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Vor dem Kölner Dom, in der Neujahrsnacht Vor dem Kölner Dom, in der Neujahrsnacht  

Sollte man Bettlern Geld in den Hut werfen, Herr Bischof?

Menschenhandel – das ist, wenn man auf den deutschsprachigen Raum schaut, nicht nur Zwangsprostitution. Sondern auch Arbeits-Ausbeutung, organisiertes Betteln und (seltener) Organentnahme.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Darauf macht der Kölner Weihbischof Ansgar Puff aufmerksam. Im Vatikan hat er in den letzten Tagen, bis Freitag, an der fünften internationalen Konferenz der „Santa Marta Group“ zum Thema Menschenhandel teilgenommen. Für Puff war es das erste Mal; normalerweise sitzt bei den Begegnungen des Verbands der Hamburger Erzbischof Stefan Heße mit am Tisch.

Aber wenn das organisierte Betteln in den Bereich Menschenhandel fällt – wäre es dann nicht besser, den entsprechenden Bettlern nichts in den Hut zu werfen? Das wollte Vatican News von Weihbischof Puff wissen.

Doch zu Hartherzigkeit will der Kirchenmann nun auch nicht raten: Die Kölner Caritas empfehle in einer Broschüre, Bettlern in der Regel Geld zu geben, „– ich gebe denen selber auch etwas“, so Puff. „Man muss nur realistisch sein: Es gibt diese organisierte Kriminalität, diese organisierte Ausbeutung zum Zweck des Bettelns… Rund um den Kölner Dom können Sie sich das anschauen.“

„Man könnte fast sagen: richtig deutsch“

In der „Santa Marta Group“ tauschen sich Verantwortungsträger aus Kirche und Polizei, Ordensschwestern, Vertreter der Zivilgesellschaft sowie weitere Fachleute und Praktiker über ihre Erfahrungen im Kampf gegen „moderne Sklaverei“ aus. Im Fokus standen diesmal verschiedene Strategien zur Prävention von Menschenhandel und zum Schutz der Opfer. Unter den insgesamt 130 Delegierten aus über 30 Ländern waren auch zwei Vertreter des Bundeskriminalamts und eine Ordensschwester der Frauenrechtsorganisation SOLWODI aus Berlin.

Weihbischof Ansgar Puff zeigte sich beeindruckt von den starken Netzwerken, die mit Hilfe der Santa Marta Group entstanden sind: „Von dieser Konferenz geht eine klare Botschaft aus: Um Menschenhandel wirksam zu verhindern und den Opfern zu helfen, müssen staatliche, kirchliche und zivilgesellschaftliche Akteure eng zusammenarbeiten – einer allein kann dieser Aufgabe nicht gerecht werden.“

Im Gespräch mit Vatican News sagte Puff, seit der Gründung des Verbands 2014 habe sich nach seinem Eindruck „schon viel entwickelt“. Selbst die bei den Gesprächen anwesenden Polizeibeamten seien offenbar von „christlichem Geist“ beseelt: „Ich weiß allerdings gar nicht, ob das Kirchgänger sind…“ Die Gesprächsführung im Vatikan sei „straff“ gewesen, alle Programmpunkte „bestens durchgetaktet“. „Man könnte fast sagen: richtig deutsch.“

„Es kann nicht sein, dass ein Kirchgänger dann auch noch zu einer Prostituierten geht“

Zugleich erinnerte der Weihbischof an die Situation in Deutschland: „Auch in unserem Land fristen Menschen ein Dasein als Sklaven. Ich denke etwa an die Frauen, die inmitten unserer Gesellschaft sexuell ausgebeutet werden. Viele Zwangsprostituierte sind als Migrantinnen in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis gefangen. Oft sind es Ordensschwestern und kirchliche Sozialarbeiterinnen, die diesen entrechteten Frauen mit großer Empathie beistehen, ihnen ihre Würde zurückgeben und sie auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben begleiten.“

Der Kirche in Deutschland gehe es mit Blick auf Zwangsprostitution „hauptsächlich darum, dass eine Haltung verändert wird“: „Veränderungen in den Köpfen schaffen.“ „Wir haben da in Deutschland im Bereich sexuellen Missbrauchs viel geschafft, dasselbe würde ich mir beim Thema Prostitution wünschen. Es kann nicht sein, dass ein Kirchgänger dann auch noch zu einer Prostituierten geht!“

Der Platz der Kirche sei „an der Seite der Schutzlosen, Versklavten und Ausgebeuteten“. „Wir nehmen die Perspektive der Opfer ein und verleihen jenen eine Stimme, die allzu oft überhört werden… Kein Mensch darf als Ware oder Gebrauchsgegenstand betrachtet werden.“

Laut den „Global Estimates of Modern Slavery”, die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Walk Free Foundation in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erstellt werden, lebten 2017 mehr als 40 Mio. Menschen in einer Form von moderner Sklaverei (vor allem sexuelle Ausbeutung und Arbeitsausbeutung). Mehr als zwei Drittel der Opfer waren Frauen.

Papst Franziskus hat den Kampf gegen Menschenhandel und andere Formen der Sklaverei zu einem Schwerpunktthema erhoben. Im Dezember 2014 unterzeichnete er gemeinsam mit hochrangigen Vertretern anderer Religionsgemeinschaften im Vatikan eine Erklärung, die dazu aufruft, die „moderne Sklaverei weltweit bis 2020 und für alle Zeiten abzuschaffen“.

Hier können Sie das ganze Interview hören

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09. Februar 2018, 16:50