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Franziskus bei einer Lateinamerika-Reise Franziskus bei einer Lateinamerika-Reise 

Kardinal Parolin: „Ein Pontifikat der Freude“

Er ist der engste Mitarbeiter von Franziskus: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Das hätte er sich vor fünf Jahren nicht träumen lassen: Damals war er Nuntius in Venezuela – und erfuhr von Bergoglios Wahl zum Papst in einem Restaurant von Caracas.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

An diesen 13. März 2013 kann sich der Kardinal aus Norditalien gut erinnern. Er habe mit Weihbischöfen zu Abend gegessen, sie hätten dabei den Weißen Rauch aus der Sixtina im Fernsehen gesehen. Den Namen Bergoglio habe er zunächst gar nicht verstanden – dann aber sei das „eine große Emotion“ gewesen. „Wir haben das gefeiert, dass es zum ersten Mal einen lateinamerikanischen Papst gab!“

„Es sind schon fünf Jahre vorbei – die sind sehr, sehr schnell vergangen“, sagt uns Parolin in einem Interview. „Die Wahl eines Papstes und sein Amt sind immer ein Geschenk für die Kirche und für die Menschheit; man muss ihre spirituelle und kirchliche Tragweite im Licht des Glaubens deuten. Wenn ich überlege, was die Eigenheiten des Lehramts und des Handelns von Papst Franziskus sind, dann kommt mir schon seit längerem folgender Gedanke: Alle seine großen Texte, also Evangelii gaudium, Amoris laetitia, vielleicht auch indirekt Laudato sì rufen immer zur Freude auf. Freude, die direkt aus einem freudigen Geist kommt. Also, mir scheint, die charakteristischste Eigenschaft dieses Pontifikats ist die Freude.“

Eine Freude, die „nichts mit Gedankenlosigkeit zu tun“ habe, präzisiert Kardinal Parolin. Eher mit dem Gefühl, „von Gott geliebt zu sein“. Und das bringt ihn auf die Spur einer, aus seiner Sicht, zweiten großen Eigenschaft dieses Pontifikats.

„Die neue Dynamik ruft auch Gegnerschaft hervor“

„Die Barmherzigkeit. Dass Gott jedes seiner Geschöpfe persönlich und völlig liebt. Und damit verbunden die Freude, auch den anderen diese Frohe Botschaft des Evangeliums zu bringen. Diese Verkündigung des Heiles Jesu bringt nicht nur denen Freude, die sie hören, sondern auch denen, die sie verkünden. Eine geteilte Freude. Und die dritte Linie scheint mir die Evangelisierung zu sein: die Kirche im Aufbruch, die das Evangelium zu allen Geschöpfen tragen möchte.“

Kirche im Aufbruch – von diesem Aufbruch haben wir in den fünf Jahren Franziskus allerlei gespürt. Vom „Wind des Wandels“ und von einem „Tempo-Papst“ spricht die „Tagespost“; innerkirchlich reagieren einige auch verstört auf diesen Papst, der alles in Bewegung setzt.

Parolin sagt dazu: „Sicher ist diese Dimension der Kirche im Aufbruch eines der Charakteristika dieses Pontifikats – die Kirche in Bewegung. Denken wir an den drängenden Appell, den der Papst von Anfang an gemacht hat, nicht stehenzubleiben und sich nicht auf das „so haben wir das aber immer gemacht“ zu berufen; das sagt er auch ausdrücklich in Evangelii gaudium. Wir wissen aber doch genau, wo dieser Weg hinführt: zu einer größeren Treue der Kirche zu ihrer Natur als Volk Gottes und Leib Christi nämlich, und zu mehr Effizienz bei ihrer Mission des Verkündens. Ich will niemanden verurteilen, aber dieser Druck, diese Dynamik, die der Papst der Kirche einprägen will, kann natürlich zu unterschiedlichen, kontrastierenden, manchmal auch gegnerischen Einstellungen führen. In gewisser Hinsicht ist es normal, dass alle Pontifikate der Kritik unterzogen werden.“

Der Kardinalstaatssekretär unterscheidet zwischen zwei Arten von Kritik: der „destruktiven, aggressiven, bösartigen“ auf der einen, der „konstruktiven“ Kritik auf der anderen Seite. „Es gibt dementsprechend wohl auch eine unterschiedliche Weise, um auf diese zwei Arten von Kritik zu antworten. Aggressive, destruktive Kritik kann man nur in cruce hinnehmen und sie als Teil dieser Dornenkrone ansehen, die wir alle tragen müssen – vor allem die, die Verantwortung in der Kirche und daher auch eine öffentliche Rolle haben. Da kann man nichts machen. Die wird wohl auch nicht irgendwann aufhören, die wird es immer geben.“

„Auf konstruktive Kritik hören“

Anders verhält sich das für Parolin mit der konstruktiven Kritik: „Auf die sollte man hören, weil sie dabei helfen kann, die Dinge – auch den eigenen Dienst – zu verbessern. Ich glaube, konstruktive Kritik kommt aus einer grundlegenden Haltung der Liebe und zielt auf den Zusammenhalt der Gemeinschaft in der Kirche. Das scheint mir überhaupt ein wesentliches Kriterium zu sein – dass die Kritik der Gemeinschaft der Kirche dienen und dem Papst dabei helfen will, sein Lehramt und seinen Dienst an der ganzen Kirche besser auszuüben.“

Noch mal etwas Persönliches: Er sei sehr überrascht gewesen, dass Franziskus ihn vor fünf Jahren zum Kardinalstaatssekretär gemacht habe, erzählt Parolin. „Ich hatte Bergoglio nur einmal getroffen.“ Später habe er erfahren, „dass viele ihm von meiner Ernennung abgeraten hatten“ – und zwar, weil Parolin „zu jung“ sei. Nur zur Einordnung: Der Kirchenmann ist heute 63 Jahre alt.

Auch schwierige Entscheidungen treffe Franziskus immer mit erstaunlicher Gelassenheit, sagt der Kardinalstaatssekretär; das helfe ihm selbst „sehr“ bei seiner Arbeit. Auch Parolin wird häufig Zielscheibe von Kritik – derzeit zum Beispiel, weil der Vatikan nach Medienangaben bereit sein soll, um eines Abkommens mit der Volksrepublik China willen auch einige sogenannte „patriotische“, also regimenahe Bischöfe anzuerkennen.

„Tür der Barmherzigkeit bleibt immer offen“

„Jede illegitime Bischofsweihe ist eine tiefe Wunde der Einheit und Gemeinschaft der Kirche“, sagt Parolin auf eine entsprechende Frage – diesmal nicht in unserem Interview, sondern im Gespräch mit der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. „Von Johannes Paul II. an haben sich die Päpste immer bemüht, eine schmerzhafte Lage zu heilen. Den Bischöfen, die es bereuen, dass sie eine illegitime Weihe akzeptiert haben, verzeiht der Papst; er befreit sie von den kanonischen Strafen, die sie sich zugezogen haben, und nimmt sie wieder in die volle Gemeinschaft auf. In den letzten dreißig Jahren sind so einige Dutzend Bischöfe wieder in die Gemeinschaft aufgenommen worden. Die Tür der Barmherzigkeit kann auch in den aktuellen Fällen nur offenstehen!“

Zurück vom manchmal undankbaren Tagesgeschäft zum Pontifikatsjubiläum: Was wünschen Sie ihrem Chef, Kardinal Parolin?

„Ich glaube, viele Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche, die ihn als eine wichtige Figur der heutigen Zeit wahrnehmen, wünschen ihm, dass der Herr ihm Leben, Gesundheit, Kraft und Mut gebe, damit er die Kirche weiter lenken kann. Lasst es uns doch mit den Worten eines alten Gebetes sagen: „Deus conservet eum et vivificet eum“ – „Gott erhalte ihn und gebe ihm beständige Kraft.“ Gratulieren wir ihm alle: Auf viele weitere Jahre, Heiliger Vater!“

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13. März 2018, 11:02