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Stephen Hawking Stephen Hawking 

Trauer um Stephen Hawking auch im Vatikan

Auch im Vatikan herrscht Trauer über den Tod des britischen Astrophysikers und Bestseller-Autors Stephen Hawking. Der Brite, einer der genialsten Köpfe unserer Zeit, ist am Mittwoch im Alter von 76 Jahren in Cambridge gestorben.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Zwar war Hawking ein Agnostiker; er glaubte nicht an Gott, sondern vertrat die These, das Universum sei ohne Anstoß von außen entstanden. Dennoch gehörte er seit 1986 zur Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und hat mehrfach zur Zeit von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus an Konferenzen der Akademie in den Vatikanischen Gärten teilgenommen, zuletzt vor anderthalb Jahren.

„Sein Tod ist mit Sicherheit ein großer Verlust – nicht nur für die Welt der Wissenschaft, sondern für alle, die sich dank seiner großen literarischen Produktion den Fragen der Wissenschaft genähert haben.“ Das sagt uns Tomasz Trafny in einem Interview; der Geistliche leitet die Abteilung Wissenschaft und Glaube im Päpstlichen Kulturrat. „Hawking hatte auch einen wichtigen Einfluss auf interessierte, nicht-wissenschaftliche Kreise.“

Religion und Wissenschaft schienen dem Kosmologen Hawking nicht miteinander vereinbar zu sein – und dennoch verschloss er sich nicht dem Dialog mit Päpsten und Kirchenleuten. Für Trafny belegt das die „intellektuelle Ehrlichkeit“ des Verstorbenen.

„Eine Haltung der intellektuellen Ehrlichkeit“

„Intellektuelle Ehrlichkeit braucht notwendigerweise eine Haltung der Offenheit gegenüber Themen, die sich der wissenschaftlichen Untersuchung entziehen. Hawking hat dementsprechend in einem seiner Bücher geschrieben, die Existenz Gottes sei nicht ausgeschlossen; seine Weltvorstellung war zwar eine völlig andere als die des Christentums, doch in gewisser Hinsicht hat er sich doch einen Horizont der Offenheit und der Suche bewahrt. Das ist für jeden ehrlichen Wissenschaftler, ja für jeden ehrlichen Menschen überhaupt wichtig: sich nicht in den eigenen Vorurteilen zu verschließen.“

Hawking hatte in Cambridge den Lehrstuhl inne, auf dem einst schon Isaac Newton lehrte. Über seinen Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“ urteilte der US-Wissenschaftler Carl Sagan, das sei „auch ein Buch über Gott… oder vielleicht über die Nichtexistenz Gottes“. Jedenfalls sei „das Wort Gott auf diesen Seiten überall präsent“. Hawking habe sich „Einsteins berühmter Frage, ob Gott irgendeine Wahl gehabt habe, das Universum zu erschaffen“, gestellt. Er habe versucht, „Gottes Plan“ zu verstehen. „Umso überraschender“ sei dann das Ergebnis seiner Forschungen gewesen: „ein Universum, das keine Grenze im Raum hat, weder einen Anfang noch ein Ende in der Zeit und nichts, was einem Schöpfer zu tun bliebe“ (Carl Sagan, in: Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit, Rowohlt 1988, S. 11 f.)

„Mit Sicherheit muss man erklären, warum das Universum so ist, wie es ist“, sagt der Vatikanmann dazu. „Hawking hatte einen wachen Geist, der sich eindringlich die Frage nach dem Warum des Universums stellte. In einem seiner Interviews hat er einmal gesagt, das Universum sei nach den Gesetzen der Wissenschaft organisiert – aber es sei nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetze der Wissenschaft von Gott erlassen worden seien! Die Untersuchung, die er durchgeführt hat, war angetrieben von dem starken Drang, nicht nur die Gesetze zu verstehen, sondern wirklich das Universum in seiner Ganzheit, in der Komplexität. Die Dinge stehen uns vor Augen, und doch haben sie etwas Geheimnisvolles; danach sucht, darüber forscht der Mensch.“

„Eine gewisse Schwäche des theologischen Denkens“

Letztlich war das Leben dieses großen Gelehrten, der wegen einer schweren degenerativen Nervenerkrankung namens ALS seit Jahrzehnten im Rollstuhl saß und nur mühsam mit der Außenwelt kommunizieren konnte, ein Zeugnis für Dialog, glaubt Monsignore Trafny. Mit seiner Teilnahme an Sitzungen der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften habe Hawking seiner eigenen These, dass Religion und Wissenschaften nichts miteinander zu tun haben, widersprochen.

„Ich glaube, in ihrer Dialektik müssen sie sogar untereinander in Dialog treten! Und das Schönste ist, wenn die eine Seite für die andere sogar zum Stimulus wird. Einige Stellungnahmen von Hawking sind schon zum Stimulus für eine philosophisch-theologische Reflexion geworden. Und wenn die Wissenschaftler manchmal die philosophisch-theologische Vision einer Religion nicht in Betracht ziehen, dann zeigt das wohl auch eine gewisse Schwäche des theologischen Denkens: Es müsste wohl deutlicher und tiefer in einen Dialog mit dem Wissen von heute, auch mit den Wissenschaften, eintreten.“

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15. März 2018, 11:06