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Papst Franziskus bei seiner dritten Asienreise Papst Franziskus bei seiner dritten Asienreise 

Myanmar: „Papstbesuch gab Kirche ein Profil von Mitgefühl“

Papst Franziskus fühlt sich in seinem eigenen Glauben bestärkt von den Katholiken in Myanmar, die sechs Monate lang gespart und bis zu drei Tage Anreise in Kauf genommen haben, um bei einer Papstmesse dabei zu sein. Das verriet der Papst jesuitischen Mitbrüdern in Rangun. Unsere Kollegin Philippa Hitchen sprach dort mit dem australischen Jesuiten Mark Raper, der die Ordensprovinz leitet.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

„Das war eine berührende Frage, die ein Mitbruder stellte, er berichtete dem Papst, diese von weither angereisten Katholiken waren so glücklich, sie fühlten, dass es das wert war, und jetzt kehren sie nach Hause zurück nach dieser Erfahrung, die sie nur einmal im Leben machen. Und der Papst sagte, schau, in den ignatianischen Exerzitien beten wir um die Gabe, uns beschämt zu fühlen. Und ich fühle mich beschämt, dass Leute so viel tun, um Petrus zu sehen. Es ist ihr Glaube, der nicht nur beschämt, sondern mich auch in meinem eigenen Glauben bestärkt.“

„,Es gibt sogar ein paar Katholiken, die mich häretisch nennen´, sagte er schmunzelnd“

Papst Franziskus besucht gerne auf Reisen seine Mitbrüder in den jeweiligen örtlichen Gemeinschaften; es sind private Stippvisiten, in denen der Papst sich ganz offen und ungezwungen mit den Jesuiten austauscht. In Rangun kam unter anderem auch die Frage nach Fundamentalismus im Buddhismus und in den Religionen allgemein auf. „Und der Papst sagte: ,Ja, Fundamentalismus steckt überall drin. In jeder Religion. Es gibt sogar ein paar Katholiken, die mich häretisch nennen´, sagte er schmunzelnd; also, das ist eine Realität.“ Und von seiner Erfahrung in Myanmar her fügt Mark Raper hinzu: „Die Reinheit des Buddhismus wird gleichsam verdorben, wenn eine Militärdiktatur versucht, ihn ihren Bedürfnissen unterzuordnen. Ich denke, jede Religion hat Elemente des Verderbens wie diese. Da spielt viel hinein, örtliche Kulturen, Animismus, aber das ist ein besonders heimtückischer Moment, weil fundamentalistischer Nationalismus aufkommt, und der wird benutzt, sehr ernsthafte Unterdrückung von Menschen zu rechtfertigen.“

„Myanmar lernt gerade: was ist Menschenrecht, was ist Gemeinwohl“

Religiöser, in diesem Fall: buddhistischer Fundamentalismus in Myanmar zeigt sich unter anderem in der Gewalt gegen die muslimische Minderheit der Rohingya in der Region Rakhine. Aus Vorsicht benannte der Papst das Volk nicht namentlich, solange er auf burmesischem Boden war, er beherzigte damit offensichtlich einen Ratschlag der Ortskirche und seiner eigenen Diplomatie. Er sprach aber deutlich von Menschenrechten, unveräußerlichen Rechten also, die jeder Mensch hat, unbesehen seiner Religion oder Abstammung. Pater Raper verweist auf die jüngere Geschichte des buddhistischen Landes mit seiner Militärdiktatur, die die Menschenrechte allgemein unterdrückte. „Wenn ein Volk sechs Jahrzehnte gelebt hat, ohne einen Sinn für seine eigenen Rechte zu haben (weil es de facto keine hatte), dann ist es für die Leute schwer zu verstehen, dass auch andere Völker Rechte haben sollen. Wir sind in einer Lernsituation in Myanmar, wo Leute lernen: was ist Menschenrecht, was ist Menschenwürde, was ist das Gemeinwohl, was ist Solidarität mit anderen.“

„Nach zwei, drei Tagen Papst wird nicht alles anders, aber…“

Der Jesuit warnt an diesem Punkt vor allzu hohen Erwartungen an den Papstbesuch und seine erhofften Folgen auf Frieden und Versöhnung in Myanmar. „Diese Krise schwelt seit Jahrzehnten, Myanmar blickt zurück auf Jahrzehnte von schlechter Regierung und Vernachlässigung. Man kann von einer Papstvisite von zwei, drei Tagen nicht erwarten, dass jetzt alles anders wird.“

Und doch: hat man genau hingehört auf das, was der Papst und was Staatsrätin Aung San Suu Kyi sagte, und Pater Raper hat das, dann war da schon etwas Bemerkenswertes in ihrer beider Reden. „Im Code war alles da“, analysiert der Jesuit: „Beide sagten, dass Menschen Rechte haben, sie sagten alle die Dinge, die, wenn sie umgesetzt würden, bedeuten würden: was in Rakhine geschieht, ist ein Desaster, ein komplettes menschliches Desaster. Und ich denke, der Heiligen Vater wird viel freier sein in Bangladesch, über das Rohingya-Volk zu sprechen, entweder in Worten oder symbolisch.“ Jedenfalls aber habe Papst Franziskus dazu beigetragen, die ganze Verfolgungsproblematik der Rohingya zu „internationalisieren“. „Er sprach ganz allgemein über die Vereinten Nationen, das klang alles ganz neutral, aber ich weiß: er nannte die Punkte, und sie wurden gehört.“

Papstbesuch gab Kirche in Myanmar ein Profil von Freundlichkeit und Mitgefühl

Der Papstbesuch war, fasst der Jesuit zusammen, ein besonderer, ein wunderbarer Moment für die Kirche in Myanmar. „Da gab es Sorge: wie würde er sprechen? Gibt’s eine Gegenreaktion? Papst Franziskus war von Anfang an dazu bereit hierherzukommen, noch ehe dieser Grenzkonflikt mit Bangladesch und die massive humanitäre Krise mit den Rohingya ausbrach; aber dann auch die Schnelligkeit, mit der die Regierung von Myanmar die Idee annahm und ihn einlud: eine Person seines internationalen Standings und seines moralischen Formats, das alles ist ein großes Geschenk für das Land. Und ich glaube, die Leute fühlen das. Dieser Papstbesuch hat der Kirche, die eine winzige Minderheit hier ist, ein Profil gegeben – ein Profil von Freundlichkeit, Mitgefühl, ein Profil des Nicht-Verurteilens; die Kirche sagt nicht, ihr sollt dies tun oder das tun, und warum habt ihr das getan. Sondern die Kirche hat das Profil: begleiten, herkommen um zuzuhören und zu erfahren. Und das macht Sinn.“

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30. November 2017, 12:05