Suche

Mahnmal in Großbritannien Mahnmal in Großbritannien 

Frankreich: Steigender Antisemitismus nach Zweiter Intifada

Die jüdische Gemeinde in Frankreich schlägt Alarm: die Zahl von körperlichen Attacken steigt und vor allem werden sogar Kinder angegriffen. Das bestätigen auch staatliche Behörden.

Mario Galgano und Olivier Bonnel – Vatikanstadt

Vor wenigen Tagen wurde in Sarcelles im Norden von Paris ein 8jähriger Junge mitten auf der Straße angegriffen. Er trug eine jüdische Kippa, was wohl Grund für den Angriff war, wie die französischen Gendarmerie feststellte. Der französische Premierminister Édouard Philippe zeigte sich empört, es sei nicht hinnehmbar, dass in Frankreich Menschen wegen ihrer Religionszugehörigkeit in Gefahr stünden. Das ist aber nur einer der vielen antisemitischen Vorfälle in Frankreich.

Grund für den steigenden Antisemitismus sei vor allem die politische Verknüpfung zwischen Judentum und dem israelisch-palästinensischen Konflikt, sagt im Gespräch mit Vatican News der Leiter des Wissenschaftszentrums IRIS in Frankreich, Jean-Yves Camus. Was für Frankreich gelte, sei wohl in ganz Europa festzustellen.

„Wir stellen fest, dass es seit der Zweiten Intifada zwischen 2000 und 2005 vermehrt antisemitische Handlungen bei uns gibt. Allein in Frankreich stellen wir seither fest, dass um die tausend Vorfälle jährlich geschehen. Zuvor gab es um die hundert Fälle im Jahr. Aber nicht nur die Zahl hat sich geändert, sondern auch die Schwere der Vorfälle. Waren es vor dem Jahr 2000 vor allem verbale Attacken, so vermehren sich seit etwa zehn Jahren die Fälle von brutalen Gewaltakten.“

Nirgendwo in Westeuropa gibt es so viele antisemitische Angriffe wie in Frankreich. Dabei lebt ausgerechnet in Frankreich mit rund 500.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde Europas. Ein Zusammenhang, den man nicht ausblenden sollte: Die Täter seien häufig Muslime, die aber nicht nur aus religiösen Gründen gegen Juden vorgehen, sondern vor allem aus politischen. Diese Unterscheidung sei wichtig, so der Sozialwissenschaftler.

„Wir hatten Attentate mit Toten und Verletzten. Was sich also verändert hat, ist die Art der Gewalttaten. Gab es früher– und das dürfen wir nicht vergessen – auch antisemitische Haltungen durch Christen, ist diese Art von Antisemitismus eindeutig marginal geworden. Die antisemitischen Vorurteile sind kulturell und religiös geprägt und werden vor allem von arabisch-islamischen Kulturkreisen getragen. Das stellen wir schnell fest, wenn wir die Namen der Täter anschauen.“

In Frankreich sei das aber nicht so einfach, die Fälle von vornherein als antisemitsch oder nicht zu unterscheiden. Ein Beispiel: Sarah Halimi wurde im April 2017 von einem Angreifer nachts in ihrer Wohnung im Pariser Stadtteil Belleville misshandelt und dann mit dem Ruf „Allahu akbar“ (Gott ist groß) aus dem Fenster des dritten Stockwerks geworfen. Wochenlang sorgte der Mord kaum für Schlagzeilen. Der schließlich gefasste Täter wurde in die Psychiatrie eingewiesen, da man davon ausging, er habe den Mord wegen psychischer Probleme verübt. Die Staatsanwaltschaft anerkannte erst zu einem späteren Zeitpunkt den antisemitischen Hintergrund der Tat.

(vatican news, afp)

Zum Nachhören

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

05. Februar 2018, 12:15