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Neues Marienfest erinnert an gleiche Würde von Mann und Frau

Das neue katholische Fest „Maria, Mutter der Kirche“, das am kommenden Pfingstmontag zum ersten Mal weltkirchlich begangen wird, birgt Chancen für eine theologische Weiterentwicklung der Frauenfrage in der Kirche. Welche, erklärt uns die Dogmatikerin Margit Eckholt.

Gudrun Sailer – Vatikanstadt

Männer und Frauen stehen in gleicher Weise in der Nachfolge Jesu Christi, und diese gemeinsame Teilhabe am Volk Gottes erfährt durch das neue Marienfest eine deutliche Bestärkung, so die in Osnabrück lehrende Theologin. Wenn Männer und Frauen in der Christusnachfolge die gleiche Würde haben, heiße das auch, dass sie die gleiche Würde „im Blick auf die Verkündigung des Evangeliums“ haben.

Papst Franziskus hat das neue Marienfest „Maria, Mutter der Kirche“ im März 2018 in den liturgischen Kalender der Weltkirche eingefügt. Es wird am Pfingstmontag begangen.

Gudrun Sailer sprach mit Margit Eckholt und fragte sie zunächst, was Maria, die Mutter Jesu, nach dogmatischem Befund zur Mutter der Kirche macht.

Eckolt: „Maria ist von den Schrifttexten her klarerweise die Mutter Jesu, im Johannesevangelium wird sie die Mutter genannt, und in der frühen Kirche hat sich der Titel der Muttergottes durchgesetzt. Die Apostelgeschichte zeigt Maria im Kreis der Jünger beim Pfingstereignis. Maria wird also von Anfang an in das Zentrum der Gemeinde, der Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger geholt, und zwar als die große Glaubende. Die Kirchenväter haben sie dann als den Typus der Glaubenden bezeichnet. Männer und Frauen in der Nachfolge Christi sehen sich also in ihrem Glauben in dieser Frau Maria repräsentiert. Und daran hat dann in ekklesiologischer Perspektive das Zweite Vatikanische Konzil erinnert. Dort ist Maria in der großen Kirchenkonstitution Lumen gentium im letzten Kapitel benannt als der Typus des Volkes Gottes. Sie repräsentiert hier das große Vorbild für alle, die in der Nachfolge Jesu Christi stehen.“

Vatican News: Papst Franziskus will die Rolle der Frau in der katholischen Kirche auf verschiedenen Ebenen stärken. Mehrfach hat er eine neu zu entwickelnde „Theologie der Frau“ angemahnt, auch angemerkt, es heiße schließlich „die“ Kirche, nicht „der“ Kirche, die Kirche sei eine Frau, das habe etwas zu besagen. Welche Spuren für eine solche Theologie der Frau legt das neue Marienfest?

Eckholt: „Über das neue Fest kann der Gedanke des Volkes Gottes im Blick auf Maria in einer partizipativen, einer kommunikativen neuen Weise durchbuchstabiert werden. Die Kirche ist Volk Gottes: Männer, Frauen, Junge, Alte in der Nachfolge dieses Jesus von Nazareth, in dem Gott sich als Leben für die gesamte Welt offenbart hat, als Befreiung von Schuld und Sünde. Und das hat dann auch eine Volk-Gottes-Theologie, eine Befreiungstheologie, eine feministische Theologie weiter entfaltet. Maria steht im Grunde für alle Menschen in der Nachfolge Jesu Christi, und das ist es, was wir heute herausarbeiten müssen. Wir haben die Möglichkeit, über den Blick auf Maria die Volk-Gottes-Ekklesiologie in einer partizipativen Weise weiter zu entfalten. Es geht um die gleiche Würde in der Nachfolge Jesu Christi von Mann und Frau. Mit Maria kommt allen Christen – allen, die in dieser Nachfolge stehen – diese gleiche Würde zu, die auch eine gleiche Würde im Blick auf die Verkündigung des Evangeliums ist.“

Hier das Interview zum Hören:

Vatican News: Als „Mutter der Kirche“ und „Mutter des ganzen christlichen Volkes“ gilt Maria offiziell schon seit 1964. Es war Papst Paul VI., der sie dazu erklärte, während des II. Vatikanischen Konzils (zum Abschluss der dritten Sitzungsperiode am 21. November 1964). In manchen Ortskirchen wird ein solches Marienfest „Mutter der Kirche“ jetzt schon begangen, Franziskus hat es nun für die Weltkirche eingeführt. Ist das letztlich auch ein Akt der Verheutigung der Kirche, wie es das Konzil wollte?

Eckholt: „Verheutigung ist dieses Aggiornamento, von dem Johannes XXIII. auch bei der Einberufung des Konzils gesprochen hat; er war der Papst, der die Zeichen der Zeit hineingeholt hat in eine Reflexion auf das, was Kirche ist. Auch in der Konzilskonstitution Gaudium et spes werden die Zeichen der Zeit benannt, und dazu gehört auch die Frauenfrage. Das für mich auch ein ganz entscheidender Punkt für die Verheutigung im Blick auf Ihre Frage zum neuen Marienfest. Hier haben wir die Piste, um auch an dieses Zeichen der Zeit – die Frauenfrage – auf kreative und neue Weise zu erinnern, es lebendig zu erhalten.

Das ist aber für mich mit einem zweiten Punkt verbunden: In westlichen Kulturkreisen sehen wir ein Wegbrechen der Zugehörigkeit von Menschen zur lebendigen Gemeinschaft der Glaubenden. Das ist ein Zeichen unserer Zeit. Wie können Menschen heute zu einem lebendigen Glauben finden? Wir brauchen Zeugnisgestalten. Und als Typus der Glaubenden steht Maria für diese Intensität eines Glaubens an den lebendigen Gott, an diese Zukunft auch in Gott. Der Blick auf Maria kann Menschen vielleicht auch helfen, in einen solchen lebendigen Glauben hineinzukommen. Diese beiden Punkte – Aggiornamento im Blick auf die Frauenfrage und im Blick auf einen lebendigen Glauben – gehören für mich zusammen auch in einer dogmatischen Tiefe. Und das ist von großer Bedeutung auch für die Entfaltung einer Volk-Gottes-Ekklesiologie in einem partizipativen Sinne: dass Männer und Frauen also in gleicher Weise in der Nachfolge Jesu Christi stehen.“

Vatican News: In Lateinamerika, dem Heimatkontinent von Papst Franziskus, ist die Marienverehrung stärker ausgeprägt als bei uns. Sie haben auch über die Stellung der Frau im lateinamerikanischen Katholizismus der Gegenwart gearbeitet. Denken Sie, das Marienfest „Mutter der Kirche“ gibt in Lateinamerika andere, vielleicht stärkere Impulse als bei uns? Welche?

Eckholt: „Die lateinamerikanische Kirche ist seit dem Beginn der Evangelisierung von einem starken Volksglauben geprägt. Maria hatte hier immer einen großen Stellenwert, gerade auch in den Kontexten der Eroberungen, die ja mit der Missionierung überein gegangen sind. Der Volksglaube hat also von Anfang an höchst kreative und widerständige Elemente gehabt. Die Befreiungstheologie hat dies in ihrer Gründungsphase in den 70er Jahren weniger in den Blick genommen. Über andere Strömungen, gerade auch die argentinische Teologia del pueblo, für die ja auch Papst Franziskus steht, sind genau diese Momente des Volksglaubens ins Zentrum gerückt worden.

Vatican News: Was heißt es, dass das neue Marienfest nach Pfingsten angesetzt ist?

Eckholt: „Maria bewusst hereinzuholen in die Verbindung mit Pfingsten als Geburtsfest der Kirche bedeutet für die lateinamerikanische Kirche, auf einem kulturell noch immer chauvinistisch geprägten Kontinent an die Bedeutung der Frau zu erinnern, die gleiche Würde von Mann und Frau. Und es bedeutet ebenso, mit Maria widerständig zu sein im Blick auf all das, was heute die Gesellschaften Lateinamerikas durchschüttelt: eine massive Gewalt gegen Frauen beispielsweise.“

Vatican News: Es ist nicht das erste Mal, dass Papst Franziskus die Rolle der Frau in der Kirche über liturgische Neuerungen zu stärken versucht: die Fußwaschung am Gründonnerstag schließt nun auch Laien und damit Frauen ein, die an die Stelle der zwölf Apostel treten; Franziskus hat den Gedenktag zu Maria Magdalena liturgisch zum Fest aufgewertet, zusätzlich wird sie nun in der Liturgie als Apostelin der Apostel angerufen. Warum wählt Ihrer Einschätzung nach Papst Franziskus gerade das Feld der Liturgie, um die Rolle der Frau in der Kirche neu zu betonen?

Eckholt: „Liturgie heißt, einen Raum für Gott zu öffnen. Das ist dann der Raum des Gebetes, der Raum, in den Menschen sich stellen, um sich zunächst auch als Empfangende zu sehen, sich von Gottes Wort leiten zu lassen. Liturgie ist darüber hinaus etwas zutiefst Lebendiges, Kreatives. Etwas, das mit Ästhetik zu tun hat und mit Gefühlen. Sie ist die Feiergestalt des Glaubens, die gerade in Regionen wie denen Lateinamerikas eine starke Bedeutung hat. Und über das Fest, über die Feier, und in diesen Sinn dann auch über die Liturgie, werden noch andere, tiefere Schichten der Erfahrung des Menschen erreicht. Denken wir an dieses Stichwort „mit dem Herzen sehen, glauben“. Glauben ist in dieser Tiefe dann auch eine Sache des Herzens. Und genau in dieser Tiefe setzt immer kultureller Wandel an – dort hat er in der Geschichte angesetzt und setzt noch heute an.

Und hier sind wir im Grunde auch wieder beim Aggiornamento des Zweiten Vatikanischen Konzils: ein neues Kirche-Sein, die Frage nach den Frauen, eine partizipative Volk-Gottes-Ekklesiologie; die Bedeutung, auch heute Glaubensvorbilder zu haben, in den Glauben neu hineinzuwachsen, Verkündigung, Evangelisierung: die großen Themen der letzten Pontifikate und auch von Papst Franziskus. Und das ist etwas, das die Liturgie in dieser Tiefe auf eine andere Weise auch ermöglichen kann: Kultureller Wandel im Blick auf die Erinnerung, die Würde der Frauen, hineinzuholen in das Zentrum der Kirche. Aber nicht als Modeerscheinung, sondern weil in diesen Zeichen Gottes Zeit sichtbar wird. Und das heißt Erinnerung mit Jesus von Nazareth an die Schöpfungserzählungen, und hier dann auch die Erschaffung des Menschen – Mann und Frau – als Ebenbild Gottes, die beide Verantwortung tragen für die Welt und die Wirklichkeit, und so als Bewahrer/Bewahrerinnen der Schöpfung im Dienste Gottes stehen. Das hat mit Glauben zu tun, und insofern erinnert die Liturgie, und dann auch dieses Marienfest, an eine starke große kreative Frau, die ganz aus dem Vertrauen auf Gottes Wort gelebt hat und die von dort her auch von Gott erwählt worden ist, Mutter Gottes zu werden, und in diesem Sinne dann auch Mutter der Kirche, Vorbild für alle, die sich auf diesen Weg der Nachfolge machen.“

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14. Mai 2018, 11:15