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Der Papst und Kardinal Njue Der Papst und Kardinal Njue 

Papst: „Migranten brauchen konkrete Hilfe“

Migranten brauchen nicht nur schöne Worte, sondern konkrete Unterstützung. Daran erinnerte der Papst an diesem Donnerstagvormittag die Mitglieder der Internationalen katholischen Kommission für Migration, die er in Audienz empfing.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Es sei wichtig, dass sich die katholische Kirche für Migranten und Menschen auf der Flucht einsetze, so der Papst. Dazu müsste man vor allem jene Staaten ansprechen, die involviert seien, damit sie „passende und effektive Antworten“ für die Herausforderung der Migration finden könnten. Dies könne die Kirche anhand der „katholischen Soziallehre“ anbieten, die eine Basis für die Hilfe sei, erinnerte der Papst die 130 Teilnehmer der Audienz im Vatikan.

Die Kommission müsse darauf achten, dass die „schriftlichen Verträge“ nicht nur „leere Versprechen“ blieben, sondern dass eine globale Mitverantwortung getragen werde, um der Herausforderungen durch die Migration Herr zu werden. Geführt wird die Kommission vom Erzbischof von Nairobi, Kardinal John Njue, den der Papst für „seinen großen Sinn für Humor“ würdigte.

Die Migration sei ein Phänomen, das sich seit der Gründung der Kommission 1951 nicht sehr stark verändert habe, außer dass das Ganze noch komplexer geworden sei. Franziskus erinnerte daran, dass heute Millionen von Menschen direkt betroffen seien.

„So wie zur Zeit Mose, als das israelische Volk als Sklaven in Ägypten lebte, hört der Herr auch heute den Schrei und kennt das Leid all jener, die verfolgt werden“, so der Papst. Gott habe der Kirche mit der Mission „der Befreiung der Armen“ beauftragt, fügte Franziskus an. Dazu zählten all jene, die unterdrückt und verfolgt werden.

Er hoffe deshalb, dass der Einsatz der Kommission weiter geführt werde und dass damit die Kirche vor Ort all jenen beistehe, die gezwungen seien, ihre Häuser zu verlassen und „oft Opfer von Täuschungen, Gewalt und Misshandlungen jeglicher Art“ würden.

Zum Nachhören - inklusive das Interview mit Pater Christian Marte

Jesuitenpater Christian Marte ist seit 2008 Direktor des Kardinal König Hauses in Wien. Er nahm an der Audienz mit dem Papst teil. Im Anschluss haben wir mit ihm darüber gesprochen:

VN: Christian Marte, Jesuit aus Österreich, Sie waren zu Gast in Rom zur Migrationskonferenz. In welcher Funktion waren Sie dort?

Marte: Ich war hier als geistlicher Begleiter. Das ist die Konferenz der internationalen katholischen Migrationskommission. Das sind Delegierte aus sehr vielen Bischofskonferenzen aus der ganzen Welt, die sich hier ganz bewusst drei Tage mit den Themen Migration und Flüchtlinge befassen.

VN: Wenn Sie diese Konferenz soweit zu resümieren könnten – was für konkrete Ergebnisse sind dabei herausgekommen?

Marte: Ein konkretes Ergebnis ist, dass sie eine neue Präsidentin gewählt haben, eine Australierin. Das ist eine Kommission, die zusammengesetzt wird aus Vertretern der Bischofskonferenz und der Caritas-Organisationen und die trifft sich alle vier Jahre einmal zu einer Konferenz. Und das ist jetzt eben diese Konferenz.

Was sich mir gezeigt hat ist eine ganz starke globale Präsenz der Kirche mit konkreter Hilfe an Ort und Stelle. Das war für mich der stärkste Eindruck! Da war beispielsweise eine Schwester, die im Gaza gearbeitet hat und jetzt die Caritas in Jerusalem leitet.  Oder jemand, der in Südkorea arbeitet und immer wieder nach Nordkorea fährt. Oder jemand, der in Ozeanien arbeitet und sagt „Unser größtes Problem ist der Klimawandel weil der Meeresspiegel steigt und wir schon jetzt wissen, dass viele Inseln nicht mehr bewohnbar sind.“ Das können wir in der Zeitung lesen oder online sehen, aber wenn man dann jemandem begegnet, für den das die Wirklichkeit ist, dann ist das nochmal etwas anderes.

VN: Wenn sie als Beobachter heute auf katholische Flüchtlingsarbeit in Europa sehen: Da gab es ja in den letzten drei Jahren viele Entwicklungen. Wie sieht denn heute katholische Arbeit, katholischer Einsatz für Flucht und Migration in Europa aus? Welche Formen hat das angenommen?

Marte: Ich glaube, das hat ganz verschiedene Ebenen. Das eine ist, dass die katholischen Institutionen, die christlichen Institutionen sehr nahe bei den Flüchtlingen und Migranten sind. Oder bei denen, die vom Menschenhandel betroffen sind; also ganz nahe, unmittelbar. Da ist die Kirche ein großer Player, das ist das eine. Das andere ist die Ebene vom politischen Einsatz. Dass wir uns bewusst darum bemühen, dass gesetzliche Regelungen positiv sind für Menschen, die auf der Flucht sind oder die unterwegs sind. Das ist eine zweite Ebene. Die dritte ist die: Wie wir darüber sprechen, über dieses Thema, das wird dort einen ganz starken Einfluss haben können. Das sind einzelne Menschen, die haben ein Gesicht, die haben einen Namen. Und wenn wir da immer nur in Millionen und in riesigen Zahlen und in Statistiken denken und sprechen… ich finde, unser Ansatz ist der, dass wir ganz stark auf den Menschen schauen.

VN: Was hat Ihnen Papst Franziskus in der Audienz, von der Sie gerade kommen, erzählt?

Marte: Der Papst argumentiert ganz biblisch, da ist er ganz stark. Er fängt mit Abraham an, er geht dann zu Mose und sagt „Die Kirche ist auch dazu da, die Menschen willkommen zu heißen , die unterwegs sind, sie zu begleiten, sie zu unterstützen, ihnen bei der Integration zu helfen. Er ist, glaube ich, der einzige – ich sehe sonst keinen – globale Leader der ein positives Bild von Flüchtlingen und Migranten zeichnet. Alle anderen erzählen uns jeden Tag dass es schwierig ist, dass es kompliziert ist, dass es ein Sicherheitsrisiko ist. Und er versucht – und wir mit ihm – ein anderes Narrativ, eine andere Geschichte zu erzählen.

VN: Am Montag war Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Papst, der im Anschluss bei einem Pressegespräch den Journalisten sagte, er sehe eine große Übereinstimmung zwischen den Positionen des Heiligen Stuhls in Fragen Flucht und Migration und den Positionen, die Österreich gerade politisch vertritt. Können Sie das kommentieren?

An seiner Stelle würde ich das auch so sagen. Zugleich muss man sagen, natürlich hat Österreich sehr viele Migranten aufgenommen, in den letzten Jahren, aber wir merken auch ganz konkret: Ich kümmere mich um eine afghanischen Familie, dass es sehr schwierig ist mit den Behörden zu arbeiten. Selbst wenn dort überall wohlmeinende Leute sind! Aber es ist eigentlich im Einzelfall sehr schwierig. Da würde ich sagen ist die katholische Position dass wir ganz beim einzelnen sind und sagen „Wir müssen schauen, dass der Einzelne – das sind Familien – dass die einen guten Weg machen können. Da haben wir eine klare Position vom Evangelium her und hinter die können wir auch nicht zurück.

VN: Nun wird immer gerne der Vorwurf gegen die katholische Kirche erhoben, eben die Tatsache, dass sie als einzige versucht, Flucht und Migration ein menschliches Antlitz zu geben, angesichts einer Entwicklung, die sich abzeichnet und die immer mehr Migration nach Europa vorsieht. Das heißt, die katholische Position droht eigentlich immer mehr eine Minderheitenposition zu werden. Ist das richtig?

Marte: Das weiß ich nicht. Ich glaube, die katholische Kirche hat sich immer stark am Realitätsprinzip orientiert und die Realität ist, dass es sehr viel Migration gibt. Aber der größte Teil der Migration funktioniert ohne Probleme. Sehr viele Menschen immigrieren ohne Probleme. Die, die in Schwierigkeiten sind, da haben wir als katholische Kirche und als Katholikinnen und Katholiken die Aufgabe, ihnen zu helfen. Mit unseren Möglichkeiten. Und ich würde sagen, wenn jeder seinen Spielraum, den er hat, zum Guten hin nutzt, dann können wir extrem viel erreichen. Das scheint mir wichtig, dass wir eine Sprache finden, die positiv über die Menschen spricht, dass wir die guten Beispiele zeigen. Das heißt nicht, dass wir ignorieren, dass es sehr große Schwierigkeiten gibt, aber wir dürfen das Migrationsthema nicht nur unter dem Sicherheitsaspekt sehen. Das sind andere Aspekte. Das könnten wir genauso gut unter dem Bildungsaspekt sehen oder unter dem wirtschaftlichen Aspekt. Mir geht es darum, dass wir einen positiven Diskurs führen. Wenn wir das nicht tun, dann tun wir uns selber nichts Gutes. Da schaden wir uns selbst. Sehr viele Österreicher und Österreicherinnen sind im Laufe der Geschichte ausgewandert, das müssen wir bitte auch festhalten. Die Burgenländer, die Voralpen,… Wenn wir uns irgendwie einlassen könnten auf eine positive Sicht der Dinge – das heißt nicht, dass wir blauäugig sind oder mit der rosaroten Brille sehen, dazu sind wir als Kirche viel zu viel im Detail damit befasst, wie das läuft. Aber wir wollen in anderen den Menschen sehen. Das heißt: Wir wollen in ihm Christus sehen. Und das heißt so müssen wir uns auch benehmen.

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08. März 2018, 12:15