuela: Es fehle an Medikamenten jeder Art, für Arme gebe es keine Behandlungen mehr, und „mehr als 300.000 Minderjährige riskieren den Tod“ wegen mangelhafter Ernährung.

Stefan von Kempis und Griselda Mutual – Vatikanstadt

Azuaje Ayala ist Bischof von Barinas und Präsident der Venezolanischen Bischofskonferenz. Im Gespräch mit Vatican News klagt er auch über das Scheitern der Dialog-Versuche zwischen dem sozialistischen Regime von Nicolas Maduro und der (untereinander zerstrittenen und geschwächten) Opposition.

In Santo Domingo wollten die Oppositionellen am 7. Februar nicht das von der Regierung als Konsenspapier angepriesene Dokument unterzeichnen, seitdem hängt auch dieser mühsam genug in Gang gekommene Dialog in der Luft.

„Der Dialog ist gelähmt, weil die Angebote, die die Regierung über den Vermittler, (Spaniens Ex-Ministerpräsident) Zapatero unterbreitete, nicht auf die Erwartungen und Forderungen der Opposition eingegangen sind. Die Opposition will Freiheit für die politischen Gefangenen, die Rückgabe der Kompetenzen an die Nationalversammlung, die Öffnung eines Korridors (für humanitäre Hilfe aus dem Ausland) und bestimmte Garantien für die Abhaltung der Wahlen. Aber im Vertrag stand das, was die Regierung wollte, nicht das Volk.“

Im Vertrag stand das, was die Regierung wollte, nicht das Volk

 

Es sei „eindeutig“, dass der Inhalt des von der Regierung angebotenen Konsenspapieres „nicht die Probleme des Landes gelöst“ hätte, urteilt der Bischof. „Wir als Bischöfe haben gesagt: Man muss vor allem die humanitären Probleme lösen! Dass fast alle Produkte Mangelware sind, vor allem Lebensmittel und Medikamente. Und dann die gigantische Inflation… Diese Themen kamen in dem Vertrag überhaupt nicht vor, und darum wollte die Opposition das nicht unterschreiben. Ich glaube, das war eine für das Leben des Landes angemessene Entscheidung.“

In politischer Hinsicht herrscht nach Ansicht Azuaje Ayalas „eine große Unsicherheit im Land“ – und zwar sowohl auf Regime- wie auf Oppositionsseite. „Die Regierung schickt sich im April zu Wahlen an, ohne dass dabei ein Oppositionskandidat gegen sie antritt – das würde bedeuten, dass sie keine Legitimität gewinnt und dass sie von der großen Mehrheit der internationalen Gemeinschaft wie des venezolanischen Volkes nicht anerkannt würde. Und die Opposition würde dann das Risiko einer noch größeren Repression und noch größeren politischen Drucks eingehen, abgesehen von dem politischen Preis, den ihre Führer zahlen müssten. Und was würde mit dem Volk passieren? Einige würden sich an den Wahlen beteiligen – vor allem die, die noch an dieses sozialistische Projekt glauben, weil sie Vorteile dadurch bekommen. Dadurch würde sich eben die Politik auch künftig halten, die das venezolanische Volk in die Armut gestürzt hat. Und wer diesem (sozialistischen) Projekt nichts abgewinnen kann, der müsste dafür sorgen, dass sich die Gesellschaft auf organisierte Art und Weise gegen Wahlen dieser Art wendet, die nicht legitim sind.“

Könnte, hätte, müsste, sollte: Der Bischof hofft offenbar darauf, dass die Regierung Maduro irgendwie noch zur Einsicht kommt und die Wahlen vom April abbläst. Aber das ist unwahrscheinlich – schließlich hat die Opposition ja lange genug Wahlen gefordert, und jetzt könnte der Präsident sie in einem Moment über die Bühne bringen, in dem die Opposition geschwächt ist und dem Regime keinen größeren Widerstand entgegensetzen kann.

Immer mehr Menschen wühlen in den Müllcontainern

 

Tief besorgt ist der Vorsitzende der Bischofskonferenz über die schwere wirtschaftliche und soziale Krise in Venezuela. „Vor allem die Unterernährung bei Kindern hat zugenommen. Eine Untersuchung unserer Caritas zeigt eine alarmierende Lage: 15 Prozent der Kinder sind unter- oder mangelernährt, 300.000 Kinder drohen daran zu sterben. Aber das Phänomen betrifft natürlich auch alte oder erwachsene Menschen. Die Leute essen, was sie halt so finden, immer mehr Menschen wühlen dazu in den Müllcontainern. Das ist ein schlimmes Bild in einem Land, das so viele natürliche Ressourcen hat!“

Die Pfarreien und die Caritas tun nach Angaben des Bischofs, was sie können, um den vom Hunger Betroffenen über die Runden zu helfen. Azuaje Ayala beklagt auch den Mangel an Medikamenten. „Die Ärzte sagen den Patienten jetzt immer eine ganze Reihe von Medikamenten-Namen – die Leute sollen dann sehen, ob sie eines dieser Medikamente irgendwo beschaffen können. Für die Armen gibt es überhaupt keine Medikamente mehr… Das ist eine schwere Beeinträchtigung für das Leben der Armen, das heißt: für fast alle Venezolaner. Ein Drama, das zum Himmel schreit, und für das es keine Lösung gibt.“

Jeden Tag stellten sich im ganzen Land Hunderttausende von Menschen in eine Schlange, um irgendetwas Lebensnotwendiges ergattern zu können. „Die arbeiten nicht mehr, wie früher, sondern die stehen sechs Stunden oder mehr geduldig für Nahrung oder Medikamente oder etwas Ähnliches an. Man fragt sich doch: Wie soll sich ein Land entwickeln, dessen arbeitende Bevölkerung auf der Straße Schlange steht, um für ihre Familien etwas einzukaufen… Wirklich, das ist eine sehr kritische Lage.“

Die Repression wächst

 

Viele Familien zerbrechen unter den Schwierigkeiten des Alltags, berichtet Bischof Azuaje Ayala. Schließlich zögen ja „Millionen von Menschen“ von einem Ort zum anderen, um irgendetwas für die Ihren zu ergattern. Die „Verzweiflung“ sei im ganzen Land mit Händen zu greifen. Das Volk werde „versklavt“, es komme überhaupt nicht mehr dazu, über die Realität nachzudenken.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz appelliert an Venezuelas Nachbarländer, die Grenzen offen zu halten für die Verzweifelten, die aus Venezuela flüchteten. „Wir haben im letzten Jahrhundert Millionen von Menschen aus Konfliktländern bei uns aufgenommen; niemals hätten wir gedacht, dass wir selbst einmal zu Migranten werden würden, die vor Ungerechtigkeit und wirtschaftlichem Niedergang fliehen. Diese Lage macht sehr traurig. Wir sehen gut ausgebildete Leute wegziehen, Väter und Mütter, manchmal ganze Familien, vor allem aber junge Leute.“

Den Verfassungskonvent, mit dessen Hilfe Präsident Maduro die von der Opposition dominierte Nationalversammlung entmachtet hat, nennt der Bischof „nicht verfassungsgemäß“. Das Vorgehen gegen Oppositionelle verurteilt er scharf. „Die Verletzung der Menschenrechte war systematisch, die Repression wächst, Proteste gelten mittlerweile als Verbrechen… Unsere Bischofskonferenz untersucht seit einigen Jahren alle Verletzungen der Menschenrechte und bemüht sich gezielt um Hilfe und Schutz für die Opfer. Einige Fälle haben wir vor internationale Einrichtungen gebracht.“

 

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17. Februar 2018, 15:50