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Junge Menschen gehen den Kreuzweg Junge Menschen gehen den Kreuzweg 

Kreuzweg im Kolosseum: Jugendliche Augenzeugen der Passion

Der Vatikan hat an diesem Samstag die Meditationen für die Via Crucis am Kolosseum veröffentlicht. In diesem Jahr sind es 15 Jugendliche, zwölf Mädchen und drei Jungen, welche die Texte zu den 14 Stationen geschrieben haben, die am Karfreitag unter Vorsitz des Papstes abgegangen werden.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Die jungen Menschen erleben in ihren Meditationen die Passion Christi als Augenzeugen mit und schaffen eine Verbindung der Ereignisse mit der Welt von heute, bestimmt durch Teilnahmslosigkeit, die Unfähigkeit, kritische Stimmen zu hören, und die erbarmungslosen Beziehungen in der virtuellen Welt der Social Networks. Die Autoren wurden durch den Religionslehrer Andrea Monda koordiniert. 

An der ersten Station, der Verurteilung Jesu durch Pilatus, wird der Akzent der Meditation auf die Menge gelegt, die beharrlich die Hinrichtung Jesu fordert, obwohl dieser in den Augen des Statthalters kein verurteilungswürdiges Verbrechen begangen hat. Wie der junge Autor unterstreicht, „verschwimmt“ der Einzelne in der Masse, kann sich unschuldig an den Geschehnissen fühlen – und ist es durch seine schweigende Zustimmung umso mehr. Auch wir selbst, so die Mahnung, sind in Gefahr, die Augen vor dem „Ruf des Guten“ zu verschließen und Ungerechtigkeit schweigend hinzunehmen. „Auf diesem vollen Platz hätte es gereicht, dass nur ein einziges Herz gezweifelt, dass nur eine Stimme sich gegen die tausend Stimmen des Bösen erhoben hätte,“ beklagt der Verfasser mit Blick auch auf die aktuelle Welt, ind er allzu oft mit Teilnahmslosigkeit auf Ungerechtigkeiten geantwortet wird.

Die Autorinnen der Meditationen zur zweiten Station, an der Jesus sein Kreuz annimmt, betonen in ihren Überlegungen, dass Jesus das Kreuz ohne Zögern auf sich genommen habe, „dieses Instrument einer falschen und schändlichen Folter“. Junge Menschen ärgern sich und rebellieren bisweilen, wenn sie Aufgaben übertragen bekommen, die sie als „mühevoll oder ungerecht“ ansehen. Doch dank des „gehorsamen“ Jesus, der heutzutage noch als „jung“ angesehen würde, verstehe man, dass dieses Kreuz das „Kreuz des Heils und der Errettung“ sei und entdecke gemeinsam mit Christus, der das, „was das Leben dir anbietet“, „stets ernst“ nehme, dass an den Dingen „immer mehr dran ist, als es scheint“ und diese „eine verborgene und überraschende Bedeutung“ hätten.

Die Wahl zwischen Aufgeben und Weitermachen


An der dritten Station, an der Jesus zum ersten Mal fällt, wird das Bild eines Mannes gezeichnet, der eine Demütigung erfährt und durch die Menge am Wegrand verspottet wird. Vielleicht, so der Gedanke der Autorin, waren diese Menschen auch enttäuscht, hatten sich ein anderes Bild vom Gottessohn gemacht. So auch wir selbst: vielleicht meinen wir, dass wir gemeinsam mit Jesus niemals fallen könnten, doch die Lehre sei eine andere: Jesus, völlig „der Liebe des Vaters ausgeliefert“, beißt die Zähne zusammen, steht auf und geht weiter, „wie ein Kind, das seine ersten Schritte ins Leben macht, das Gleichgewicht verliert, fällt und weint, doch dann weiter macht.“ Mit seinem Mut lehre Jesus uns, dass die Stürze, die das Leben mit sich bringt, „unseren Weg niemals aufhalten“ dürften und wir stets eine Wahl hätten: „uns zu ergeben, oder mit dir wieder aufzustehen.“

An der vierten Station die herzzerreißende Begegnung mit Maria, der Mutter, die ihren Sohn dem Tod entgegen gehen sieht und nicht eingreifen kann. Der Skandal der Mutter, die ihr Kind in den Tod begleitet, einen Tod, der im Namen einer „Gerechtigkeit“ erfolgt, die nichts weniger als gerecht ist. Die Autorin dieser Meditation legt ihr Augenmerk auf Maria, die durch die Prophezeiung darauf vorbereitet war, ihren Sohn in den Tod gehen zu sehen. Doch „jetzt, wo es passiert ist, ist alles anders; und das ist immer so, wir sind immer unvorbereitet gegenüber dem Leben und seiner Rohheit.“ Dennoch trage Maria den Kopf hoch, sei „strahlend“ auch in ihrer Trauer, denn sie trage die Gewissheit in sich, „wie es nur die Mütter fühlen“, dass sie ihren Sohn bald wiedersehen werde.

 

Auch für uns steht ein Simon von Cyrene bereit


Simon von Cyrene wird an der fünften Station dazu gezwungen, dem erschöpften Jesus das Kreuz zu tragen. Jesus, der sich von allen verlassen fühlen musste, hatte unerwartet eine Hilfe an die Seite gestellt bekommen. Dies gelte auch für die zufälligen Begegnungen, die vor allem junge Menschen täglich erlebten: „Und es ist im unerwarteten Zusammentreffen, im Unfall, in der verblüffenden Überraschung, in denen die Möglichkeit zu lieben verborgen ist, die Möglichkeit, das beste im Nächsten zu entdecken, auch wenn er uns verschieden scheint.“ Man dürfe auch in der tiefsten Verzweiflung nicht vergessen, dass es stets „einen Simon von Cyrene gibt, der bereit ist, unser Kreuz für uns zu tragen.“

Die sechste Station berichtet von Veronika, der mutigen Frau, „von der wir nichts wissen“, die ungeachtet der bewaffneten Soldaten ihren Weg zu Jesus macht und ihm das Schweißtuch reicht, um sein Gesicht von Blut und Schmutz zu befreien. Mit ihrer einfachen Geste der Nächstenliebe, so die junge Autorin, habe sie sich das Paradies verdient. Die sie lasse sich nicht durch den unschönen Anblick des leidenden Jesus beirren, liebt ihn im Leid vielleicht noch mehr als vorher. „Veronika geht über den Schein hinaus, der heute in unserer Gesellschaft der Bilder so wichtig ist,“ doch gerade in seinem ihm auch physisch anzusehenden Leid und Unvollkommenheit zeige Jesus „die Perfektion seiner Liebe“.

 

Wir selbst sind nichts als Schlamm


Jesus fällt zum zweiten Mal an der siebten Station des Kreuzwegs, doch dadurch, dass er sich wieder erhebe, zeige er, dass er ein „wahrer Mann“ sei, so der Autor der Meditation. Mit seinem erneuten Sturz auf den lehmigen Boden sende er eine klare Botschaft an uns Menschen, die wir selbst „nichts anderes als Schlamm“ seien. Auch uns geschehe es, dass wir von Schmerz gequält sind. Doch diese Schmerzen und Stürze seien nicht würdig, mit denen des Erlösers verglichen zu werden: die diese seien ein „Opfer, das größte Opfer, das meine Augen und die Geschichte jemals sehen können.“

Die direkte Art, mit der Jesus zu den klagenden Frauen Jerusalems spricht und sie „wie ein Vater“ ermahnt, ist das Zentrum der Überlegungen zur achten Station. Jesus benutze Worte, die betroffen machten, denn „es sind konkrete und direkte Worte“, so die Autorin, Worte, „die hart erscheinen können, weil sie unverblümt sind.“ Heutzutage seien wir eher daran gewöhnt, Kritiken zu verbrämen und den anderen seinem Schicksal zu überlassen, als ihn zu seinem eigenen Wohl zurechtzuweisen. Anders Jesus: in einer Zeit, zu der Frauen es nicht wert waren, das Wort an sie zu richten, sei er, in seiner freundlichen Bestimmtheit und Zugewandheit den Frauen gegenüber, „wahrhaft revolutionär.“

Zu viele Stürze, um sie alle zu zählen


Der dritte Sturz Jesu, von dem die neunte Station handelt, scheint seine Niederlage zu besiegeln, so die Überlegungen in der Meditation. Auch wir selbst erlitten zahlreiche Stürze in unserem Leben, so viele, „dass wir sie nicht mehr zählen können“, in der Hoffnung, dass dies der letzte Sturz sei. Doch wenn einer zu oft falle, dann ließen die Kräfte nach, und es gelinge nicht mehr, aufzustehen. Anders Jesus, der trotz seiner totalen Erschöpfung wieder aufsteht und bis ans Ende gehen will: „Vielleicht“, so die Autorin, „ist das Liebe.“ „Das, was ich verstehe, ist, dass es nicht wichtig ist, wie oft wir fallen, es wird immer die letzte, vielleicht schlimmste Prüfung geben, in der wir aufgerufen sind, die Kräfte dafür zu finden, bis zum Ende des Weges zu gehen.“ Diese Prüfung für Jesus sei die Kreuzigung, die „eine tiefere Bedeutung, ein höheres Ziel, enthüllt, nämlich uns alle zu retten.“

„Ich blicke mich um und sehe Augen, die auf Telfone starren, in Social Networks damit beschäftigt, jeden Fehler anderer anzuzeigen, ohne die Möglichkeit der Vergebung“

Die endgültige Demütigung: Jesus wird seiner Kleider beraubt, die die Soldaten anschließend an die Kreuzigung unter sich auslosen. Darüber, dass Jesus nun vor den Augen dieser Menschen auch den letzten Rest an Würde verloren hat, denkt die Autorin der Meditation zur zehnten Kreuzwegstation nach. Die Kleider, die Gott den Menschen gegeben habe, seien seinem Sohn von eben diesen Menschen vom Leib gerissen worden. Jesus, so die Überlegungen der Jugendlichen, gleiche in seiner Nacktheit einem jungen Migranten, der in einem oft feindlich gesinnten Land ankomme, zerrissen und voller Schmerzen. Doch die Menschen vergäßen oft, dass die Würde als unveräußerliches Gut unter der Haut liege, auch und gerade in den Momenten der „Nacktheit“.

Angesichts eines Jesus, der an der elften Station ans Kreuz genagelt und verhöhnt wird, fragt sich die Autorin der Meditation, ob sie den Mut gehabt hätte, sich den Ereignissen zu widersetzen. Jesus habe die Kraft gehabt, für seine unbequemen Worte verurteilt zu werden, und den Menschen dennoch vergeben – während es heute schon schwierig sei, auch nur eine Kritik zu verdauen. „Heute, in der Welt des Internets, sind wir so beeinflusst durch alles, was im Netz kreist, dass ich manchmal an meinen eigenen Worte zweifele,“ zeigt sie sich bedrückt über die sie umgebenden Gesichter, die sich über die Telefone beugen, „in Social Networks unterwegs, um jeden Fehler der anderen anzuzeigen, ohne die Möglichkeit der Vergebung.“

Er sehe den sterbenden Jesus am Kreuz, so der Autor der Meditation zur zwölften Station, doch „diesmal würde ich dich nicht sehen wollen.“ Doch allzu oft, so die selbstkritische Erkenntnis, habe er sich abgewandt und sich quasi „daran gewöhnt“, sich von Schmerz und Tod abzuschotten. Jesus hingegen fliehe nicht vor dem Schmerz und bewahre seine Liebe zu den Menschen, „sterbend, verlassen,“ den Willen seines Vaters erfüllend. Er versuche nicht, dieses Mysterium zu erklären, sondern durchdringe es mit seinem Körper und seinem Geist. Und es sei gerade vom Tode ausgehend, dass man die Liebe Jesu erkenne: „In unserer wahrhaftigsten Bedingung, unauslöschlich und unausweichlich. Es ist hier, wo wir deine lebendige und authentische Anwesenheit erspüren, wenn auch auf noch nicht vollständige Weise.“

Jesus klopft an unsere Tür

 

Es ist das Thema Menschlichkeit und Menschsein, das die Autorin der Meditation zur dreizehnten Station umtreibt. In seiner Fragilität am Kreuz werde deutlich, wie sehr Jesus gelitten habe, zeige aber gleichzeitig damit seine Menschlichkeit, das „Schlüsselwort“, um seinen Weg zu beschreiben. Es sei gerade dieser Aspekt, der allzu oft von den Menschen vergessen werde und in uns wie auch den anderen zu suchen sei, „zu sehr beschäftigt mit einem Leben, das aufs Gaspedal drückt, blind und taub gegenüber den Schwierigkeiten und den Schmerzen der anderen.“ Vom Kreuz angenommen, werde Jesus seiner Mutter in den Schoß gelegt: „Nun ist das Leid vorbei, verschwunden,“ und die Stunde des Erbarmens gekommen, während in dem gemarterten Körper noch die Kraft nachhalle, mit der er das Leiden ertragen habe. Durch dieses Opfer und Aug in Aug mit den Hinterbliebenen werde deutlich, was der Tod nicht nehmen könne: „die Liebe.“

Doch angesichts des dunklen Grabes, in das Jesus an der vierzehnten Station gelegt wird, kann die Autorin der letzten Meditation den Ausruf nicht unterdrücken: „Wo bist du hingegangen, Jesus? Wohin bist du hinabgestiegen, wenn nicht in die Tiefe?“ Trotz aller Verzweiflung und Dunkelheit, die die Szenerie begleitet, ist es dennoch die Hoffnung, die sich am Ende der Passion Bahn bricht: in der Gewissheit, dass nicht wir es sind, die auf der Suche nach Jesus umherirren müssen, „denn du klopfst an meine Tür.“

(vatican news)

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24. März 2018, 15:00